Chancen waren zur Genüge da, um endlich den ersten Punktspielsieg unter Thomas Seeliger einzufahren. Dessen Bilanz lautet nach der unglücklichen, ja schlichtweg ungerechten Niederlage gegen Wolfsburg II: Acht Spiele, sieben Niederlagen – ein kümmerlicher Punkt. Dass gerade gegen Wolfsburg weitere hinzukommen würden, war vor der Partie kaum zu erwarten, denn weder der Trend, noch der klägliche Auftritt beim Pokalkrampf in Buchholz, noch die Personalsituation vor dem Spiel sprachen für den AFC. Michael Starck fehlte verletzt, Heiko Ansorge, Patrick Westphal und Stefan Richter saßen allesamt Rotsperren ab. Mit Alexey Bugrov debütierte ein 17-Jähriger als Rechtsverteidiger in einer trotz Oliver Hinz (31), Jürgen Tunjic (34) und Stefan Siedschlag (31) im Durchschnitt 24,1 Jahre jungen Startelf. Umso verwunderlicher, welches Bild sich den 370 Zuschauern im Stadion Hoheluft bieten sollte. Der AFC agierte dominant und hatte den favorisierten Gast (fast) jederzeit im Griff; der noch ein weiteres Jahr in der A-Jugend spielberechtigte Bugrov fügte sich nahtlos in die gute Mannschaft ein.
Warum der AFC trotzdem verlor, ist schnell erklärt: "Wir spielen immer noch mal quer, und die machen ihn einfach rein", erklärte Torhüter Hinz den Unterschied zwischen beiden Mannschaften präzise. Ein Vorwurf, den sich besonders der beste Mann auf dem Platz gefallen lassen muss. Björn Nadler belebte das Offensivspiel auf Altonas starker linker Seite mit Ideen und Technik, konnte sich aber oft erst zu spät zum Abschluss oder Abspiel durchringen. Neben Nadler (34. und 45.) hatten Mandic (5.) und Tunjic (35.) gute Torgelegenheiten, zudem schien ein Handelfmeter für den AFC angezeigt, als Julian Klamt eine Hereingabe mit fragwürdigem Einsatz klärte (44.). Altonas ansehnlicher Offensivstil weckte "Fröhlingsgefühle" und die Erinnerung an bessere Zeiten, die ja noch gar nicht so lange her sind. Das Spiel jedenfalls hätte mit etwas mehr Zielstrebigkeit im Abschluss zur Pause entschieden sein können. Der erfahrene Gäste-Trainer Lorenz-Günther Köstner war perplex: "Ich wollte, aber ich konnte meinem Team in der Halbzeit nichts Positives sagen. Außer: Wir haben kein Tor kassiert. Wir wollten unserem Gegner natürlich nicht ins Messer laufen und selbst Konter fahren, aber wir haben das sehr, sehr schlecht gemacht. Wenigstens haben wir in der zweiten Halbzeit den Kampf angenommen."
Doch auch in dieser zweiten Halbzeit boten sich dem gebeutelten Gastgeber große Chancen zum Sieg, insbesondere als Benny Hoose zweimal seine Klasse aufblitzen ließ. Per Traumpass bediente er Nadler (53.) und brachte dann eine scharfe Flanke auf Bektas an den Fünfmeterraum (55.). Nach dieser Doppelchance zog der AFC minutenlang ein Powerplay auf – vergebens. Nach genau einer Stunde hatte Wolfsbug seine erste Torchance: Daniel Adlung auf den kurz zuvor eingewechselten Thomas Brechler – knapp vorbei. Genau diese Kombination, Adlung auf Brechler, führte 18 Minuten später zu Wolfsburgs 1:0. Köstners Joker stach schmerzhaft zu, während Tunjic und Nadler auch in der Schlussphase ihre Chancen nicht zu nutzen wussten. "Wir haben das Glück gehabt, das Altona gefehlt hat", wusste Köstner, während sich sein Pendant Seeliger neben faden Durchhalteparolen ("Solange es rechnerisch möglich ist…") die Peinlichkeit erlaubte, einen Anwesenden auf der Pressekonferenz verbal zu attackieren.
Man mag dies deuten wie man will, klar ist nur, dass der AFC in den beiden nächsten Partien gegen die unmittelbare Konkurrenz aus Plauen und Leipzig seine Nerven im Griff haben muss. Doch selbst, wenn der Griff nach dem letzten Strohhalm ins Leere gehen sollte und der Abstieg unvermeidbar wäre: Altona 93 wird auch im nächsten Jahr Fußball spielen, vielleicht sogar guten. "Eigentlich hat der Verein gute Chancen, die Mannschaft zusammen zu halten, wenn er vernünftige Gespräche mit uns führt", sagte Oliver Hinz und erklärte, warum: "Wir sind ja berufstätig, und alternativ gibt es ja nur andere Oberligisten. In Plauen oder Chemnitz wirst du auch nicht so reich, dass du die Stadt wechseln willst. Und selbst, wenn ein anderer Hamburger Verein einen Hunderter mehr zahlt, muss man sich doch fragen, ob man das Geld so nötig hat oder den Spaß vorzieht, den wir hier haben. Unser Zusammenhalt ist riesig und es wäre schön, wenn wir hier weiter zusammen spielen könnten", wirft Hinz der Vereinsführung den Ball zu.
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