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14.12.2009
Interview mit Marco Krausz: Aus der Not eine Jugend – Norderstedt geht seinen Weg von Andreas Killat

Marco Krausz (35) ist seit dem 01.07.2007 Trainer bei Eintracht Norderstedt und war vorher zwei Jahre lang beim Meiendorfer SV tätig. Der gelernte Bankkaufmann, der einst selbst aktiv bei den HSV-Amateuren, beim VfL 93 und in Meiendorf kickte, stand HAFO zum Ende der Hinrunde für ein ausführliches Interview zur Verfügung:


hafo: Marco, Du bist jetzt seit ziemlich genau 50 Monaten im Trainergeschäft. Wie fällt Deine Bilanz aus?
Marco Krausz: Es war eine sehr aufregende Zeit, zumal ich seinerzeit zum Trainerjob wie die Jungfrau zum Kinde gekommen bin. Ich hatte mich nach meinem Kreuzbandriss gerade zurückgekämpft und war erst ein paar Monate wieder für den Meiendorfer SV aktiv, da gab unser damaliger Trainer, Frank Stolina, seinen Job auf. Dann ging alles ganz schnell. Heute war ich noch Spieler und morgen dann schon Trainer des MSV. Es war zwar immer mein Ziel, nach meiner aktiven Laufbahn ins Trainergeschäft einzusteigen, aber dass es dann so plötzlich kam, war auch für mich sehr überraschend.

hafo: Meiendorf hat also damals großes Vertrauen in Dich gesetzt?!
Krausz: Ja, und ich bin dem MSV dafür zu großem Dank verpflichtet. Der Verein hat mir in einer sehr schwierigen Zeit die Möglichkeit gegeben, auf Oberliga-Niveau ins Trainergeschäft einzusteigen. Wir haben dann - trotz feststehendem Abstieg aus der Oberliga aus finanziellen Gründen - noch das Odddset-Pokalfinale erreicht und im kommenden Jahr in der Verbandsliga einen sehr guten 2. Platz erzielt.

Danach ging es dann in Norderstedt für Dich weiter.
In meinem ersten Jahr haben wir einen guten 3. Platz erreicht, hier hatten wir eine tolle Rückrunde mit einer langen Siegesserie. Das zweite Jahr war dann wirklich schlecht, das muss ich ganz offen zugeben. Wir sind insgesamt nur Achter am Saisonende geworden und man muss deutlich sagen, dass es eine sehr enttäuschende Saison war.

Viele Stimmen im Umfeld forderten damals Deine "Entlassung" und hätten gerne Andreas Prohn, den langjährigen Trainer von Altona 93 und jetzigen Verantwortlichen bei der Norderstedter Jugend, auf dem Trainerstuhl gesehen. Gab es dazu wirklich ernsthafte Überlegungen und wie war das damals für Dich?
Das war mein erstes echtes Negativerlebnis als Trainer. Ich hatte schon etwas Probleme, mit der Situation umzugehen, denn wir haben nicht schlechter gearbeitet als das Jahr zuvor. Und trotzdem blieben die Ergebnisse aus. Dennoch hat der Verein vorzeitig meinen Vertrag um zwei Jahre verlängert, weil die Verantwortlichen gesehen haben, dass das Trainerteam weiter engagiert und akribisch gearbeitet hat. Das ist gerade heutzutage nicht selbstverständlich und von daher bin ich über diese Entscheidung des Präsidiums seinerzeit sehr froh gewesen. Umso schöner ist die Entwicklung dieses Jahr zu beobachten. Auch wenn ich natürlich weiß, dass das Trainerbusiness ein Tagesgeschäft bleibt. Von daher werden wir weiter hart an unserem Weg arbeiten.

Welche Trainer haben Dich denn in Deiner aktiven Zeit am meisten geprägt?
Da gibt es eine ganz klare Antwort: Felix Magath!!! In dem Jahr bin ich körperlich nahezu täglich "durch die Hölle" gegangen. Felix war noch in seiner "Anfangszeit" als Trainer der HSV-A und er kannte nur ein Ziel: Den Weg in die Bundesliga. Und wir Spieler mussten darunter "leiden" (so haben wir es zumindest seinerzeit als Spieler gesehen). Heute betrachte ich diese Erfahrung natürlich deutlich differenzierter - manchmal vielleicht auch zum Leidwesen meiner Spieler (lacht)

Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit Andreas Prohn, der ja interessanterweise zeitgleich mit Dir im Sommer 2007 in Norderstedt als Trainer der A-Jugend angeheuert hat?
Die Zusammenarbeit klappt gut. Wir haben schon im Laufe der letzten Saison begonnen, die A-Jugendlichen in die Ligamannschaft zu integrieren und das ging teilweise auch zu Lasten der Leistungsfähigkeit der Mannschaft von Andreas Prohn. Trotzdem war sie stark genug, um souverän den Meistertitel und den Aufstieg in die Regionalliga zu schaffen. Aber es ist nun mal so, dass die Ligamannschaft in einem Verein immer Vorrang hat und deswegen gab es auch niemals Probleme.

