10.11.2008 Rückblick: Was Herr G. aus M. dem Herrn O. aus H. voraus hat von
Eine regelrechte Inflation ist in den letzten Jahren ausgebrochen. Nein, hiermit ist nicht die wirtschaftliche Situation oder die Entwicklung der Preise generell gemeint. Es geht um die Preisverleihungen, die neudeutsche Bezeichnung lautet Awards, die wie Hoffenheim-Sympathisanten aus dem Boden schießen. Manche sind eher unwichtig, manche von globaler Bedeutung und großem Renommee (zum Beispiel die verschiedenen Nobel-Preise). Das „TIME“-Magazine kürt jedes Jahr eine oder mehrere Personen zur „Person of the Year“, früher „Man of the Year“. 2007 gewann Wladimir Putin und auch zwei Deutschen wurde diese Ehre schon zuteil. Konrad Adenauer (1953) und Willy Brandt (1970) durften diese Auszeichnung annehmen. Dass wir alle, die dieses Medium Internet nutzen, auch schon mal den Award erhielten, ist den wenigsten bekannt. 2006 wurde „You“ als Synonym für alle Internetbenutzer ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch nochmals an uns. Wer es in diesem Jahr werden könnte? Sehr lange wird die Findungskommission wohl nicht tagen müssen, um auf einen 47jährigen promovierten Juristen aus dem US-Bundesstaat Illinois zu kommen. Herr O., geboren in Honolulu, wird es schon ahnen.
Dieser Award ist jedoch nichts gegen die Auszeichnung, die Lutz Göttling in diesen Tagen einheimsen konnte. Er wurde von der Meiendorfer Stadionzeitung „MSV aktuell“ ebenfalls als „Man of the Year“ tituliert. Dieser Award fehlt Herrn O. aus H. noch und er wird den wohl auch nicht so schnell erhalten, obwohl er angeblich Fußballfan sein soll. West Ham United soll es ihm angetan haben. Dass das Titelfoto der Stadionzeitschrift einen eher nachdenklichen, fast griesgrämig reinschauenden Göttling zeigt, sei verziehen. Die Mimik passte ja auch zu dem Spiel seiner Schützlinge gegen das neue Schlusslicht aus Egenbüttel. Unfassbar lange 74 Minuten musste der Mann des Jahres, dessen Vertrag um zwei Jahre verlängert wurde, auf den ersehnten Führungstreffer warten. Nils Roschlaub setzte sich energisch gegen Niklas Kowski durch, zack 1:0, Mund abwischen, die drei Punkte bleiben beim MSV, genauso wie die Tabellenführung. Für die Konkurrenz ist dies kein so gutes Zeichen. Meiendorf gewinnt auch die guten alten Sauspiele, die eine Spitzenmannschaft gewinnen muss, um oben ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Schon letzte Woche bewältigte Meiendorf die Aufgabe in der Sandwüste von Paloma mehr oder minder souverän. Obwohl sie suboptimal auftraten, holten die MSVer drei Punkte. Das Kunststück, egal wie, drei Zähler gegen Egenbüttel zu holen, gelang der Konkurrenz aus Bergedorf und St. Pauli in dieser Saison noch nicht.
Die Meiendorfer sind also zumindest keine Eintagsfliege, sie verweilen nun schon in der dritten Woche auf dem Platz an der Sonne. Doch irgendwie wird man noch nicht das Gefühl los, dass sich das Rennen um den Titel zwischen Bergedorf und St. Pauli II entscheiden wird. Doch dazu müssen die Kiezianer etwas an ihrer Konstanz feilen. Absolute Traumspiele wie in Norderstedt oder gegen Concordia werden gerne mal durch absolute Einstellungsschwierigkeiten wie gegen Egenbüttel unterbrochen. An der Einstellung lag es in Buchholz nicht, dass der FC mit 0:1 unterlag. Sie wirkten im Kopf nicht frisch genug, um das Abwehrbollwerk der Buchholzer empfindlich stören zu können. Zwar wurden die Latte und der Pfosten einer Kollisionsuntersuchung mit dem Ball unterzogen, mehr war aber nicht. Die TSVer strahlten um die Wette, hatten sie doch schon wieder einen Großen in die Knie gezwungen. Vor allem Mittelfeldrecke Sören Titze hatte so ein breites Grinsen im Gesicht, als müsste er mit Florian Silbereisen konkurrieren. Er lobte die Mannschaft und sprach auch von einem Wunder, wie die Saison bisher verlaufen sei. Nur der Gedanke an den heutigen Montag, wenn er um acht Uhr wieder an der Universität auflaufen muss, verschlug ihm kurz die Sprache. Für einen Studenten sind das unchristliche Zeiten, zumal Titze nachmittags als Trainer der HSV-Fußballschule wieder auf das Feld muss. Wenn er den Lütten jedoch erzählen kann, dass er den Stadtrivalen gestern besiegt hat, wenn auch nur die Zweite, werden die Augen der Kinder bestimmt noch größer werden und jeglicher Körperschmerz dürfte verfliegen.
