14.09.2009 Rückblick: Das graue, undefinierte Mittelmaß regiert das Tagesgeschäft von
Der Start hat ein Ende gefunden. Viele Trainer oder Verantwortliche sind der Ansicht, dass sich erst eine fundierte Aussage über den etwaigen Saisonverlauf tätigen lässt, wenn ein paar Spieltage ins Land bzw. in die Stadt gezogen sind. Okay, halten wir uns dran. Nun haben wir sieben neunzigminütige Arien hinter uns und gewisse Tendenzen sind durchaus absehbar. Immerhin sind gute zwanzig Prozent der Saison Geschichte, etwas über ein Fünftel. Ein Rückblick und eine kleine Vorschau, auf das was uns erwartet, seien demnach erlaubt.
Um mit dem Unausweichlichen gleich zu beginnen, gratulieren wir von dieser Stelle dem SC Victoria zur Titelverteidigung. Nur wenn der Himmel den „Ehmlingen“ auf den Kopf fällt - was übrigens die Gallier um Asterix zwar immer fürchteten, aber nie eintritt – dürfte es am vierten Titel in Serie noch etwas zu rütteln geben. Doch beides scheint eher unwahrscheinlich. Victoria gewann auch seinen siebten Auftritt, dreizehn sind es saisonübergreifend, dieses Mal hieß das Opfer Oststeinbek, seines Zeichens Aufsteiger. Dass es der OSV dem Favoriten schwer machte, nach der Partie wohl gerechtfertigt mit dem Schiedsrichter haderte und sich einer respektablen Leistung rühmen konnte, macht es der Konkurrenz eben nicht einfacher. Die Victorianer brauchen noch nicht mal großartig zu glänzen, um drei Punkte einfahren zu können. Was soll erst passieren, wenn Vicky mal richtig aufdreht? Nicht auszudenken! Der Titel wird dem SCV insgesamt nicht zu nehmen sein. Sie werden nicht 34 Siege erzielen können, ein paar Unentschieden und die eine oder andere Niederlage werden noch dazu kommen. Doch die Offensivkraft der Hohelufter sucht ihresgleichen in dieser Staffel und an Erfahrung mangelt es ganz bestimmt nicht. Zudem macht die Konkurrenz nicht den Eindruck, als könne sie über die gesamte Strecke mithalten. Meiendorf vielleicht in Ansätzen, Altona hat jetzt schon den Anschluss verloren. Schade! Es wäre wohl für die Liga besser gewesen, wenn die U23-Mannschaft des FC St. Pauli nicht aufgestiegen wäre. Hinterher ist man immer schlauer.
Der Rest hechelt hinterher, was aber nur teilweise als Vorwurf zu verstehen ist. Meiendorf müht sich redlich, den Meister nicht aus den Augen zu verlieren. Sie gewannen in Curslack und auch in Norderstedt (2:1 an diesem Sonntag), was jeweils aller Ehren wert ist. Zudem musste der MSV, als einziges Team neben Vicky, noch keines seiner sechs Partien mit einer Niederlage beenden. Ach, die Meiendorfer wären ein richtiger Titelkandidat, wenn es halt diese andere Mannschaft nicht geben würde. Als besonderes Merkmal darf herausgestellt werden, dass sie bei der Eintracht ohne ihren Leistungsträger Nils Roschlaub auskommen mussten und trotzdem gewannen. Zum Titel wird es trotzdem nicht reichen.
