Folgendes Szenario schien vor dieser Begegnung realistisch: HR fängt gut an, weil das Team dies auswärts häufiger tut. Wahrscheinlich gelingt die Führung. Curslack braucht eine Weile, wie ebenfalls nicht selten, um ins Spiel zu kommen. Dann zermürben sie den Gegner durch brutale Effektivität, kontern ihn schließlich in Führung liegend aus und siegen. Vielleicht um ein Tor zu hoch, mit 4:1 zum Beispiel.
Nach der Partie darf man nun konstatieren: Der gnadenlose Realismus hat zugeschlagen. Als wären die Spieler wie einst Bill Murray in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in der Zeitschleife gefangen, wiederholten sie die aus der Hinrunde sattsam bekannten Muster. Dabei bot die SV Halstenbek-Rellingen zu Beginn zwar keinen Sturmlauf, jedoch einen mehr als ordentlichen Auftakt. Zwar scheiterte Sascha Richert in der siebten Minute zunächst an Tino Nennhaus (Torsten Schönsee weilte mit Kollege Marco Blättermann in London, um sich die Partie FC Arsenal – West-Ham United anzuschauen), doch er eilte gleich heraus, um die folgende Ecke hereinzuschlagen. Eine Flanke und ein Gewusel am Elferpunkt später hatte Sebastian Sander den Ball ins Netz bugsiert (8.).
Danach passierte lange nicht viel. Die Gäste schienen das Match sicher im Griff zu haben. Matthias Reincke ballerte einen Fernschuss drüber (13.) und fand längere Zeit später in Dennis Schultz seinen Meister (29.). Mehr war nicht, bis…ja, bis Frederic Böse die Anlage betrat. Der in Reinbek wohnende Norderstedter Keeper verstärkt Curslack ab Sommer und wollte mal vorbeigucken, wo er die nächsten zwei Saisons daheim sein wird. Kaum war er da, klappte es mit dem Toreschießen für die Blauen. Marco Theetz bewies, dasss sein kleines Bäuchlein ihn nicht vor Vorlagen schützt und spielte einen herrlichen Pass in die Schnittstelle der Viererkette. Christian Spill überlupfte den herausstürmenden Schultz und schon stand es wieder Remis (34.).
Beim Führungstreffer nach der Pause hielt Spill sich hingegen geschickt heraus. Nach gutem Spielzug über rechts ließ er Saboor Khalilis sauber getimte Diagonalflanke zu Reincke durch. „Matte“ tanzte Sören Warnick eiskalt aus und vollendete cool in die kurze Ecke (50.). Warnick hätte seinen Fehler fast wieder gutgemacht, als er nach einer Richert-Ecke Toni Udes Kopfball zwei Meter vor und mit dem Rücken zum Tor geschickt durch die eigenen Beine passieren ließ. Nennhaus ließ sich nicht irritieren und parierte (56.).
So kam es wie vorher ausgedacht. Christopher Kock setzte Spill mit langem Pass in Szene, der tanzte außerhalb des Sechzehners noch Schultz aus, und fein erkontert war das 3:1 (58.). Die Gäste resignierten, das Spiel plätscherte dem Ende entgegen – und der eingewechselte Homan Khastoo sorgte im zweiten Versuch nach Spill-Vorlage noch für das 4:1 (82.).
HR-Coach Thomas Bliemeister hatte daher erstmal keine Lust, groß ausführlich zu werden. „Glückwunsch. Der Sieg geht in Ordnung. Wir haben in der zweiten Halbzeit nicht mehr stattgefunden und deshalb verdient verloren. Danke“, gab er als Statement Protokoll, ließ sich aber später noch entlocken, dass „ich nicht glaube, dass die Sache mit Sascha Richert (Anm.: Das Wechseltheater zwischen dem SC Victoria und HR um Richert) heute irgendeine Auswirkung gehabt hat. Man sieht ja, dass wir Sascha so böse gar nicht sind, sonst hätten wir ihn nicht spielen lassen.“ Torsten Henke seinerseits konnte gelassen berichten, seine Elf „sei am Anfang gar nicht so richtig ins Spiel gekommen. Der Sieg war am Schluss aber verdient. Vielleicht“ – Sie ahnen es – „um ein Tor zu hoch.“
Und während Henke sich wünschen darf, die Zeitschleife möge für immer ihr Plätzchen am Gramkowweg gefunden haben, sollte sich HR schleunigst das Ende des „Murmeltier“-Films angucken. Nachdem Bill Murray hart an sich gearbeitet hat, kriegt er am Schluss ein neues Leben geschenkt – ganz ohne Zeitschleife. Die nächste Auswärtschance passt dazu. Bei Altona 93 führte das Team ja bereits mit 2:0. Und das Flutlicht dürften sie an der Adolf-Jäger-Kampfbahn inzwischen repariert haben…
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