30.03.2010 Die Herren der Lüfte von Mirko Schneider
Hamm United FC – SC Europa 4:2 (2:1)
Hamm United FC: Groß – Kinkeldey, Tzahanis, Simon – Ayik (70. Karimi), Buchholz, Hansen (46. Aksu), Müller – Marschall – Yilmaz (75. Haxhijadini), Arlioglu SC Europa: Solak – Rosenberg – Rochow, Achakzad – Lubinski, Güzel, Glöckner, Ataseven – Nikolaides (46. Kunkel), Abazi – Boakye Tore: 1:0 Simon (9., Vorarbeit Marschall), 2:0 Yilmaz (28., Arlioglu), 2:1 Güzel (44., ohne Vorarbeit), 3:1 Yilmaz (70., Marschall), 3:2 Ataseven (80., ohne Vorarbeit), 4:2 Haxhijadini (86., Simon) Schiedsrichter: Amarkhel (MSV Hamburg) – gute Leistung Beste Spieler: Marschall, Yilmaz, Simon – Abazi, Güzel Zuschauer: 70
Das Duell großer Favorit gegen kleinen Außenseiter hatte noch gar nicht begonnen, da war schon was los an der Snitgerreihe. „Ich stelle heute wieder auf Dreierkette um. Die Mannschaft begreifet die Viererkette noch nicht“, erklärte Hamms Trainer Uli Schulz und beerdigte somit das Taktik-Experiment der letzten beiden Spiele wohl für den Rest der Saison. Die Gäste ihrerseits wollten ganz gerne mit Stammtworwart Bülent Solak spielen, welcher bedingt durch seine Arbeit aber erst elf Minuten vor Spielbeginn auftauchte. Fünf Minuten später sprintete er bereits in kompletter Torwartkleidung auf den Platz und machte sich warm. Es konnte also losgehen, samt Gastgeber-Dreierkette und Gästetorwart.
Hamm erwischte den besseren Start. Sidnei Marschall flankte einen Freistoß aus dem rechten Halbfeld an den langen Pfosten und Florian Simon köpfte einen haltbaren Aufsetzer ins Netz (9.). Danach passierte lange nichts vor den Toren. Die Gäste hielten gut mit, stellten die „Geächteten“ vor einige Probleme im Spielaufbau. Die Entwicklung des Spiels schien jedoch vorgezeichnet: Der coole Gastgeber trifft, die vor dem Gästetor flatterigen Europäer versieben ihre Dinger. So verpasste Oliver Lubinski haarscharf eine Eingabe von Dursun Ataseven (26.), Tobias Nikolaides verballerte freistehend die Top-Vorbereitung von Maik Rosenberg (31.) und Lubinski scheiterte nach einem Pass des agilen Nazif Abazi an Nils Groß (34.). Gastgeber Hamm United nutzte in der Zwischenzeit einfach gnadenlos effektiv seine zweite Chance. Der ansonsten schwache Bülent Arlioglu gewann ein Kopfballduell am Sechzehner, Serdar Yilmaz legte sich den weitergeleiteten Ball zurecht und versenkte abgebrüht (28.). Immerhin vergaben sie auch einmal. Kevin Hansen traf das Lattenkreuz (38.)
Vielleicht wäre dem Tabellenvierten ein Ergebnis roundabout 5:0 gegen irgendwann entnervte Europäer gelungen, wäre da nicht der große Auftritt von Sammy Güzel gewesen. Er erhielt den Ball circa 25 Meter in der eigenen Hälfte bei einer Kontersituation und spurtete los. Hamm United schaltete nicht um, Güzel lief. Zur Mittellinie, ließ einen stehen, in des Gegners Hälfte, konnte abspielen, sah aber keine Veranlassung, ließ noch einen stehen, zum Sechzehner, vorbei am letzten Abwehrspieler, streichelte den Ball mit der Sohle flach auf den Boden, um Hoppelei zu vermeiden, und lupfte ihn über den zu Boden gehenden Keeper Groß in die Kiste (44.). Ein Weltklasse-Tor nach einem satten 70-Meter-Spurt! Allererste Sahne, wie später auch sein Trainer Gianfranco Ganguzza fand: „Alleine für den Treffer muss er überall in die Elf des Tages. Es war sehr geil, wie er da alle verarscht hat.“
Europa roch somit in Hälfte zwei Lunte und ließ sich durch die gnadenlose Unterlegenheit in der Luft gegen großgewachsene Hamm-Recken nicht beirren. Auch dann nicht, als Marschall und Yilmaz das 1:0 nahezu kopierten und den alten Zwei-Tore-Abstand wieder herstellten (70.). Hilfe erhielt der Abstiegskandidat zudem von Hamms Torwart Groß. Dieser schob nach einem Rückpass völlig unbedrängt Ataseven den Ball am Sechzehner in die Beine. „Nils, verdammt, Nils…“ schrie Schulz noch am Rand – doch begleitet von seinen Rufen machte Ataseven trotzdem das 2:3 (80.). Zwei Minuten später kam gar die Chance zum Ausgleich. Ataseven verzog nach Zuspiel von Leonard Boakyie.
Und so traten die Herren der Lüfte wieder auf den Plan. Der unvermeidliche Marschall flankte den obligatorischen Freistoß diesmal aus dem linken Halbfeld auf den langen Pfosten und Hamm zeigte mal eine hübsche Variante. Simon köpfte das runde Ding des Begehrens zu Betim Haxhiajdini und dieser rechtfertigte seine Einwechslung ebenfalls per Kopf – 4:2 (86.).
Nun war ein Spiel gegessen, welches Europa laut Trainer Ganguzza, der findige Leser ahnt es, „in der Luft verloren“ hatte. Auf dem Auftritt aber „könne man aufbauen.“ Das stimmt – und außerdem war es auch irgendwie ausgleichende Gerechtigkeit, wie Hamms Trainer Schulz indirekt deutlich machte. Nachdem er sagte, dass „Serdar Yilmaz ganz gerne bei uns bleiben würde“ (Gerüchten zufolge ist Bramfeld an einer Rückkehr des Torjägers interessiert), meinte er nämlich noch dies: „Am Sonntag haben unsere großen Kerle gegen die kleinen, quirligen Spieler von Türkiye einfach schlecht ausgesehen.“ So ist das halt. Manchmal gewinnen die Kleinen, dann wieder die Großen. Wie im richtigen Leben.
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