Wenn der Spitzenreiter den Letzten des Tableaus zu Gast hat, dann ist die Erwartungshaltung des Publikums zumeist eindeutig in Richtung einer souveränen Leistung der eigenen Elf mit zahlreichen Treffern gelenkt. Insofern müssten die Meiendorfer Zuschauer am Ende der 92 Spielminuten eigentlich im höchsten Maße enttäuscht den Heimweg angetreten haben. Dass sie es dennoch nicht taten, lag einerseits an dem imponierenden kampf- und spielstarken Auftritt des Aufsteigers, und schließlich auch daran, dass ihren Lieblingen wenigstens ein Törchen gelang, und ihnen somit auch am Sonntagnachmittag "la tȇte du concours" erhalten bleiben wird.
Noch keine fünf Minuten sind vergangen, da deutet Jan Erdmann bereits an, dass er und seine Mistreiter keineswegs zur Punktablieferung an die B 75 gefahren waren. Mit einem Knaller von der Strafraumgrenze sorgt er für ein Raunen auf den Rängen. Aber auch danach verstecken sich die "Palapieser" keineswegs, doch erweist sich die Meiendorfer Defensivabteilung als recht stabil, ganz im Gegenteil zu ihren vorderen Sektionen, wo der Ball nur selten die beabsichtigte Anspielstation findet. Insbesondere Cem Cetinkaya scheint immer wieder Gefallen an Balltändeleien zu haben. So dauert es nahezu eine halbe Stunde, bis sich dem Favoriten die erste Erfolgsmöglichkeit bietet. Nils Roschlaub flankt von rechts auf Martin Weiss, dessen Kopfball aber Keeper Stefan Steen noch gerade an die Querlatte umlenken kann. Kurz vor dem Pausenpfiff findet auf der anderen Seite ein Freistoß von Jan Fritz in Tobias Sävke einen aufmerksamen Schlussmann.
Nach dem Seitenwechsel scheinen die Platzherren einige aufrüttelnde Kabinenworte ihres Trainers vernommen zu haben, jedenfalls zieht Roschlaub gewaltig von der 16er-Begrenzung ab, Steen kann nur abklatschen, doch Carlos Flores zielt aus kürzester Distanz neben den Pfosten. Unmittelbar danach erneut eine starke, aber vergebene, Torschusschance der Göttlinger. Doch jetzt sind es die durchweg kräftig gebauten und hoch gewachsenen Promovierten, die den heimischen Anhang Unbehagen einflößen. Einen Kopfball von Niklas Kowski kann gerade noch ein Meiendorfer Bein von der Torlinie kratzen, und ein Dennis Schmidt -Header trifft nur das Außennetz (-pfosten?). Als dann auch Stefan Wehrheim nach einem Freistoß an Sävke scheitert, passiert das fast Unvermeidliche. Flores setzt sich auf der rechten Außenlinie durch, legt scharf nach innen auf Roschlaub, und dem gelingt das "Tor des Tages". Fast noch das 2:0, nur "Roschi" versteht es nicht, entgegen seiner üblichen Gewohnheit, das von Andreas Goldgraebe mustergültig getimte Leder im Egenbütteler Kasten zu versenken. Das versucht schließlich kurz vor dem Abpfiff Mario Schacht, allein Tormann Sävke weiß dessen Vorhaben mit großartiger Reaktion zu verhindern.
Mit den beiden folgenden Spielen gegen die Ost-Hanseaten in Curslack und versus 85 stehen nun den Meiendorfern die (Herbst-)Meisterproben bevor, die jedoch ein anderes Auftreten als das heutige erfordern. Wer hingegen, wie der Berichtschreiber, am vergangenen Mittwoch den kommenden Widersacher der Palapies-Elf, den FC Voran Ohe, am Borgweg beobachten konnte, dem fällt es nicht schwer, für den 16. Spieltag einen Wachwechsel am Tabellenende zu prophezeien.
Stimmen:
Ralf Palapies (Trainer SCE): Ich muss meiner Mannschaft ein Riesenkompliment machen. Sie hat einem guten Gegner lange Paroli geboten und auch nach dem Gegentreffer keineswegs die Köpfe herunter genommen. Wir hatten auch unsere drei, vier Chancen, die wir aber nicht genutzt haben. Eine Unachtsamkeit hat uns dann die Niederlage eingebracht. Nachdem wir bislang gegen St. Pauli und Bergedorf punkten konnten, haben wir nun heute erstmals gegen einen Favoriten verloren, nun werden wir also dafür am nächsten Freitag gegen Ohe gewinnen.
Lutz Göttling (Trainer MSV): Das Spiel hat wieder gezeigt, dass es in dieser Klasse keine einzige Mannschaft gibt, die nur mal eben im Vorbeigehen geschlagen werden kann. Das hat meine Mannschaft heute nicht so richtig in ihre Köpfe rein bekommen. Das, was sie hier an diesem Nachmittag abgeliefert hat, war gnadenlose Hausmannskost. So wenige Torchancen, wie in diesem Spiel, hatten wir in dieser Saison noch kein einziges Mal. Wir sind zwar Spitzenreiter, doch eine solche Position muss man sich immer wieder erarbeiten. Das hat meine Elf heute nicht versucht.
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