Ein Trainer macht sich die Woche vor einem Spiel so seine Gedanken. Welche Taktik wähle ich, wo liegen die Stärken des Gegners, welcher Spieler passt am besten zu welchem Gegner und so weiter und so weiter. Und dann ist die Partie gerade mal 70 Sekunden alt und all diese Gedankengänge kann man fast wieder über Bord schmeißen. So erging es an diesem Sonntag Rugenbergens Coach Thomas Buchauer. Denn Lennert Behrend sah nach seinem zweiten Foul schon in der zweiten Minute die gelb-rote Karte. Schiedsrichter Henkel bewies wenig Fingerspitzengefühl und schickte den Übeltäter sehr früh unter die Dusche, die er eigentlich gar nicht benötigte. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Die erste Verwarnung war okay, das zweite Foul war allerdings nicht so schlimm. Er hätte auch meinem Trainer Bescheid sagen können, damit er mich hätte auswechseln können“, seufzte der sichtlich niedergeschlagene Behrend auf dem Weg in die Kabine
Und trotzdem gewann der Aufsteiger das Derby bei Halstenbek-Rellingen, da die SVR-Akteure wie Löwen kämpften und ihre wenigen Chancen geschickt ausnutzten. Überaus mangelhaft war jedoch die Auswertung der Möglichkeiten auf Seiten der Halstenbeker. Allein in der ersten Halbzeit hätte die Berndt-Elf locker mit 3:0 führen müssen, doch zu unkonzentriert wurden alle Gelegenheiten angegangen. Zum einen war es die fehlende Kaltschnäuzigkeit, zum anderen hielt Debütant Thorsten Wiebe, immerhin schon 37 Jahre alt, wie ein Tausendsassa. Wiebe ist eigentlich Torwart bei den Alten Herren, kam aber zum Einsatz, da die Stammtorhüter Domnick (Innenbandanriss) und Balbach (eine Woche in Rom) ausfielen.
Buchauer musste ja nach zwei Minuten schon umstellen und zog Ansaldo auf die Halbstürmerposition zurück, wodurch er auch defensive Aufgaben auf der rechten Seite übernehmen musste. HR bestimmte in der Folgezeit das Geschehen. Jakobs (10.) traf das leere Tor nicht, Zabel scheiterte aus kurzer Distanz an Wiebe (17.). Zwischendurch erzeugte Möller mit einem schönen Volleyschuss Applaus auf den Zuschauerrängen (12.). Nach 20 Minuten wurde der Druck der Platzherrn immer größer. Schabacker (20.), Zabel (21.) und Stars (26., 33.) mussten die überfällige Führung markieren. HR machte es insgesamt nicht ungeschickt. Die Halstenbeker zogen das Spiel in die Breite und waren vor allem über die rechte Seite enorm gefährlich. Nur das leidige Tor wollte nicht fallen Dies fiel auf der anderen Seite. Brehmer erkämpfte sich in der gegnerischen Hälfte das Leder, schickte dann Möller steil, der das Spielgerät an Schultz vorbeispitzelte. In der Vorwärtsbewegung präsentierte sich der Aufsteiger vor 380 Zuschauer selbstbewusst. Der beste Angriff der Staffel musste zwar auf Stürmer Dierks verzichten, Kollege Barth machte jedoch geschickt den Ball immer wieder fest, bis die Mitspieler nachrücken konnten.
Im zweiten Durchgang schien sich das gleiche Schauspiel fortzusetzen. Stars tauchte mutterseelenallein vor Wiebe auf und traf wieder nur die Werbebande neben dem Tor (46.). Es war seine letzte nennenswerte Situation, nach einer Stunde wurde er ausgewechselt. Halstenbek enttäuschte nach dem Seitenwechsel völlig. Über die Außen wurde kaum noch ein Angriff vorgetragen, im Mittelfeld fehlten die notwendigen kreativen Momente. So komisch es sich anhört, HR kam wieder besser ins Spiel, als Jakobs nach seiner zweiten gelben Karte ebenfalls vom Platz ging. Rugenbergen ließ ein wenig nach und Halstenbek kam noch zum kaum erwarteten Ausgleich. Schabacker legte für den eingewechselten De Bilio auf, der aus zehn Metern traf. Die Wende schien hergestellt, Rugenbergens Spieler ließen kurzzeitig die Köpfe hängen. Eine Energieleistung der besonderen Art bescherte den Gästen dann aber doch den Dreier. Ansaldo legte einen Sprint über 30 Meter hin und scheiterte an Schultz, den Nachschuss verwertete Brehmer. Minuten zuvor plagte sich Ansaldo mit schweren Krämpfen und wollte schon ausgewechselt werden. Die Entscheidung war gefallen, da HR nicht mehr die körperliche und mentale Kraft besaß, sich nochmals gegen die Niederlage zu stemmen.
Rugenbergen bleibt nach dem Erfolg Vierter, liegt allerdings nur noch einen Punkt hinter Spitzenreiter Buxtehude. Halstenbek bleibt weiterhin im Mittelfeld und musste sich Kritik vom Obmann Richard Peper anhören. „Wenn man sieht, wie die Mannschaft sich im Training verhält und im Spiel, liegt ein großer Unterschied vor. Unter der Woche kämpfen und laufen die Spieler, als würde es morgen verboten werden. Und am Wochenende sieht man wenig davon. Vor allem wie wir uns vor eigenem Publikum bisher präsentiert haben, ist sehr enttäuschend.“ Der Gesichtsausdruck war wütend und traurig zugleich. Eine Trotzreaktion am kommenden Sonnabend in Lohbrügge soll die Folge sein.
Stimmen:
Oliver Berndt (Trainer Halstenbek-Rellingen): Die Enttäuschung ist natürlich sehr groß. Wir haben nach dem Platzverweis die Partie kontrolliert. Doch unsere Chancenverwertung war einfach schlecht, bis zum Rückstand müssen wir locker mit zwei oder drei Treffern führen. Ein Kompliment an Rugenbergen, welches sehr gut gefightet hat. Nach dem Ausgleich haben wir uns sehr dumm angestellt.
Thomas Buchauer (Trainer SV Rugenbergen): Ich bin wirklich happy über diesen Derbysieg. Die Mannschaft hat nach der Ampelkarte wirklich Charakter gezeigt. Vielleicht hat uns der Platzverweis den nötigen Kick gegeben, den wir noch brauchten. Denn die Elf war glaube ich vor dem Anpfiff nicht richtig bei der Sache, ich hatte kein gutes Gefühl. Ein besonderes Lob hat sich unser dritter Torwart Wiebe verdient, der erst seit zwei Wochen wieder ins Training eingestiegen ist.
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