Tabellenführer zumindest für eine Nacht - das wäre der SV Rugenbergen mit jedem Sieg beim SC Concordia II gewesen. Doch dass der Weg zur Verbandsligaspitze für den Aufsteiger noch ein sehr steiniger ist, offenbarte sich bei der Eröffnungspartie des achten Spieltages nur zu deutlich: Das 4:1 zu Gunsten der heimischen Oberligareserve ging in jeder Beziehung in Ordnung. Die Gäste boten eine überaus enttäuschende Vorstellung.
Bisher hatten die Bönningstedter ihre Defensivschwächen zumeist durch das Erzielen von Toren am Fließband kaschieren können, was ihnen den Spitznamen "Torfabrik" - in Insiderkreisen auch "Gate Factory" (überaus freie Übersetzung aus dem Englischen) - einbrachte. Doch wenn die Stürmer, wie am Freitag Abend, indisponiert sind, ist gegen derartige Abwehrmängel, wie sie Rugenbergen offenbarte, kein Kraut gewachsen.
Es begann in einer recht müde gestarteten Partie damit, dass Daniel Drews dem erstmals in Cordis Zweiter zum Einsatz kommenden Mehmet Ibrahimoglu auf Flanke von Filippo Callerame einen unbedrängten Kopfball zum 1:0 gestattete (15.). Und als ob nicht spätestens jetzt besondere Sorgfalt beim Bewachen des direkten Gegenspielers geboten gewesen wäre, passte Drews drei Minuten später schon wieder nicht auf: Diesmal honorierte Ibrahimoglu die unverhoffte Freiheit mit einem Fallrückzieher aus zwölf Metern - das überaus sehenswerte 2:0.
Rugenbergen war schon fast geschlagen, bevor sich das Team auf Platz und Gegner eingestellt hatte. Die Offensivaktionen blieben Stückwerk, weil sich vorn weder Barth noch Dierks anspielbereit zeigten. Das in den ersten Wochen der Saison so kraftvolle Angriffsspiel erschöpfte sich in Fehlpässen und harmlosen Einzelleistungen. Doch dann brachte eine ungestüme Aktion von Concordias Verteidiger Christian Kalz den SVR heran. Sein ausgefahrenes Bein touchierte Hendrik Dierks im Strafraum - und Markus Helmchen verwandelte den Strafstoß zum Anschlusstreffer (37.).
Nun schien Rugenbergen dran, drohten die Concorden vorübergehend die Kontrolle zu verlieren - doch nur für kurze Zeit. Da bewahrheitete sich die alte Binsenweisheit, dass der Nutzen von Stürmern in den eigenen Defensivgefilden von recht zweifelhafter Natur ist: Rugenbergen schien die Situation bereits geklärt zu haben, als ein befreiender Schlag des erst zehn Minuten zuvor eingewechselten Carsten Ferk vom etatmäßigen Torjäger Hendrik Dierks abprallte. Nutznießer war Fred Acheampong, der sich frei vor Wiebe die Chance zum 3:1 nicht entgehen ließ.
Und dieser Pausenstand entsprach durchaus den gezeigten Leistungen. Rugenbergen hatte etliche Spieler in seinen Reihen, die ebenfalls (statt der tatsächlich ausgetauschten Drews und Ansaldo) den frühen Gang zur Auswechselbank hättern antreten können. Concordia aber überraschte äußerst angenehm, zeigte eine überaus kompakte, immer wieder von spieltechnischen Feinheiten und durchgehend von Dynamik (Janßen, Filippo Callerame) geprägte Vorstellung. Die Abwehr um Routinier Peter Wiehle stand sicher. Besonders deutlich wurde der Unterschied zwischen den Teams indes im Angriff: hier die stets beweglichen und schnellen Acheampong und Ibrahimoglu, dort die viel zu statischen Barth und Dierks.
