15.11.2009 Ach war der Rasen schön von Mirko Schneider
präsentiert:
SC Condor – USC Paloma 0:0
SC Condor: Kleinschmidt – Twardawa, Pawletta, Rohbaqsh, Grudzinski – Yasar, Niemann – Raschidy (82. Eren), Winterfeld (63. Abshagen) – Concilio, Griese USC Paloma: Dröge – Savelsberg, Lohfeldt, Kwame, Osinski – Gregori, Hamurcu – Richter (90. M. Aidara), K. Aidara – Kieckbusch (46. Protzek), Weidlich (90. Carrion Gaona) Tore: Fehlanzeige Besonderes Vorkommnis: Kleinschmidt hält Foulelfmeter von Savelsberg (40) Schiedsrichter: Kruse (TuS Hamburg) – sehr starker Leiter, bis auf einen Patzer. Hätte nach Foul von Twardawa an K. Aidara Elfmeter geben müssen. Twardwa half ihm, schnell alles wieder gut zu machen (siehe Bericht) Beste Spieler: Kleinschmidt, Rohbaqsh – Dröge Zuschauer: 120
Tim Winterfeld hat den Ball. Er müsste Malte Griese anspielen. Fehlpass. Osinski spritzt dazwischen. Sieht Kassim Aidara. Das Zuspiel geht ins Aus. Einwurf Condor. Direkt zum Gegner. Dieser bolzt den Ball ins Nichts. Zeit, die Unterhaltung mit dem älteren Herrn neben mir wieder aufzunehmen. An seinem 18. Geburtstag spielte er beim SC Sperber und verwandelte in der vorletzten Minute einen Elfmeter gegen Altona 93. Hat er erzählt. Nun ist er 74. Was für verschlungene Wege muss er gegangen sein, um heute hier zu sein? Ich betrachte die Harmlosigkeit der beiden Teams und denke nach. Das Spiel ist bereits fast rum. Martin Protzek scheitert mit einem tollen Schuss an einer feinen Flugeinlage von Sascha Kleinschmidt (88.). Sonst kaum ein Höhepunkt in Halbzeit zwei. Der Herr ist gerade gegangen.
Betrachtungen eines Oberliga-Spiels. „Das Niveau in dieser Klasse wird auch immer schlechter“, hat der Mann gebrummelt und so sehr ich versucht war, ihm zu widersprechen, irgendwie konnte ich nicht. Der Rasen war gesperrt, der Grand schlecht bespielbar, in der ersten Halbzeit gab es so was wie Torchancen und eine Überschrift nahe an Loriot war mir auch schon eingefallen. Doch irgendwie merkte ich schon früh, das wird heute kein witziger Bericht. Als Dirk Savelsberg einen Aufsetzer knapp vorbei schoss (16.), wusste ich es noch nicht. Auch die semigefährlichen Chancen von Marco Concilio (18., 36.) und Griese (18., 23.) machten Hoffnung. Zumal Frank Dröge einige Male gut parierte, oder wie Frank Hüllmann später launig sagte: „Da hat der Dicke gut gehalten.“
Doch dann kam die vierzigste Minute. Heiner Twardawa zog Kassim Aidara fast das Trikot aus. Es gab keinen Elfmeter. Wie zum Beweis, dass es einen geben müsse, mähte er fünf Sekunden später Thiemo Kieckbusch um. Nun gab es den Strafstoß und da geschah es. Savelsberg lief an, obwohl Schiedsrichter Thomas Kruse den Ball noch gar nicht freigegeben hatte. Er merkte es, stoppte kurz vorher und nahm erneut Anlauf. Neben mir sagte Condors Ordner Jan Krohn, dass er rechts unten vergeben wird. Ich wusste, so wird es kommen. Savelsberg lief an und schob die Kugel mit dem Schwung eines Mannes, der um die Vergeblichkeit seiner Aktion weiß, Kleinschmidt in die Arme. „Den nächsten schießt er nicht“, sagte Hüllmann auf der Pressekonferenz. Und es sollen nur noch Stürmer auflaufen, „die auch mal aufs Tor schießen.“ Mike Breitmeier freute sich seinerseits „über den Punkt für uns“ und Heiner Twardawa kündigte an, dass „wir uns die verlorenen Zähler in Wedel wieder holen.“
Das alles rettete mich nicht mehr. Für die zweite Halbzeit hoffte ich nur noch, es möge sich keiner verlaufen auf Condors Grand. Das Spiel schlug direkt auf mein Gemüt. Ein einziges Gebolze in gelb und weiß. Professionell überspielte ich das Ganze mit Sprüchen wie „Ja, das ist schon ganz schön spannend hier.“ Als Hüllmann zur Pressekonferenz erschien und seine verspätetes Erscheinen damit erklärte, dass er nach einer solchen Begegnung gar nicht mehr mit einer solchen "gerechnet hat, obwohl ich weiß, dass ihr immer eine macht“, musste ich wenigstens schmunzeln.
Ich merkte, so was kommt nur ein Mal vor. In einer Saison. Vielleicht auch in zehn Jahren. Dass man ein Spiel sieht, welches sich perfekt dafür eignet, eine tief empfundene triste Stimmung per Bericht online zu stellen. Deshalb bin ich beiden Teams auch nicht böse. Im Gegenteil. Solche Spiele muss es geben. Und heute passte es. Wie der Dialog aus Woody Allens „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“, der mir auf der Rückfahrt in der U-Bahn wieder einfiel. „Das Nichts. Die Nichtexistenz. Die schwarze, absolute Leere.“ „Was hast du gesagt?“ „Ach, ich plante eben nur meine Zukunft.“
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