Erntest Du jetzt quasi die Früchte seiner Arbeit?
Nur bedingt. Zunächst sind die Spieler vorab schon in die richtige Richtung trainiert worden (durch Ralf Schehr). Diese Arbeit hat Andreas Prohn sehr gut fortgesetzt. Nur jeder weiß, dass Jugend- und Herrenfußball zwei völlig verschiedene Welten sind. Da liegt es jetzt an uns, die Spieler bei dem nächsten Schritt in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu fördern.

Hat Norderstedt sozusagen "aus der Not eine Jugend" gemacht? Nach dem Motto: Weg von den (alten, teuren, satten) Stars, hin zur unbekümmerten Teenie-Truppe?
Da kamen zwei Faktoren zusammen: Einmal natürlich die sehr enttäuschende letzte Saison und dann wussten wir, dass wir vereinsintern über einen sehr guten A-Jugend-Jahrgang verfügen. Diese Aspekte haben dazu geführt, dass der Schnitt mit 12 A-Jugendlichen in diese Saison zu gehen sicherlich sehr groß ausgefallen ist. Deswegen haben uns viele vor der Saison für verrückt erklärt und uns als potenziellen Abstiegskandidaten betitelt. Und dafür halten wir uns bisher ja ganz gut ...(schmunzelt)

Nach 18 Spielen steht Norderstedt mit 28 Punkten auf Platz 8. Zufrieden?
Trotz der "Verjüngungskur" und den eben angesprochenen Umständen bin ich nicht vollends zufrieden. Wir haben einfach zu viele Punkte durch individuelle Fehler liegen lassen. Trotzdem war und bleibt es unser Ziel, uns so weit wie möglich von der Abstiegszone entfernt zu bewegen. Und das klappt momentan ganz gut.

Sogar im Pokal seit Ihr noch dabei. Für Norderstedt fast eine "Sensation"?!
Der Pokalwettbewerb ist wirklich was ganz besonderes, und endlich überwintern wir mal! Du hast als Mannschaft die Möglichkeit, mit nur acht Siegen ein ganz tolles Erlebnis zu schaffen. Etwas Außergewöhnliches, was Dir keiner mehr nehmen kann. Und dafür muss man als Mannschaft alles investieren, um das Ziel zu erreichen. Natürlich gehört da auch ein wenig Glück dazu, aber Glück hat bekanntlich auch nur der Tüchtige. Als Spieler war ich dreimal im Pokalfinale (mit den HSV-A: zwei Siege, eine Niederlage) und als Trainer mit Meiendorf gleich in meinem ersten Trainerjahr. Auch wenn wir dort das Endspiel gegen den FC St. Pauli verloren haben, sind das Erlebnisse, die man nicht vergisst. Schließlich kann ich meinen Enkelkindern später mal erzählen, dass ich gegen Arminia Bielefeld mit Uli Stein im Tor einen Treffer in der ersten DFB-Pokalrunde erzielt habe (klopft sich ironisch auf die Schulter).

Auffällig ist jedoch die relativ "schwache" Heimbilanz mit 5 Siegen und schon 5 Niederlagen, während es auswärts etwas besser läuft. Wie kommt's?
Das liegt insbesondere daran, dass wir zu Hause gegen die stärksten Teams der Liga antreten mussten (Vicky, Altona 93, MSV, Curslack-N.) und das teilweise noch sehr früh in der Saison. Da waren wir in unserer Entwicklung sicherlich noch nicht soweit wie heute und das erklärt die auf den ersten Blick "schwache" Bilanz.

Ausgerechnet in Lurup gab es kürzlich aber die erste Auswärtsniederlage. Kann Dein junges Team mit der Favoritenrolle noch nicht umgehen?
Wenn wir in Lurup spielen, sehe ich uns nicht unbedingt als Favoriten. Denn Lurup ist für mich eine überdurchschnittlich besetzte Oberligamannschaft, die in der Rückrunde definitiv noch da unten rauskommen wird. Ferner haben wir an diesem Tag nicht ansatzweise unser Potenzial abrufen können und somit war die Niederlage unter dem Strich auch verdient.