Das Bild änderte sich nach der (statt mit Musik aus der verwaisten Sprecherkabine von der weithin hörbaren Predigt des SVR-Trainers Thomas Buchauer beschallten) Pause zwar insoweit, dass Rugenbergen gegen die auf Konter lauernden Platzherren ein natürliches optisches Übergewicht bekam. Gefährlicher blieb aber wie zumeist in diesen Fällen das führende Team. Erneut Ibrahimoglu (53.), mit dem Ferk etwas besser zurecht kam als zuvor Drews, und Claßen (55.) vergaben aus aussichtsreichen Positionen die frühzeitige Entscheidung.
Wirklichen Druck übte der SVR lediglich Mitte der zweiten Halbzeit aus, als der ansonsten blasse Spielmacher Daniel Brehmer etwas besser ins Spiel kam. Aus dieser Phase stammte auch die einzig nennenswerte Chance der Gäste, der Partie eine Wende zu geben: Brehmer passte in den Lauf von Andre´Möller, doch dessen Schuss aus Mittelstürmerposition wurde von Kay Menke im Cordi-Gehäuse sicher herunter gepflückt (70.).
Die ganz große Bönningstedter Schlussoffensive blieb nicht zuletzt deshalb aus, weil acht Minuten vor Schluss alles gelaufen war. Und dieses Tor unterstrich noch einmal, dass an diesem Abend alles so recht im Sinne von Cordi-Trainer Victor da Silva lief. "Gemacht" wurde es nämlich von zwei Einwechselspielern: Marco Callerame kam im Strafraum vor dem (einzig bei diesem Treffer schlecht aussehenden) SVR-Keeper Thorsten Wiebe an den Ball und Rene´ Böhling hatte keine Mühe, den Querpass einzuschieben.
Fazit: In dieser Form und mannschaftlichen Geschlossenheit (es fehlten ja auch noch zahlreiche Spieler) ist Cordi II ein ganz heißer Kandidat für die "Übernahme" in die neue fünfte Liga. Für Mitaufsteiger Rugenbergen beginnt der Alltag mit der Besinnung auf ebendieses Ziel Klassenerhalt. Das Team sollte schnellstmöglich zum Aufsehen erregenden Angriffsfußball mit ungebremstem Schaum zurück kehren - nur so lassen sich die nun einmal vorhandenen Defensivschwächen (noch dazu auf attraktive Art) überdecken.
Stimmen:
Victor da Silva (Trainer Concordia II): Es war wirklich die beste Saisonleistung meiner Mannschaft. Alle anderen Gegner hatte ich mir vorher angeschaut, Rugenbergen nicht, vielleicht war das genau richtig. Auf jeden Fall hatte ich sie nach vorn stärker eingeschätzt. Uns fehlen ja acht Verletzte und ein gesperrter Spieler. Aber die Mannschaft hat nach der für mich enttäuschenden Leistung von Buxtehude im Training und bei der gestrigen Besprechung sehr gut aufgepasst. Wir waren von hinten bis vorn gut, wobei natürlich das Debüt von Ibrahimoglu hervor stach. Gleich zwei herrliche Treffer im ersten Spiel für uns - da hat heute einfach alles zusammen gepasst.
Thomas Buchauer (Trainer Rugenbergen): Wenn mein Kollege von der besten Saisonleistung spricht, dann muss ich leider sagen: Wir haben das schlechteste Spiel gemacht. Ich hatte gehofft, dass wir mit den beiden letzten Partien gegen HR und Dassendorf unsere Abwehrschwächen in den Griff bekommen hätten, doch das Gegenteil war der Fall. Es war allerdings das erste Mal, dass wir wirklich beherrscht wurden. Ich hätte der Mannschaft wohl nicht sagen sollen, dass sie mit einem Sieg Tabellenführer gewesen wäre.Und an die Adresse der beiden Stürmer: Sie müssen erkennen, dass sie sich nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen dürfen.
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