Bergedorf darf sich nach diesem Spieltag alleiniger Zweiter schimpfen, nahm man doch die Auswärtshürde Lurup. Die Elstern haben den Schock des späten Ausgleichs aus dem letzten Heimspiel gegen Egenbüttel anscheinend gut verdaut. Immerhin konnte letzte Woche in Curslack dreifach gepunktet werden und die Aufgabe, in Lurup zu siegen, haben auch noch nicht allzu viele Mannschaften erfolgreich bewältigen können. Victoria hat sich auf dem vierten Rang eingefunden und konnte zumindest mit St. Pauli punktemäßig gleichziehen. Dem 5:1 bei Barmbek ist sportlich nichts hinzuzufügen. Zu ungleich waren die Waffen verteilt, zu schnell macht der Meister klar, dass nicht mit ihm zu spaßen sei. Dass das Spiel von zwei dummen Bemerkungen zwischen Altmeister Bert Ehm und BU-Angreifer Faik Algan etwas überschattet wurde, darf nicht unbemerkt bleiben. Die Entschuldigung Ehms war schnell und richtig. So sehr man sich Emotionen auf und neben dem Platz wünscht, der Respekt muss an oberster Stelle stehen und darf nicht mit Füßen oder Worten getreten werden - das gilt für beide Parteien.
Hinter den fünf Oberen des Tableaus formiert sich ein breites Mittelfeld, welches in südlicher Richtung fließend in die Abstiegszone übergeht. Concordia hat sich nach dem Trainerwechsel stabilisiert, verbringt zwar keine Wundertaten, verliert aber auch immerhin nicht gegen starke Curslacker. Beim 1:1 war es wieder das Deichkind Christian Spill, der für SVCN traf, schon sein fünfzehntes Saisontor. Ebenfalls trennten sich Condor und Norderstedt unentschieden. Das Zirkusspiel vom Berner Heerweg besaß jedoch einen anderen Unterhaltungsfaktor. Während sich Condor an Effizienz kaum überbieten konnte, brauchte Norderstedt für seine vier Tore mindestens doppelt soviele Versuche. Schiedsrichter Christian Henkel hatte einen gebrauchten Tag erwischt, stellte sich danach aber den Fragen und den Beschuldigungen der beiden Trainer, was höchsten Respekt verdient. Norderstedts Coach Marco Krausz machte auf der Pressekonferenz aus seinem Herzen keine Mördergrube. Die letzten Tage nach dem Buchholz-Spiel, als es Vorwürfe von der Gegenseite gegeben hatte, dass Norderstedt sich unflätig benommen hatte, hatten dem Trainer auf den Magen geschlagen. Buchholz-Trainer Thomas Titze war nach dem 1:0 gegen St. Pauli immer noch nicht gut auf die Norderstedter zu sprechen. Ein klärendes Gespräch unter zwei gestandenen Männern sollte die Wogen glätten.
Im Keller kam es zu Tränen. Eine Frau weinte am Freitag in Reinbek. Es hatte ihr weder jemand wehgetan, noch hatte der Papst (oder Florian Silbereisen, da ist er wieder) sie berührt oder geküsst. Es war ein noch viel tolleres und wahrscheinlich in den letzten Wochen und Monaten selteneres Ereignis. Der FC Voran Ohe hat mal wieder ein Spiel gewonnen. Einfach so! Ein Tor mehr als der Gegner geschossen, ohne irgendeinen Haken. Es war auch kein Freundschaftsspiel, es war ein Punktspiel der Oberliga Hamburg. Da darf man gerne schon mal eine Träne verdrücken, denn das letzte Mal war am ersten Spieltag und das 2:0 gegen Concordia wurde am 9. August diesen Jahres ausgetragen. Da hielt man die Lehman Brothers höchstens für eine Artistengruppe, da war die CSU noch wer in Bayern, da schien die Sonne, da hatten wir natürliche Farbe im Gesicht, da war Kevin Kuranyi Nationalspieler, da gab es keine Qualitätsdiskussion im Fernsehen, da begann die Fußball-Bundesliga usw. Sie sehen, es ist lange her und der USC Paloma hatte ein Einsehen und stellte sich als Opferlamm zur Verfügung. Dass diese Opferlamm-Rolle höchst ungelegen kam, verdeutlicht der Blick auf die Statistik namens Tabelle. Ein Tor steht der USC vor den Abstiegsrängen. Ein Wortspiel mit den Weltnachrichten sei noch erlaubt. Der Hurrikan „Paloma“ richtete in Kuba keine größeren Schäden an und verlor in Richtung Bahamas an Kraft. Palomas Vorstellung in Reinbek hatte höchstens etwas mit einem lauen Lüftchen zu tun.
Der VfL 93 ist derjenige Verein, der ein Törchen hinter Paloma sein Dasein fristet. Unter der Woche wurde Voran Ohe mit 3:0 besiegt, in Billstedt gab es eine 1:2-Pleite. Die Billstedter setzen sich immer mehr im gesicherten Mittelfeld fest und haben die 20-Punktemarke mit dem fünfzehnten Spiel genommen. Darauf müssen Halstenbek und Niendorf noch länger warten. Das 1:1, auf welches sich beide einigten, half keinen von beiden entscheidend weiter. Die einen (Halstenbek) konnten sich von den bösen Abstiegsrängen nicht weiter entfernen, die anderen (Niendorf) bleiben mit ihren zwölf Pünktelein auf dem sechszehnten Platz hocken. Trainer Carrel Segner wird es in Gorleben vernommen haben, obwohl er dort ganz andere Probleme momentan bewältigen muss.
Vorankündigung: Mittwoch, 12.11.2008, Borgweg, 22303 Hamburg, 19:30 Uhr
VfL 93 versus SC Condor
|