01.12.2008 Rückblick: Und Tabellen lügen doch! von
Jetzt gerät sie doch irgendwie in Schieflage. Sie erfüllt einfach nicht mehr so richtig ihre Aufgabe. Das Bild ist ein wenig verzerrt. Man muss schon zwei Mal hinschauen, um den Überblick herstellen zu können. Da stimmt doch etwas nicht. Die Rede ist von der Tabelle. Ansonsten kann ja jedem Recht gegeben werden, der sich mit seinen Behauptungen auf diese Art der Statistik beruft. „Die Tabelle lügt nicht“, heißt es im Volksmund. Tut sie auch meistens nicht und schon gar nicht nach dem letzten Spieltag. Dann steht jeder da, wo er hingehört. Doch wenn der Winter im November anklopft, bekommt auch die Tabelle Schnupfen und Husten. Generalabsagen wie in der Vorwoche kann sie noch ganz gut verkraften, da kriegen eher die kleinen Haustiere der Tabellenmutter, nämlich die Heim- und Auswärtstabelle etwas ab, was nicht weiter ins Gewicht fällt. Nun sind jedoch in den letzten Wochen mal hier und mal da Spiele ausgefallen oder verlegt wurden. Da haben denn manche Mannschaften zwei Spiele mehr als der Nachbar in der Tabelle. Das Warten auf die Nachholspiele kann sich ganz schön lange hinziehen. Der Winter schließt meistens eine Rückkehr im Februar oder März definitiv nicht aus und kommt gerne wieder, um vereinzelte Plätze zur Absage zu zwingen. Diese schon betonte Schieflage kann sich also hinziehen, bis ans Ende der Saison. Zur Erinnerung: Der GSK Bergedorf schob letzte Saison drei Nachholpartien bis in den Mai vor sich her und „drohte“ den Kontrahenten, sie mit drei Siegen überholen zu können. Das kann dem Nachfolgerverein dieses Mal wohl nicht mehr passieren. In der Hansa-Staffel liegt Inter Wilhelmsburg Bergedorf mit nur vier Punkten und 9:74-Toren abgeschlagen am Tabellenende.
Nun aber zurück zur Oberliga und deren schiefen Tabelle. Am ersten Rückrundenspieltag gab es nur eine Absage und die vollzog sich beim Derby zwischen Voran Ohe und Bergedorf 85. Nutznießer des Ganzen waren die Meiendorfer, die mit den Marienthalern mehr oder weniger kurzen Prozess machten. Concordia durfte am Ende froh gewesen sein, nur mit einem 0:3 die Heimreise angehen zu dürfen. Der neue Tabellenführer hat seine kleine künstlerische Pause beendet. Nils Roschlaub erzielte nun im fünften Match in Folge jeweils ein Tor. Cordi hingegen sammelte aus den letzten drei Partien nur einen Punkt ein. Als kleine Entschuldigung darf jedoch angeführt werden, dass die letzten beiden Auswärtsgegner auf die Namen Bergedorf und Meiendorf hörten. Nach einem Blick auf die Tabelle, die dieses Mal die Wahrheit spricht, kann registriert werden, dass es leichtere Aufgaben in dieser Staffel zu bewältigen gibt. Der MSV liegt nun drei Zähler vor Bergedorf, die aber zwei Spiele weniger auf dem Konto haben. Dementsprechend ist der erste Platz nur an die Göttling-Truppe ausgeliehen. Die „Elstern“ werden ihren Schatz zurückfordern, zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit.
Dass auch manchmal Ergebnisse ein wenig flunkern, dürfte das 4:0 des SC Victoria beim VfL 93 am Freitag belegen. Die Borgwegler hielten lange gut mit und noch wichtiger, sie hielten lange ein 0:0. Nach etwas über einer Stunde brachen dann aber alle Dämme. Stephan Rahn legte einen Hattrick hin, der den Titel „Lupenrein“ verdiente. Der Meister rückte auf den dritten Rang vor, doch sollte Bergedorf beide Nachholpartien gewinnen, läge Vicky schon sieben Punkte hinter den 85ern. Das Bild täuscht also ein bisschen. Punktgleich mit den „Ehmlingen“ macht weiterhin Buchholz 08 von sich reden. Im Duell auf Augenhöhe, also dem Spiel der Überraschungsmannschaften schickten Titze und Co. die Curslacker ohne Zählbares wieder nach Hause. Die waren mit dem Bus angereist, obwohl diese Anfahrtstechnik schon letzte Saison mehr Niederlagen als sonstwas einbrachte. Die „Deichkinder“ wurden unter Wert mit 3:0 geschlagen, waren es doch Curslacker gewesen, die gerade im zweiten Durchgang den Gegner wie ein Weihnachtsgeschenk einschnürten. Nur die Schleife kam nicht mehr zustande, denn Stephan Siemes und Arne Gillich schraubten die frühe Führung von Siemes in die Höhe. Völlig untypisch gewann Buchholz ohne Standardsituation, die trotz des Zauberfußes von Gillich allesamt eher mickrig ausfielen. Nein, alle Tore waren fein herausgespielt, so ganz ohne Freistoß oder Ecke oder Elfmeter. Sachen gibt’s!