Wird zur Winterpause nochmal nachgelegt, oder ist die Kaderplanung abgeschlossen?
Nein, wir belassen unseren Kader unverändert, denn wir wollen und werden diesen jugendlichen Weg weitergehen.

Wer hat in der Hinserie am meisten überzeugt, wer hat noch Luft nach oben?
Aus unserer Mannschaft werde ich keine einzelnen Spieler herausheben, denn ein Einzelner ist gar nichts ohne die Mannschaft. Fußball ist und bleibt ein Mannschaftssport, und ich tue mich schwer damit, einzelne hervorzuheben. Fakt ist, dass wir als Mannschaft sicherlich noch konstanter spielen und die individuellen Fehler aus der Hinrunde abstellen müssen.

Auch wenn Du keine Namen nennen magst: Moritz Mandel und Kolja Tirums sind in aller Munde. Schon Angst vor den Talentjägern der "großen" Klubs?
Das lässt sich leider nicht vermeiden, dass so eine junge Mannschaft Begehrlichkeiten anderer Vereine weckt. Auf der anderen Seite ist das aber auch eine Bestätigung für uns, dass wir als Verein die richtige Entscheidung getroffen haben, diesen Weg zu gehen. Und bisher anscheinend auch einen ganz guten Job machen.

Käme denn wenigstens Geld in die Kasse?
Alle Spieler sind mit Amateurverträgen ausgestattet die teilweise sogar über diese Saison hinausgehen. Ferner fühlen sich die Spieler in der Gemeinschaft sehr wohl, da sie größtenteils schon sehr lange zusammen spielen. Das zeigt den guten Charakter der Spieler und macht die Situation auch für "große" Klubs bzw. deren "Schnäppchenjäger" sicher nicht leichter.

Apropos „große Klubs“: Du bist bekennender Bayern-Fan. Das Norderstedter Umfeld wird von den Möglichkeiten her zur Stadtkonkurrenz auch oft genug mit dem FCB verglichen. Wie fühlt man sich als heimlicher Krösus der Liga?
Drei Kunstrasenplätze machen noch keinen Meister. Wir müssen genauso hart arbeiten - wenn nicht sogar noch ein wenig mehr - wie alle anderen Mannschaften auch. Das möchte ich hier einmal klarstellen! Natürlich haben wir tolle Trainingsbedingungen, auf die der Verein auch stolz sein kann und die es gerade in der jetzigen Witterungsphase einfacher machen. Aber der Erfolg einer Mannschaft definiert sich nicht allein dadurch, da gehört eine ganze Menge mehr dazu.

Kurz ein Blick über Norderstedt hinaus: Wie lautet Dein Fazit zur Hinserie der Oberliga, welche Klubs haben enttäuscht/überrascht, mit welchen könnt Ihr mithalten, wer ist noch zu weit weg?
Der SC Victoria steht, wie ich schon vor der Saison angekündigt habe, über den Dingen. Und auch Altona 93 scheint sich jetzt gefunden zu haben. Das sind für mich grundsätzlich die beiden Ausnahmemannschaften. An guten Tagen können wir mit allen anderen sicherlich mithalten. Bis auf die zweite Halbzeit gegen Altona 93 waren wir häufig mit den Gegnern auf Augenhöhe. Das stimmt mich positiv für die verbleibenden Spiele. Angst haben müssen wir vor niemandem, aber wir wissen auch, dass wir Woche für Woche 100% abrufen müssen, um erfolgreich zu sein.

Gehen wir noch eine Liga tiefer: Als ehemaliger Spieler des VfL 93, was sagst Du zur aktuellen Lage des Klubs, blutet Dir nicht das Herz, wenn jetzt der Sturz in die Bezirksliga droht?
Auch wenn ich nur ein Jahr im Stadtpark gespielt habe - schon damals gab es nach der Saison übrigens interne Querelen die zur Auflösung der Mannschaft beigetragen haben - war es eine tolle Zeit. Wir hatten eine klasse Mannschaft u.a. mit Bester, Degen, Schweißing, Lüttkenhaus um nur einige zu nennen und der Platz zählte seinerzeit zu den besten in ganz Hamburg. Das hat sich leider alles ziemlich verändert. Auch wenn ich das Geschehen beim VfL 93 nur noch aus der Ferne beobachte, ist es schon sehr schade, wie die aktuelle Entwicklung dort ist. Und insbesondere für Jürgen Domzalski (meinem ersten Ligatrainer in Bramfeld seinerzeit) tut es mir sehr leid. Er war immer mit Herzblut dabei und hat den Verein nach außen wahrlich verkörpert.

