17.04.2010 Vespermann begreift sein Glück rechtzeitig von Mirko Schneider
Bramfelder SV – SC V/W Billstedt 2:1 (1:1)
Bramfelder SV: Völtzke – Thiede, Akin, Anders, Schwarck – Henning, Viola – Schulz (81. Polzin), Skalnik – Vespermann (88. Kazmierczak), Witte (85. Westphal) SC V/V Billstedt: Kruschewski – Dülsen, Bogunovic, Liebermann, Kopec – Kreutzer, Iwosa – Julardzija, Juckel, Reichenbach (62. Sulinski) – Demirci (80. Bollweg) Tore: 1:0 Witte (33., Vorarbeit Thiede), 1:1 Reichenbach (41., Bogunovic), 2:1 Skalnik (67., Vespermann) Schiedsrichter: Hittig (SC Poppenbüttel) – sah sich einiger Kritik vom Spielfeldrand ausgesetzt. Fuhr eine sehr großzügige Linie. Machte dabei nur wenige, und dazu keine entscheidenden, Fehler. Also alles im grünen Bereich. Beste Spieler: Anders, Akin – Kreutzer, Bogunovic Zuschauer: 200
Entspannte Linienrichter, pardon: Schiedsrichter-Assistenten, sind unterbewertet. Nicht selten werden die Männer mit der Fahne in Sportlerkreisen als kleinkarierte Menschen dargestellt. Stets achten sie penibel auf die Einhaltung der Coaching-Zone. Jede noch so kleine Kritik nutzen sie, um ihr liebstes Utensil zu schwenken und sich bei ihrem Chef zu beschweren. Und natürlich kommen sie mit dem passiven Abseits nicht klar. Wider dieses gängige Vorurteil präsentierte sich heute Frank Schneehagen. Fröhlich pfiff er ein Lied ums andere vor sich hin und reagierte bei Reklamationen äußerst cool. Beispielsweise, als Billstedts Ersatzspieler ihn auf eine Abseitssituation aufmerksam machten, die er nicht anzeigte, weil Bramfelds Pass ins Aus ging. „Das habt ihr gut gesehen“, sprach er lächelnd zur kritisierenden Gruppe und nahm seine souverän verrichtete Arbeit wieder auf. Und hatte sogar, ganz legal, entscheidenden Anteil am Bramfelder Sieg. Einem Sieg, welcher in einem recht verkrampften Spitzenspiel zustande kam.
Dieses begann mit einer Überraschung, denn die Gäste wichen vom bevorzugten 4-3-3 ab und spielten ein 4-2-3-1 mit Hakan Demirci als einziger Spitze. Das Ziel „erst mal kompakt zu stehen“ (Co-Trainer Andreas Heeschen) wurde dabei, sieht der Betrachter von einer vergebenen Chance von Dustin Vespermann ab (5.), zunächst erreicht. Jedoch zu Lasten der Offensive. Über seine Kompaktheit schien Billstedt nämlich sein Offensivspiel vergessen zu haben. Bramfeld machte in diesem Bereich allerdings kaum etwas besser. Fehlpässe und ein technisch recht überschaubares Niveau prägten somit das Match. Von großer Spielkultur, wie noch im Hinspiel, konnte nicht die Rede sein.
Die Führung der Bramfelder bahnte sich daher nicht gerade an, fiel aber dennoch. Eine abgewehrte Ecke brachte Alexander Thiede erneut an den Sechzehner, wo „wir alle einfach blind nach vorne laufen“ (Heeschen). Eine Mischung aus Abseitshoffnung und Auf-den-Kollegen-verlassen sorgte also für Dennis Witte frei vorm Tor, welcher Bernd Kruschewski clever überlupfte (33.). Und keine sechzig Sekunden später kurz vorm 2:0 stand, als er Alexander Bogunovic im Laufduell abhängte. Diesmal ohne cleveren Abschluss. Nicht unbedingt clever, aber effektiv, agierten daraufhin die Gäste. Dennis Kreutzer zeigte bekannte Standard- und Bogunovic ebenso bekannte Kopfballqualitäten, Nils Völtzke konnte nur abklatschen und Marcel Reichenbach versenkte die Kugel aus eineinhalb Metern ins leere Gehäuse (41.).
Dies war im Übrigen keinesfalls der Auftakt zu einer Niveau-Verbesserung. Im Gegenteil. In Hälfte zwei verflachte die Partie weiter. Bis sich das Duell der beiden Landesliga-Giganten innerhalb von einer Minute entschied. Billstedt verpasste nach toller Vorarbeit von Demirci die Führung, die Matthias Juckel (löste seine Aufgabe auf der Zehn ordentlich) freistehend vor Völtzke hätte erzielen müssen (66.). Bramfeld schlug zurück und kam zur mehr als wunderlichen Führung mit Schneehagens Hilfe.
Bei einem Konter über rechts spitzelte Vespermann den Ball am schwachen Kim Liebermann vorbei, der diesen mit beiden Händen aufzuhalten versuchte, es aber nicht schaffte. Vespermann spurtete zum Ball, der Richtung Schneehagen kullerte und schrie diesen mehrmals an: „Hey, Hey, Hand.“ Schneehagen lief cool einfach weiter Richtung Eckfahne neben Vespermann her, der plötzlich in etwa folgendes gedacht haben muss: „Hoppla, ich bin ja durch. Mit Ball am Fuß. Wunderbar.“ Also rannte er aufs Tor zu, löste die Situation des spitzen Winkels durch einen gekonnten Lupfer aufs lange Eck, wo Christopher Skalnik von hinten heran rauschte und den Ball aus wenigen Zentimetern im Tiefflug in die Kiste knallte. Was für ein Tor!
Billstedt machte nun zwar auf und kam auch zu Ausgleichschancen. Doch Juro Julardzija kam am langen Pfosten zu spät (71.), Oskar Sulinski setzte den Ball freistehend per Aufsetzer daneben (76.) und Liebermann köpfte einen Freistoß des unauffälligen Peter Iwosa nur ans Gebälk (86.). Der Rest war Hektik und mündete schließlich in großen Jubel auf Bramfelder Seite. „Seit dem 18. Spieltag warten wir darauf, alles selbst in der Hand zu haben. Jetzt ist es so weit. Wir waren heiß auf dieses Spiel und haben nun Blut geleckt“, freute sich Bramfelds Coach Michael Noffz, der den Sieg als „verdient“ ansah. „Wir haben einfach mehr investiert. Billstedt wollte wohl nur einen Punkt mitnehmen.“ Auf Seiten der Gäste hieß es Wunden lecken. Wahlweise sackten die Spieler auf den Rasen oder meckerten noch ein wenig mit Schiedsrichter Jan Hittig (Dennis Kreutzer: „Was nützt es mir, wenn wir nach dem Spiel reden können, wenn Du 90 Minuten nur Dünnsinn pfeifst?“). Heeschen war dann der erste, der nach vorne blickte: „Dann müssen wir eben jetzt die restlichen Spiele alle gewinnen. So ist das nun mal.“ In der Tat. Diese zwei Sätze können sich beide Teams für den Rest der Saison im Kampf um Platz eins zum Motto nehmen.
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