Es darf der Tabelle zugutegehalten werden, dass sie die Zweite des FC St. Pauli noch unten rutschen lässt. Das ist folgerichtig und konsequent. Aus den letzten fünf Spielen gab es nur einen Sieg und der fiel gegen das Schlusslicht aus Reinbek daheim mit 1:0 nicht allzu enthusiastisch hoch aus. Ansonsten gab es in Meiendorf ein 3:3 (eigentlich okay, aber nach 2:0- und 3:2-Führung?), in Buchholz ein 0:1 (passiert jedem), gegen Condor zu Hause ein 1:1 (derzeit ein kaum zu vertretenes Ergebnis, wenn man die momentane Leistungsstärke der „Raubvögel“ betrachtet) und nun gab es bei Halstenbek-Rellingen ein schläfriges 0:1. Trainer Joachim Philipkowski nahm das K-Wort in den Mund, die Krise ist bei St. Pauli II angekommen. Gegen Billstedt und dann in Bergedorf sind eigentlich schon zwei Siege Pflicht, um den Anschluss zur Winterpause nicht vollends zu verlieren. Halstenbek hingegen buchte die Sonderpunkte zwei, drei und vier hinzu. Bei Victoria gab es ein Unentschieden und nun gegen den hohen Favoriten St. Pauli sogar einen Dreier. Das schafft nicht jeder aus der unteren Tabellenhälfte. Für Benjamin Eta war es ein traumhaftes Wochenende. Erst wurde er Dritter bei der Wahl des Sexiest Man von Radio Hamburg und dann wurde St. Pauli abgewatscht. Es gibt schlimmere Tage.
Wohin die Abstiegszone reicht, ist tabellengeographisch nicht eindeutig zu belegen. Wenn man es nicht ganz so krumm nimmt, also Fünfe gerade sein lässt, dann darf sich auch die Norderstedter Eintracht dazuzählen. Zwar ist die Krausz-Mannschaft immerhin Siebter, doch nur sieben Zähler vom Abstiegsrang fünfzehn entfernt. Und das hat seinen Grund. In neun Spielen gab es nur einen Sieg (ein etwas glückliches 3:2 gegen Buchholz), das entspricht nicht den Ansprüchen, die es ohne Zweifel in Norderstedt gibt, Verletzungssorgen hin oder her. Okay, wenn alles normal läuft, werden sich die Norderstedter wieder befreien und eventuell den Anschluss an die Plätze vier bis sechs herstellen können. Wenn alles normal läuft! Denn bisher ist nicht alles normal verlaufen für die Norderstedter. Zumal hinter Norderstedt noch einige Vereine warten, die diese Nachholspiele in der Hinterhand haben. Die müssen zwar nicht unbedingt, die können aber an Norderstedt vorbeiziehen und schon sieht es tabellarisch alles etwas dusterer aus. In Billstedt gab es übrigens ein normales 1:1. Barmbek revanchierte sich für die schlimme 0:3-Derbyklatsche aus dem August beim USC Paloma. Zwar ging es gegen die Tauben genauso los wie es damals aufgehört hatte, doch nach dem frühen Rückstand drehten die Barmbeker den Spieß herum und siegten mit 3:1. Matchwinner war Danijel Peric, Neuzugang aus Rugenbergen, der nicht gerade als Goalgetter verschrien ist, aber gegen den USC doppelt traf. Unsterblichkeit beim Barmbeker Anhang dürfte in Aussicht gestellt sein. Die Palomaten holten von den letzten fünfzehn möglichen Zählern gerade mal einen ganzen Punkt. Zum Leben zu wenig und zum Absteigen genau richtig.
Denn zwei Ergebnisse schockten die Unterwelt der Tabelle, die das ganze Gefüge im Keller wieder enger zusammenrücken lässt. Anstatt das sich die Condoraner vielen, vielen Sorgen entledigen, das Schlusslicht aus Egenbüttel vor der heimischen Kulisse von immerhin 60, in Worten sechzig, Zuschauern einfach besiegen und somit in den (fast) sicheren Hafen des Mittelfeldes steuern, verlieren sie sang- und klanglos mit 1:3. Trainer Matthias Bub sprach von dem Tiefpunkt. Das will schon etwas heißen in dieser wechselhaften Saison. Condor holte einen Punkt bei St. Pauli, um dann gegen den SC unterzugehen. Rational nicht zu erklären. Ob die liebe und gar nicht so hässliche Katy Perry („I kissed a Girl“) an die Raubvögel dachte, als sie die Textzeile für ihr neues Gesangsstück „Hot N Cold“ schreiben ließ: „You change your mind, Like a girl changes clothes“? Man weiß es nicht.
Das andere schockierende Resultat kommt von Niendorfer Sachsenweg. Der NTSV gewinnt mal wieder ein Heimspiel. Dass man diese Wörter in dieser Reihenfolge schreiben darf, hing mit dem 3:1 gegen den SV Lurup zusammen. Niendorfs Youngster Yao Kaduwo und die Gebrüder Aidara machten das Unglaubliche perfekt. Drei Punkte am Stück gab es das letzte Mal am 1. Juni dieses Jahres. Aber das war ja zum Zeitpunkt des neuerlichen Erfolges noch nicht mal ein halbes Jahr her. Geht also noch. Die Sorgen auf der Luruper Seite werden dadurch nicht kleiner. Es ist eine turbulente Saison. Zuerst der Krach um den damaligen Kapitän Oliver Leinroth, dann die lange Durststrecke auf dem Platz und nun das Aus des Duos Oliver Dittberner und Andree Fincke, welches am Saisonende vollzogen werden soll. Es gibt nicht wenige, die eher von der Winterpause ausgehen. Die Entscheidung der Luruper soll einstimmig gewesen sein. Dittberner ahnte wohl schon vor zwei, drei Wochen, was die Zukunft bringen würde. In kleiner Runde meinte er, dass es bestimmt ein paar Personen im Verein geben würde, die Dittberner und Fincke nicht mehr haben wollen würden. Waren wohl dann ein paar zu viel.
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