Entgegen der vorausgesagten Wetterbesserung prasselte der Regen auf Elmshorn nieder. Und auch das Oberligaderby zwischen Gastgeber Rasensport und Aufsteiger TSV Wedel brachte weder hüben noch drüben Hoffnung auf eine Aufklarung der Großwetterlage. Denn das 1:1-Remis war für die Ansprüche beider Seiten zu wenig, die da heißen erster Sieg (Wedel) und Qualifikation für die eingleisige Oberliga (Raspo).
Die "goldene" Chance, den an sich verdienten "Dreier" doch noch einzufahren, bot sich dem Elmshorner Jürgen Tunjic noch in der Nachspielzeit. Urplötzlich mutterseelenallein vor dem Wedeler Tor stehend, schoss der defensive Mittelfeldspieler flach links vorbei. Hat der gelernte Stürmer seinen Torinstinkt verloren? Sein Trainer Eugen Igel nahm ihn in Schutz: "Jürgen hat in der für ihn ungewohnten Rolle insgesamt ein gutes Spiel gemacht."
Eher den Gegensatz zu Tunjic stellte Wedels Angreifer Martin Protzek dar: Man kann sicher nicht behaupten, dass dem zu Saisonbeginn von Raspo zum TSV gestoßenen Torjäger übermäßig viel gelungen wäre. Doch in der 68. Minute war der zuvor vom Raspo-Anhang verspottete Protzek urplötzlich hellwach. Bei einem schnell ausgeführten Bayram-Freistoß reagierte er sofort und schoss aus 14 Metern ansatzlos und halbhoch zum 1:1 ein. Grund genug für den in Elmshorn nicht unbedingt geräuschlos abgegangenen Protzek, in Richtung Raspo-Bank zu laufen und ein paar (mehr oder weniger) passende Worte in Richtung des Elmshorner Managers Hans-Jürgen Stammer zu senden.
Wenig verwunderlich, dass Eugen Igel nach diesem doppelten Punktverlust das traditionelle "Aftergame-Dinner", bestehend aus Weizenbier und Zigarre, nicht recht schmecken wollte. Denn Protzeks trockener Treffer war nahezu die einzige gefährliche Situation, die die viel zu harmlosen Gäste während der gesamten Partie heraufbeschworen - sieht man einmal von Zessins Distanzschuss ab, der haarscharf am Torwinkel vorbeistrich (24.). Es ist zwar zu erkennen, dass vor allem die jungen Türken Alavanda, Kaplan und Bayram viel mehr können - allein über die Ansätze kam keiner von ihnen hinaus.
Raspo dagegen brannte zwar ebenfalls kein Feuerwerk der Spielkunst ab, war jedoch spätestens nach dem Führungstor Mitte der ersten Halbzeit das viel gefährlichere Team. Doch wiederholt stimmte das Timing beim finalen Pass nicht, so zum Beispiel als Papa Ndiaye kurz vor dem 1:1 einen Überzahlkonter verpatzte. Ndiaye hatte zuvor bereits das scheinbar sichere 2:0 vergeben, als er bereits am vor der Pause sehr unsicherern TSV-Keeper Guido Kaftanski vorbei war, sein Schuss aber noch von der Torlinie gekratzt wurde (36.).
Überhaupt Ndiaye: Seiner Beliebtheit bei den Raspo-Anhängern scheinen sehr enge Grenzen gesetzt zu sein. Das Klischee vom ballverliebten Solokünstler haftet dem Senegalesen an. Dabei müsste doch eigentlich jeder halbwegs Fachkundige erkennen, dass es eine Augenweide ist, dem in puncto Ballbeherrschung, -führung und Schnelligkeit herausragenden Stürmer zuzusehen. Zugegeben: Gegen Wedel machte "Papp" eines seiner schwächeren Spiele.
Immerhin reichte es, um den zum 1:0 führenden Strafstoß herauszuholen. Ndiaye legte den Ball an seinem Gegenspieler Sebastian Neumann-Rystow vorbei, drang blitzschnell in den Strafraum ein und ging dann beim ungeschickten Tackling des über diese plötzliche Eruption wohl überraschten Verteidigers nur zu gern zu Boden. "Es war ein klarer Elfer", beteuerte Ndiaye nach der Partie. Im übrigen verneinte er, dass ihn die geringe Geduld von Seiten der Fans behindere: "Es geht hier doch immerhin nur um Fußball. Das ist für mich Spaß und nichts, was mich nervös macht." Neumann-Rystow war - was den Strafstoß anbetraf - vom Gegenteil felsenfest überzeugt.
Wesentlich freundschaftlicher als Martin Protzek ist übrigens Wedels Coach Michael Fischer mit seinem Ex-Club Raspo verbunden. Schon vor dem Spiel geisterte das Verhältnis von Igel und Fischer als "Ziehvater-und-Lieblingsspieler-Beziehung" durch die Gazetten. Und danach überreichte Stammer an Fischer im Rahmen der Pressekonferenz noch eine stattliche Zimmerpflanze als Präsent zu Fischers 36. Geburtstag. Der erste Oberligasieg wäre wohl das adäquatere Geschenk gewesen. Doch - "Fischi" - Hand aufs Herz: Das wäre selbst an diesem Glückstag des Guten ein bisschen zu viel gewesen.
Stimmen:
Eugen Igel (Trainer Rasensport): Ich hätte Michael heute lieber freudig nach einem Sieg zum Geburtstag gratuliert als grimmig nach einem Unentschieden. Dieser eine Punkt ist für uns natürlich viel zu wenig und niemand darf damit zufrieden sein. Wir haben es einfach versäumt, den Ball sauber in die Räume zu spielen, als wir nach der Führung und vor allem in der zweiten Halbzeit mehr Platz zum kontern hatten. Wir hatten aber dennoch die Chancen, das Spiel zu gewinnen, haben also auch wiederum nicht so schlecht gespielt.
Michael Fischer (Trainer TSV Wedel): Wir müssen mit dem einen Punkt zufrieden sein. Wir hatten uns hier viel mehr vorgenommen. Dann aber war die Leistung vor der Pause sehr schwach. In der zweiten Halbzeit war es besser. Die Leistungsunterschiede bei uns sind zu groß und nicht nachvollziehbar. Es lagen schon Welten zwischen dem Kiel-Debakel und dem Unentschieden bei Cordi. Und dann die erste Halbzeit heute. Zu Martin habe ich in der Woche gesagt, dass er hier sein erstes Tor für uns schießen wird. Vielleicht sollte ich so etwas jetzt auch zu anderen Spielern sagen.
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