Dahinter folgen einige Mannschaften, die vernünftig bis gut aus den Startlöchern gekommen sind. Für viele überraschend sortieren sich die Raubvögel in diese Kategorie ein. Mit 4:1 wurde der amtierende Pokalsieger am sonntäglichen Vormittag vom Platz gefegt. Es war nicht der erste Streich der Condoraner, die nach Victoria die zweitbeste Heimmannschaft darstellen. So einen Einstand war in dieser Art und Weise nicht von Neu-Trainer Mike Breitmeier erwartet wurden, was gar nicht soviel mit seiner Person zu hat, sondern eher mit der Einschätzung des ihm zur Verfügung stehenden Materials. Ob sich der SC bis zum Winter (oder sogar über diesen hinaus) dort oben halten kann, sei dahingestellt. Aber es trainiert und spielt sich als Vierter, ausgestattet mit vier Siegen, leichter als wenn man Fünfzehnter (Hallo Lurup!) ist. Der derzeitige Dritte aus Curslack war in dieser Hemisphäre erwartet wurden. Nur gegen Victoria und Meiendorf wurde verloren, gegen den Rest hielt sich die Henke-Truppe fast durchweg schadlos. Goalgetter Christian Spill scheint es wenig stören, dass sein Ex-Kompagnon Nils Pichinot nun am Millerntor auf Torejagd geht. Er trifft und trifft einfach weiter. Wenn es sein muss auch per Seitfallzieher oder zweien. So geschehen beim 3:2 gegen Paloma.
Auch die konzentrierten und konstanten Darbietungen der Niendorfer durften vorhergesagt werden. Die Neuzugänge besitzen Qualität, keine Frage. Die Abgänge zwar auch, ebenso keine Frage. Jedoch wiegen die Abstinenzler die Neuankömmlinge nicht auf. Mit Markus Schwoy haben die Niendorfer ein neues Hirn im Zentrum, mit Tamer Dönmez einen Freigeist im Angriff, um nur einige zu nennen. Konditionell scheinen sie keine Probleme zu haben. Gegen Uetersen gewannen sie im Schlussakkord, in Wedel drehten sie ein 0:2-Rückstand noch um und auch heuer in Bergedorf verhinderte der NTSV in den letzten Minuten mit späten Toren eine Niederlage. Niendorf ist zudem ein Beispiel, das es sich auch mal lohnen kann, dem Trainer in unwägbaren Zeiten weiterhin Vertrauen zu schenken, denn zu Anfang des Jahres sah es um Carrel Segner nicht immer rosig aus.
Sollte der Betrachter der Tabelle pessimistisch gesonnen sein, würde er wohl hinter Curslack den Strich ziehen und alle darunter Postierten zur Abstiegszone dazugehörig erklären. Der Optimist würde diesen eher tiefer ansiedeln (Platz zehn?). Eine generelle Prognose fällt bei den meisten Vereinen noch schwierig. Altona 93 zum Beispiel darf als lahmender Riese bezeichnet werden, der immer noch nicht richtig angekommen zu sein scheint. Zu Hause ist man zumindest punktetechnisch ohne Ausfall ausgekommen, doch auswärts ist es bis dato eine mittlere Katastrophe. Zwei Punkte bei vier Reisen können und dürfen nicht der Anspruch des ehemaligen Regionalligisten sein. Sogar beim bis dahin punktelosen Tabellenletzten aus Uetersen reichte es gestern nicht zu einem Dreier. 0:0 hieß das Endergebnis und dieses sagt ja eigentlich schon alles aus. Generell läuft in der Offensive auf fremden Plätzen viel zu wenig, als dass Altona großartige Ansprüche anmelden dürfte. In den Keller wird es für den AFC nicht gehen, dafür ist einfach die Qualität zu groß. Als direkter Verfolger der Victorianer gilt Altona derzeit jedoch keinesfalls.
