Eigentlich hätte man nur noch gewinnen müssen. Zum Sturm an die Tabellenspitze schien alles angerichtet: Die Konkurrenten und Nachbarn vom SV Lurup ebneten durch ihre Niederlage in Kropp den Weg zum Platz an der Sonne, 580 Zuschauer waren trotz unwirtlicher Temperaturen in die ehrwürdige Adolf-Jäger-Kampfbahn gepilgert und auch der Gegner Eider Büdelsdorf schürte als Überraschungsvierter berechtigte Hoffnungen auf ein Spitzenspiel. Fehlte eben nur noch ein AFC-Sieg.
Allerdings hatten sich auch die Gäste selbstredend so ihre Gedanken gemacht. Respekt vor dem großen Namen: ja. Wer jedoch vor Angst und allzu übermäßiger Ehrfurcht erstarrte Büdelsdorfer erwartet hatte, musste seine wohl (zumindest aus AFC-Sicht) der Hoffnung entsprungenen Vermutung bereits nach wenigen absolvierten Minuten ins Reich der Träume verweisen. Denn der Aufsteiger hielt sich nicht lange mit Abtasten auf, sondern gab sich forsch und vom Fleck weg mit dem Selbstvertrauen eines Tabellenvierten den eigenen Angriffen hin. Thomas Kuhl (3.) und Jörg Ahrends (7.) dürften dabei selbst über die ihnen zugestandenen Freiheiten gestaunt haben. Aus Sicht der Hausherren ein ganz klarer Fall von verschlafener Anfangsphase. Die Zuteilung in der Defensive schien noch nicht gefunden, wohl erstaunt vom Büdelsdorfer Kaltstart überließen die jungen Prohn-Schützlinge dem Gast zunächst gänzlich die Vorherrschaft. Und dass es Eider ernst mit dem Vorhaben, einen frühen Treffer vorzulegen, meinte, wurde nicht erst in der 11. Minute deutlich, als Torjäger Jörg Ahrends per Kopf nach einem Eckstoß durch Özkan Altin Altonas Schlussmann Oliver Hinz zu einer Glanzparade zwang. Bereits die dritte Großchance nach kaum mehr als zehn Uhrumdrehungen und so etwas wie die Generalprobe für den nun folgenden ersten Akt der Büdelsdorfer Glückseligkeit. Die nachfolgende erneute Ecke nämlich wuchtete Ex-Profi und Abwehrchef Thomas Ritter zur Freude der mitgereisten Schlachtenbummler zum 0:1 über die Linie.
Fertig war der Fehlstart für die Gastgeber, die sich dennoch langsam aber sicher vom frühen Schock erholten und sich ihrerseits anschickten, Akzente zu setzen und das zunächst schwache Offensivspiel nun agiler und insbesondere wirkungsvoller gestalteten. Das gelang mitunter recht gut, Altona kontrollierte fortan das Geschehen größtenteils, zumindest bis zum Strafraum des Aufsteigers. Jenen wiederum hatten die Mannen von Trainer Olaf Lehmann zur Tabu-Zone erklärt und suchten ihn demnach konsequent sauber zu halten. Altona machte sich zudem selbst das Leben schwer, agierte über weite Strecken unkonzentriert beim finalen Pass, vertändelte zu oft unbedrängt und arglos das Leder und lief somit Gefahr, durch einen der schnellen Büdelsdorfer Konterangriffe den zweiten Rückschlag schlucken zu müssen. Beste Gelegenheiten der 93er in Durchgang eins: Tobias Webers Versuch aus Nahdistanz (20.) und ein Kopfstoß von Andreas Urbszat (30.), der über den Kasten strich. Auf der Gegenseite verpasste Öczan Atasoy die Gelegenheit, einen sehenswerten Gegenstoß freistehend mit dem Torerfolg zu vollenden (37.).