Was war denn Dein Karriere-Highlight?
Oh, da gibt es Einiges, was mir spontan einfällt. Mein Tor gegen Arminia Bielefeld in der ersten DFB-Pokalrunde mit den HSV-A habe ich ja bereits erwähnt. Aber auch die Siege in der Regionalliga in Osnabrück oder in Braunschweig - die jeweils zu den Top-Favoriten gehörten - vor jeweils mehr als 10.000 Zuschauern waren klasse. Das Oddset-Pokalviertelfinale mit dem Meiendorfer SV gegen den FC. St Pauli (wir haben leider 1:2 nach Verlängerung verloren, weil Olufemi Smith seinerzeit den Ball aus einem Meter nicht im Pauli-Tor untergebracht hat) war auch ein großes Ereignis. Und dann natürlich die vier Pokalendspiele, an denen ich teilnehmen durfte. Schließlich war ich auch einmal im Bundesligakader des HSV bei der Auswärtspartie in Köln. Ich bin zwar nicht zum Einsatz gekommen aber ich "durfte" mich 90 (!) Minuten vor 35.000 Zuschauern warmlaufen (wie es bei Felix Magath so üblich war). Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber das hatte schon was !!!

Schöne Erinnerungen. Kribbelt es dabei noch manchmal? Oder ist mit 35 Jahren definitiv Schluss? Ein Jürgen Degen ist neulich ja für BU noch mal aufs Feld gelaufen...
Es kribbelt zwar noch ab uns zu und letztes Jahr habe ich teilweise auch bei den Alten Herren in Norderstedt gespielt, aber der zeitliche Aufwand - neben der Trainertätigkeit - noch aktiv zu werden, ist einfach zu hoch. Von daher konzentriere ich mich lieber auf das Trainerdasein.

Der Umgang in der Oberliga scheint insgesamt sehr freundschaftlich zu sein, soweit man das als HAFO-Redakteur beurteilen kann. Gibt es richtige Freundschaften?
Das nimmt man nicht nur als HAFO-Redakteur so wahr. Der Umgang ist überwiegend sehr kollegial und teilweise wirklich schon fast freundschaftlich. Und das bei aller Rivalität bzw. bei all dem Druck, der durchaus in der Oberliga vorhanden ist. So macht die Arbeit in der Regel richtig Spaß. Man freut sich ganz besonders auf die Spiele, bei denen man alte Weggefährten oder auch auf Freunde trifft. So ist natürlich die Partie gegen Meiendorf für mich immer noch etwas besonderes. Von daher ist es sehr schade, dass die Kollegen Matthias Bub und Christian Woike momentan nicht "so richtig" aktiv sind. Bubi ist ja aktiver Senioren-Fußballer, aber soweit bin ich noch nicht, und "Crille" (Anmerkung der Redaktion: Spitzname von Woike) macht sich neuerdings ja sehr gut als Chefanalytiker der hiesigen Sportzeitungen...(kann sich ein Lachen nicht verkneifen).

Am 29.12. sind die Hamburger Hallenmeisterschaften. Norderstedt nimmt "traditionell" nicht daran teil. Warum nicht, Angst vor Verletzungen?
Die A-Jugendlichen hatten im Sommer gerade mal acht Tage Pause, und die sollen und müssen sich jetzt erst mal von ihrem ersten Halbjahr im Herrenbereich erholen und regenerieren. Da passen die Hallenturniere leider nicht wirklich gut in den Ablauf. Ferner ist das Spiel in der Halle in den letzten Jahren immer verbissener geworden und mir ist die Verletzungsgefahr dort einfach zu groß. Gerade, wenn die Spieler nahezu untrainiert (weil mitten in der Winterpause liegend) diese Turniere spielen.

Zum Schluss noch ein Ausblick: Was können wir von Deiner Mannschaft in der Rückrunde und mittelfristig in 1-2 Jahren noch alles erwarten?
Fußball ist ein Tagesgeschäft und von daher ist es schon schwer genug, vorauszusagen, was in der Rückrunde passiert. Das gilt erst Recht für alles, was darüber hinaus geht. Wir wollen versuchen, uns zu stabilisieren und weiterhin fleißig Punkte sammeln. Darüber hinaus ist es aber unsere Hauptaufgabe, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Denn ich behaupte, dass sie noch eine Menge Potenzial besitzt. Und was dann kommt, werden wir sehen.

Vielen Dank für das Interview, Marco. Frohe Weihnachten, guten Rutsch und viel Erfolg für die Rückrunde!



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