Die Spannung in der Liga generiert daraus, dass etliche Mannschaften nicht genau wissen, zu welcher Kaste sie gehören. Eher in die Schublade mit dem Namen „Jenseits von Gut und Böse“ oder in die mit dem Zeichen „Das kann noch ganz schön eng werden“? Natürlich wissen die Aufsteiger, dass es lange gegen den Abstieg gehen könnte. Lohbrügge und Oststeinbek präsentieren sich nach sieben Spieltagen mehr als ordentlich. Kompakt, mehr als diszipliniert, den Kampf annehmend und auch bereit, ein Unentschieden als Punktgewinn anzusehen und nicht auf Teufel komm raus auf Sieg zu gehen. Mühsam wollen sich die Aufsteiger-Eichhörnchen ernähern, es soll für Aufsteiger nicht der schlechteste Weg sein. Der OSV zeigte sich am Freitag beim Primus als würdiger Kontrahent und gibt bei den Gegentoren bisher die viertbeste Bilanz der Liga ab. Lohbrügge holte in Wedel beim 2:2 einen Auswärtszähler. Doch sie vergaben eine große Möglichkeit, noch mehr mit nach Hause zu nehmen, da die Gastgeber in der Schlussphase nur noch mit neun Mann auf dem Feld agieren durften. Trotzdem, der VfL wurde vor der Saison gerne als unumgänglicher Absteiger deklariert, diesen Eindruck haben sie bisher nicht hinterlassen. Das mag noch kommen, Billstedt spielte letztes Jahr eine formidable Hinrunde, um dann im Jahre 2009 bitterlich abzustürzen und abzusteigen. Derzeit geben die Lohbrügger allerdings ein gefestigtes Bild ab. Die Wedeler hingegen belohnen sich noch nicht ausreichend für ihre Leistungen. Sie stehen von der Punkteausbeute etwas schlechter dar als die Konkurrenz aus Oststeinbek und Lohbrügge. Das mag noch trügen, da Wedel schon gegen Meiendorf oder auch Victoria auf das Feld musste. Und doch stehen Unentschieden gegen eben diesen OSV und diesen VfL auf eigenem Platz zu Buche. Das sind Punktverluste, die am Ende schmerzen könnten, aber nicht müssen. Spielerisch stehen die Wedeler der Liga gut zu Gesicht.
Die drei Aufsteiger gehören zur grauen, noch nicht eindeutig definierten Masse des Mittelfeldes (bzw. großen Abstiegszone), zu denen auch Halstenbek und der SV Lurup zählen. An guten Tagen kann innerhalb dieses Mischmasches, zu dem auch Norderstedt, Condor, Cordi, Paloma, Buchholz etc. gehören, wohl jeder wirklich jeden schlagen, egal ob auswärts oder in heimischen Gefilden. Das macht die Liga einerseits sehr interessant, denn niemand konnte vorhersagen, wie Lurup gegen HR ausgehen würde. Einen Favoriten gab es nicht. Trotzdem war das 1:1 ein sehr typisches Resultat für ein Aufeinandertreffen zweier Mittelfeldmannschaften, welche Sorgen bekommen können, wenn es schlecht läuft, oder ab circa März die Füße fast hochlegen können, weil nach oben sowieso und nach unten eben auch nichts mehr passieren wird. Das zweite Schicksal wäre auch den Norderstedtern zu gönnen, die mit einer blutjungen Equipe gegen das Abstiegsgespenst antreten. Das ein oder andere Talent ist bei der Eintracht schon registriert wurden. Andererseits, um auf das „einerseits“ von vor ein paar Zeilen zu kommen, wirken manche Partien austauschbar. Ob Lurup gegen HR, ob Paloma gegen Buchholz, ob Lohbrügge gegen Oststeinbek, meistens neutralisieren sich beide Teams und warten darauf, das der Gegner den ersten Fehler macht. Fast so austauschbar wie die Sätze von Frau Merkel und Herrn Steinmeier am gestrigen Abend im sogenannten Kanzler-Duell.