Nach dem Seitenwechsel ein unverändertes Bild: Altona drückte verstärkt, FT Eider hingegen setzte auf kompakte Abwehrarbeit und schnelle Vorstöße, bei denen sich immer wieder der quirlige Atasoy in Szene setzte. Dass sich die AFCler erneut eine Tiefschlafphase nach Wiederanpfiff genehmigten, sollte letztendlich maßgeblich zur Entscheidung der Spitzenpartie beitragen. Kapitän Jasmin Bajramovic verlor anstatt energisch die Situation zu bereinigen den Ball an Eiders Lutz Lehmann, dieser bediente Atasoy – 0:2. Eine wiederholte kalte Dusche für den an der Linie zu verzweifeln scheinenden Andreas Prohn. Wie erwähnt, die Platzherren erhöhten neuerlich die Drehzahl, legten den Schalter alsbald auf totale Offensive um. Das sollte nicht ohne Folgen bleiben, die Büdelsdorfer wehrten sich nach Kräften und mit einem glänzend aufgelegten Stefan Legrum zwischen den Pfosten, konnten die eine oder andere brenzlige Szene naturgemäß aber nicht verhindern. Uwe Sokolowski als wilder „Stocherer“ (73.) und Bajramovic Zentimeter vor der Torlinie platziert (88.) mussten vor Legrums tollen Reflexen und beinahe schon „selbstmörderischem“ Einsatz kapitulieren. Kampf war Trumpf – das galt für beiden Seiten. Dass Altonaer Fans überhaupt noch einmal in den Genuss einer hochspannenden Schlussphase kamen, dafür hatte Keeper Oliver Hinz in der 86. Minute gesorgt, als er einen selbst verschuldeten Strafstoß von Martin Lütje nicht bloß parieren, sondern sogar festhalten konnte.
Die sich schon auf dem Nachhauseweg befindlichen AFC-Fans blieben plötzlich stehen, sahen nach Hinz’ Rettung trotz kaum verbleibenden zeitlichen Spielraums einen klitzekleinen Hoffnungsschimmer am Himmel über Bahrenfeld. Erst recht, als Uwe Sokolowski das kaum mehr für möglich gehaltene Anschlusstor (89.) vollbracht hatte und Schiedsrichter Becker noch keine Anstalten machte, dem Treiben durch den Schlusspfiff ein Ende zu bereiten. Und doch: getreu dem Motto „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, ließen die inzwischen um einen Akteur dezimierten Jungs von der Eider entschlossen und abgeklärt nichts mehr anbrennen und brachten das zu einem erfolgreichen Ende, was in der Anfangsviertelstunde so verheißungsvoll begonnen hatte.
Stimmen:
Andreas Prohn (Trainer FC Altona 93): Wir hatten uns vorgenommen, drei Punkte einzufahren. Aber wir wussten auch, wie stark Eider ist. Wir haben zu viele Fehler gemacht, haben zu pomadig gespielt, alles hat zu lange gedauert. Wir haben halt eine junge Mannschaft, da fehlt es manchmal an der Cleverness. Dafür wurden wir bestraft. Das Anschlusstor kam zu spät, wir hatten vorher schon zwei oder drei Situationen, in denen der Ball schon fast drin war. Insgesamt geht das Ergebnis in Ordnung.
Olaf Lehmann (Trainer FT Eider Büdelsdorf): Wir wussten, dass Altona 93 eine der großen Hamburger Traditionsvereine ist. Ich habe meiner Mannschaft aber gesagt, dass man hier keine Angst haben darf. Jeder kann jeden schlagen. Unter der Woche habe ich mir noch gedacht, wenn wir hier einen Punkt holen, ist alles gut. Aber warum soll man hier keinen Dreier holen? Auch wenn es zum Schluss noch einmal hektisch wurde: Wir sind überglücklich und sehr zufrieden.
Zum Auswärtsspiel in Kiel haben die AFC-Fans mal wieder einen Bus organisiert. Wer zum Preis von 10€ mitfahren möchte sollte sich möglichst bald bei Peter Helmcke melden. Informationen zur Fahrt gibt es demnächst auf altona93fans.de
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