16.12.2008 Was im Kongo los ist, weiß auch keiner von Mirko Schneider
präsentiert:
SC Victoria Hamburg – Niendorfer TSV 2:0 (0:0)
SC Victoria Hamburg: Wolf – Eybächer, Asante, Bajramovic, Möbius (29. Pomorin)– Stilz, Trimborn – Melich (56. Erman), Akgül – Rahn – Hamurcu (81. Westbrock) Niendorfer TSV: Kaeding – Dobirr, Kocadal, Hellmann – Natusch, K. Aidara, Gehrke, Schwenke – Avarello (71. Weißner), M. Aidara (65. Yamrali) – Kudawoo (71. Yildirim) Tore: 1:0 Hamurcu (59., Vorarbeit Pomorin), 2:0 Rahn (77., direkter Freistoß) Schiedsrichter: Mayer Lindenberg – kleinlich und schnell bei der Hand mit Gelb für Meckern. Ließ dafür einige Foulspiele ohne „Karton“ durchgehen. Muss viel gelassener werden. Beste Spieler: Bajramovic, Rahn – M.Aidara Zuschauer: 165
Kennen Sie das? Sie müssen irgendwo auf etwas nicht Alltägliches warten (den Bus, die Bahn, vernünftige Menschen…) und in ihrer Nähe befindet sich ein extrovertierter Erzähler, der Sie zum Resonanzkörper auserwählt hat. Ein Monolog voller skurriler Ansichten und plötzlicher Wendungen, gewürzt mit einem Schuss Verschwörungstheorie, ergießt sich über Sie und alles, was Sie zu tun haben, ist freundlich nicken und ab und zu „Ja, stimmt schon“ murmeln. Sie müssen lernen, „Nein“ zu sagen und sich abzugrenzen, lassen Sie sich das gesagt sein! Das ist die offizielle Version. Inoffiziell kann das Beobachten solcher Mitbürger aber auch sehr unterhaltsam sein, im Besonderen, wenn man gerade nichts anderes zu tun hat.
So war es heute auch in der ersten Halbzeit an der Hoheluft. Stadionsprecher Peter Kraft sorgte zwar vor dem Spiel für ein leichtes Schmunzeln bei den Zuschauern, als er den Niendorfer Trainer mit „Carrel Sager“ vorstellte und gleich anschließend sogar meinte, Bert Ehm schicke seine Jungs „heute in das letzte Punktspiel der Saison“ – aber auf dem Platz gab es leider keinen Anlass für Heiterkeit. Timo Gehrkes Schuss aus guter Position wurde ebenso geblockt (16., das folgende Gestocher brachte nichts ein) wie der Versuch von Roger Stilz auf der Gegenseite (17.). Dazu ein paar victorianische Schüsse weit am Kasten vorbei und schon war Ende im Gelände in Hälfte eins.
Aber halt, da war ja noch unser ununterbrochen schnackender Freund. Er hatte sein Opfer früh gefunden, einen älteren, leider sehr aufmerksamen schauenden Herrn, und so holte er zu einem lautstarken, beeindruckenden Rundumschlag aus. Die Amerikaner, Trickbetrüger Jürgen Harksen, die „Hertha-Frösche und alle, die Polizisten hassen“ – es gab kaum einen, der nicht sein Fett weg bekam. Atemlos verfolgte man den ultimativen Beweis, dass es einen freien Willen gibt, denn hier schließt sich jede Determination von selbst aus. Nach weiteren abenteuerlichen Volten quer durch Historie und Weltpolitik („Und überhaupt, Obama!“) kam es schließlich zur Feststellung des Abends: „Im Kongo weiß auch keiner, was los ist.“
Das mag stimmen oder auch nicht, es wäre interessant gewesen, das zu erörtern, doch der Herr verschwand zur Pause. Man blickte also wieder auf den Rasen und siehe da, das Spiel wurde besser. Allerdings nur von Seiten der Gastgeber. Niendorf hielt defensiv zwar ordentlich dagegen, war im Offensivspiel jedoch so harmlos wie ein Goldfisch beim 100-Meter-Sprint. Einzig ihr Bester, Mohamed Aidara, sorgte über die volle Spielzeit für ein paar gefährliche Ansätze, verletzte sich jedoch nach einer guten Stunde (eine Zerrung in der Wadenmuskulatur brach wieder auf).
So war die einzige Chance der Gäste ein 0:0, doch dem machte Ahmet Hamurcu einen Strich durch die Rechnung. Nach einer Ecke von Stephan Rahn legte Marc Pomorin ihm per Kopf den Ball auf und Hamurcu vollendete artistisch aus der Drehung aus kurzer Distanz (59.). Vicky spielte danach keineswegs gut, aber überlegen genug um sich ein paar weitere Möglichkeiten zu ergattern. Und eine knappe Viertelstunde vor Schluss machten sie den Sack zu. Rahn schlug aus dem linken Halbfeld einen Freistoß halbhoch auf die Torwartecke und überraschenderweise konnten gleich zwei Victorianer am langen Pfosten vollenden, aber wohl erst hinter der Linie, so dass Rahn den Treffer gut geschrieben bekam.
Stefan Westbrock setzte dann noch seinen Anti-Lauf fort, indem er zweimal (84., 89.) alles richtig machte, exklusive des Abschlusses. Aber das fiel nicht mehr ins Gewicht. Vicky brachte die Partie nach Hause. Man darf sich halt trotz noch so schwacher erster Hälfte nichts erzählen lassen.
Fazit: Vicky war in einem schwachen Spiel eben die zwei Tore besser. Niendorf kann auf einer soliden Defensivleistung aufbauen. Auf mehr aber auch nicht.
Stimmen:
Carrel Segner (Trainer Niendorfer TSV): Leider konnten wir unser Türchen zum Adventskalender heute nicht öffnen. Wir haben uns nichts vorzuwerfen, haben eine Stunde in einer chancenarmen Partie auf schwierigem Geläuf mehr als Paroli geboten. Es kam dann ein Bruch ins Spiel, als Mohammed Aidara raus musste. Den konnten wir einfach nicht adäquat ergänzen. So konnten wir uns dann nicht mehr wehren. Vicky kam zu guten Möglichkeiten und über die Standardsituationen ist das Spiel entschieden worden. Das kann man nie ganz ausschließen, wenn ein Gegner wie Vicky so gute Standardspezialisten wie zum Beispiel Stephan Rahn hat. Wir werden weiter arbeiten, uns steigern und die Klasse halten.
Bert Ehm (Trainer SC Victoria Hamburg): Wir sind natürlich sehr glücklich. Wir haben uns heute viel erwartet, aber ich muss sagen eine Stunde hat Niendorf im Stile einer Spitzenmannschaft dagegen gehalten. Wir haben aber darauf spekuliert, die Geduld zu bewahren und in der zweiten Halbzeit zuzuschlagen. Das ist uns dann ja auch gelungen. Niendorf war in der ersten Halbzeit mehr als am Limit, aber mit dem 2:0 durch Rahn war die Partie dann für uns entschieden. Ein Kompliment möchte ich heute meiner Innenverteidigung aussprechen. Sie war überragend und hat hinten alles weg gefischt. Wir überwintern jetzt auf Platz zwei und freuen uns darüber.
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