Der letztjährige Höheflug der Buchholzer wird höchstwahrscheinlich keine ähnliche Fortsetzung finden, dies scheint schon jetzt klar zu sein. Verletzungssorgen und prominente Abgänge spielen eine Rolle, unglücklichere Spielverläufe eine andere. Trotzdem sollten sich die Buchholzer in der oberen Hälfte einsortieren können. Nach drei Niederlagen in Folge wurde nicht in Panik verfallen, was dazu führte, dass der TSV nach dem 4:0 gegen Concordia in Barmbek nun mit 3:1 gewonnen wurde. Und dies obwohl die Buchholzer mal wieder mit dem Schiedsrichter (dieses Mal Herr Wicke) hart ins Gericht gehen durften, der eine Andy-Möller-Gedächtnis-Schwalbe (damals im BVB-Trikot gegen Karlsruhe, welche eine Sperre nachsichzog) mit einem Elfmeterpfiff für die Barmbeker prämierte. Schon bei der 0:1-Niederlage jüngst bei Condor hatten die Niedersachsen berechtigte Schelte gegenüber dem Unparteiischen angebracht. Die Concorden müssen als Extremfall bei der bisherigen Beurteilung gelten. Sie haben in den sechs Begegnungen immerhin schon acht Zähler sammeln können. Das „Immerhin“ bezieht sich vor allem auf die Tatsache, dass die „Nicht-mehr-Marienthaler“ fünf von diesen sechs Matches in der Fremde austrugen. Die Punkteausbeute hätte durchaus schlimmer ausfallen können für den Pokalsieger.
Die Enttäuschungen der Liga finden sich, neben Altona, natürlich im Keller wieder. Dass Uetersen als Fahrstuhlmannschaft in den letzten Jahren sich wieder unten einreihen würde, stellte niemand in Zweifel. Sechs Auftaktpleiten am Stück sind aber für jede Mannschaft harter Tobak und lässt diese Zweifel in die Richtung ausarten, ob der TSV überhaupt die Qualität für die Oberliga besitzt. Wenig ruhmreiche Beispiele lieferten die letzten Jahre in Person von Süderelbe, GW Harburg oder letzte Saison Egenbüttel. Übrigens alles Kinder der Landesliga Hammonia!
Was mag sich Peter Martens, letztes Jahr noch Trainer von Barmbek-Uhlenhorst, so denken, wenn er sich an der Barmbeker Anfield Road das Treiben seiner ehemaligen Mannschaft anschaut? Wesentlich schlechter würde BU mit ihm ganz bestimmt nicht dastehen, was sowieso nicht geht, da die Barmbeker bisher erst vier Punkte sammelten (ein Sieg gegen HR, ein Remis gegen Lohbrügge). 50 will der Neue, Frank Pieper sein Name, mit seinen Schützlingen insgesamt ins eigene Körbchen packen. Ein ehrenwertes und hochgestecktes Ziel, gewiss! Ist ja auch nichts dagegen einzuwenden, Ehrgeiz hat noch niemandem geschadet. Aber in 27 Spielen müssen dafür „nur“ noch 46 Zähler gesammelt werden. Das macht fast zwei Punkte pro Partie, das ist eher eine Quote die, über die ganze Saison gesehen, auf Platz zwei oder drei führen würde. Nach den bisherigen Auftritten, die erste Halbzeit gegen HR und in Ansätzen das 2:3 beim AFC mal ausgenommen, ist nicht zu erkennen, wie das klappen soll, wenn nicht ein BU-Sieg plötzlich fünf Punkte bringen sollte oder die Spielzeit mindestens 50 Begegnungen beinhalten würde. Eine weitere Enttäuschung sind die Bergedorfer, die es an diesem Sonntag noch nicht mal schafften, eine 2:0-Führung sieben Minuten vor dem Abpfiff ins Ziel zu retten. So gab es zwar den ersten Heimpunkt im vierten Versuch und doch war es eine gefühlte Niederlage, von denen es schon genügend reale bisher gab. Der FC wird lange Zeit brauchen, um wieder genügend Luft im Abstiegskampf zu bekommen und durchatmen zu können. Wenn es die 85er überhaupt irgendwann schaffen.
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