Die Spannung bezog diese Partie vornehmlich aus der Visite des Gästetrainers Marco Krausz, der zum Ende der Spielzeit 2006/2007 die Platzherren in Richtung des vermeintlichen Norderstedter Schlaraffenlandes verlassen hatte. Nur musste er dort schnell erkennen, dass nicht alles Glänzende aus Gold besteht. Nach einer dortigen, höchst wechselhaften Gewöhnungssaison, mit einem finalen dritten Rang muss ihm – und nicht nur ihm – die gegenwärtige, kaum zu verbessernde siebte Tabellenposition über alle Maßen unbefriedigend erscheinen. Einzig ein heutiges Erfolgserlebnis bei seinem früheren Arbeitgeber, der sich auch ohne ihn wieder weit oben etablieren konnte, wäre geeignet, den krauszschen Dauerfrust ein wenig zu mildern. Genau so gut denkbar ist allerdings auch, dass die von der B 75 ihrem ehemaligen Coach beweisen wollen, dass sie auch ohne ihn zufriedenstellende Leistungen erbringen können.
Was die Meiendorfer denn auch tun. Zunächst aber geht die Partie, wie es so schön im Volksmund heißt, "rauf und runter". Allein Distanzschüsse von beiden Seiten sorgen für gehobene Stimmung, bleiben aber ungefährlich. In der 20. Minute ist es der nach langer Zeit mal wieder von Beginn eingesetzte Jan Thoele, weöcher Nils Roschlaub vorbildlich bedient. "Roschi" lässt zwei Kontrahenten aussteigen und zieht flach und für Frederic Böse unerreichbar ab. Dieser Treffer animiert die auf der richtigen Seite postierten und komplett anwesende Fangruppe der "Norderstedter Arroganz", die ihre Mannschaft durchaus kritisch begleitet, zu ihrem Chorus: "Wir können alles, nur nicht siegen". Wie Recht sie hat, ist eine Viertelstunde später zu erkennen, da es Lukas Sterczyk aus vier, fünf Metern und einem Gewühl nicht gelingt, die Kugel über die Torlinie zu ballern. Da macht es Roschlaub schon besser, als er aus spitzem Winkel nach einem Helge-Mau-Assist nur um ein Geringes das gegnerische Toreck verfehlt. Kurz vor dem Pausenpfiff hat auch der lange MSV-Keeper Karsten Böhmer Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nach einem Freistoß von Bülent Arlioglu, den Mustafa Hadid per Kopf weiterleitet, muss er im wahrsten Sinne kurz vor dem Pausentee über sich hinauswachsen, um nichts anbrennen zu lassen.
Über das böhmersche Gardemaß verfügt sein Kollege auf der anderen Seite hingegen nicht. So bleibt dem um einiges vor seinem Bewachungsobjekt postierten Barth nur wenige Minuten nach dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit nichts übrig, als hilflos mit anzusehen, wie es dem heute unermüdlich rackernden Omer Güven gelingt, ihn aus beachtlicher Distanz zum 2:0 zu überloben. Auch nicht unhaltbar erscheint der dritte Treffer der Einheimischen, für den der just eingewechselte Michael Sara sorgt, wenn auch mit einem flachen und geraden Ball. Dennoch findet sich die Krausz-Elf noch nicht mit ihrem Schicksal ab. Einen Arlioglu-Freistoß leitet Hadid ins Meiendorfer Gehäuse weiter. Nach dem Zuspiel von Mau auf Roschlaub und dessen 4:1 gelingt es Dennis Gersdorf sogar nochmals, den Torabstand nach einer Arlioglu-Corner zu verringern. Das ist dann aber auch für die Garstedter, die kurz vor dem Schlusssignal nur noch staunen können, als Fatih Gürel Roschlaub bedient, und der den unbeschatteten Sara in Szene setzt. Was acht Tage zuvor nicht geklappt hat, heute werden die schwarz-gelben Chancen unweigerlich in Torerfolge umgemünzt.
Nach dem Remis im "Vögelduell" hat sich der Abstand zu den führenden Bergedorfern wieder auf vier Punkte reduziert. Es darf also an der B 75. wieder gehofft, oder sollte es besser heißen, geträumt werden?
Punktspiel-Statistik ab 1945 aus der Sicht des Gastgebers: 6 Spiele – 4 Siege – 1 Remis – 1 Niederlage – 14:5 Tore
Stimmen:
Marco Krausz (Trainer Norderstedt) : Wir sind eigentlich ganz gut in die Partie gekommen. Haben dann aber, wie so häufig in dieser Saison, durch individuelle Fehler wie beim 1:0, wo wir in der Vorwärtsbewegung den Ball verlieren, und auch beim 2:0 für Meiendorf, wo wir zuvor eigentlich selbst hätten treffen müssen, nichts erreicht. Zwar hat meine Mannschaft mehrfach versucht, wieder zurückzukommen, aber unter dem Strich geht die Niederlage, wenn auch nicht unbedingt in der Höhe, in Ordnung.
Lutz Göttling (Trainer MSV): Wir haben letzte Woche bei Victoria auch eine Niederlage in Kauf nehmen müssen, die absolut nicht gerechtfertigt war, aber da kräht kein Hahn mehr nach. Es zählt nur die Tabelle. Beim Nachholspiel in Lurup waren wir nicht in der Lage, eine vernünftige Leistung auf den Platz zu bringen. Deshalb ist es schön, dass wir heute reagiert und 5:2 gewonnen haben, wenn vielleicht auch ein wenig zu hoch. Wir sind so immer noch dran und müssen hoffen, dass die Konkurrenz irgendwann noch Federn lässt. Nächste Woche bei St Pauli wünsche ich mir eine ähnliche Leistung.
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