TSV Buchholz 08: H. Titze – Kettner, Bowmann, Gege, Grühn – Suyer, S. Titze (58. Tocha), Prielipp, Buzhala – de Boer (70. Siemes), Gillich Altona 93: Hinz – Ansorge, Sall, Savelsberg, Kappler – Clausen – Harms (81. Algan), Bugrov (85. von Wensierski) – Nadj – Bektas, Jurkschat (65. Hadid) Tore: 0:1 Grühn (20., Eigentor, Vorarbeit Nadj), 1:1 Gillich (60., Kettner), 2:1 Tocha (77., Kettner), 3:1 Suyer (89., Buzhala) Rote Karte: Savelsberg (29., Notbremse) Schiedsrichter: Björn Krüger (Eintracht Norderstedt): Hatte so manche knifflige Entscheidung zu treffen und lag dabei zumeist richtig. Ob er von seinen Assistenten immer gut beraten wurde, lässt sich nicht zweifelsfrei aufklären. Beste Spieler: Gillich, Kettner, Tocha – Nadj, Sall Zuschauer: 625
Wenn der Zweite auf den Dritten trifft, dann muss das wohl ein Spitzenspiel sein. Sagt man. Doch was dürfen wir davon heutzutage noch erwarten? Dem unersättlichen Fußballkonsumenten schallte nach solchen Begegnungen doch schon tausendfach die Analyse vom "vermeintlichen Spitzenspiel" entgegen, das "den Erwartungen nicht gerecht" wurde. Wir haben doch alle unserere einst frohe Erwartungshaltung vor solchen Partien mittlerweile zugunsten eines nüchternen Realitätssinns eingetauscht. Ist es nicht so, dass der Unterhaltungswert unserer geliebten 90-Minüter sinkt, je mehr auf dem Spiel steht? Wer glaubt, etwas vom Fußball zu verstehen, der assoziiert den Begriff Spitzenspiel mit einer gemächlichen Partie Rasenschach. Doch es gibt Ausnahmen von dieser öden Regel. 625 zahlende Zuschauer können es bezeugen: Obgleich in Buchholz zwei gut organisierte und ihre Abwehrreihen nicht vernachlässigenden Mannschaften die Klingen kreuzten, hatten die 08er und der AFC auch eine Menge für das Fußballherz zu bieten!
Die Gäste waren zunächst offensiv präsenter: Steffen Harms ließ Marian Grühn alt aussehen, fand für sein Zuspiel mit Onur Bektas jedoch nicht den kaltschnäuzigsten Abnehmer – Bektas schoss drüber (9.). Sieben Minuten später bereiteten Mario Jurkschat und Heiko Ansorge die nächste Gelegenheit gekonnt vor, doch erneut war nicht der passende Abnehmer zur Stelle. Der kleine Alexej Bugrov hat sich jedenfalls noch keinen Namen als Kopfballungeheuer gemacht – auch er zielte drüber. Dann zeigte Marian Grühn wie man es richtig macht – und machte genau damit alles falsch. Einen Freistoß von Tibor Nadj versenkte er mit dem Kopf per Eigentor zum 0:1 (20.). Doch keine zehn Minuten später hatte sich Altonas Führung relativiert. Nach Zuspiel von Steffen Prielipp war plötzlich Arne Gillich auf und davon, Jan Savelsberg wusste sich als letzter Mann nur noch mit einem Rempler zu helfen – eine klare Rote Karte! Keine Frage: Das war eine, wenn nicht die Schlüsselszene des Spiels. Gillich habe vor Savelsbergs Foul im Abseits gestanden, grimmten AFC-Trainer Thomas Seeliger und Heiko Ansorge nach Spielschluss, und auch der Gefoulte selbst wähnte sich im Abseits ("Ich kann es nicht genau sagen, aber ich glaube, es war eher Abseits", lautete Gillichs ehrliches Statement) – doch es nützte nichts, die Unterzahl war nunmal Fakt.
"Eigentlich ist es für uns kein Vorteil gegen zehn, weil sich der Gegner dann zurückzieht und es uns nicht liegt, das Spiel zu machen", traute Buchholz-Coach Titze dem Vorteil zunächst nicht so recht. Doch seine Roten hatten nun mehr vom Spiel und kamen zu Chancen: Zunächst durch einen direkten Freistoß von Arne Gillich, der knapp über das Gehäuse strich (31.), kurz vor der Pause mittels eines satten und platzierten Schusses von Nils de Boer, den Altonas derzeit wohl formstärkster Spieler, Oliver Hinz, klasse entschärfte (44.).
Auch nach der Pause legten die 08er sofort den Vorwärtsgang ein: Der manchmal herausragende (aber leider etwas zu oft abtauchende) Milaim Buzhala setzte mit einem seiner bisweilen unwiderstehlichen Flügelläufe ein erstes Zeichen nach Wiederbeginn (46.), Gillich mit einem Schuss, der auf der Latte landete (48.), ein zweites. Danach begann allerdings die stärkste Phase, die Altona in Unterzahl hatte. Die Ottensener standen gut, gewannen ihre Zweikämpfe, rückten vor und kamen zu Chancen: Nach Jurkschats Ecke verfehlte Abdou Salls Kopfball nur haarscharf das Tor (53.), bei den Schüssen von Tibor Nadj und Steffen Harms (beide 58.) war Henrik Titze zur Stelle. In derselben Minute zog Trainer Titze seinen besten Trumpf aus dem Ärmel: Mit dem unter Kniebeschwerden leidenden Karol Tocha bekam Lukas Kettner auf der rechten Seite kongeniale Verstärkung. Ihr brillantes Zusammenspiel riss den Abwehrverbund auf und fand in Gillich einen ebenso dankbaren wie kaltblütigen Abnehmer – und schon hieß es 1:1 (60.). "Der Trainer hatte in der Halbzeit von den Außenverteidigern gefordert, mehr Druck zu machen", so der aufblühende Lukas Kettner. Gesagt, getan: Auch das 2:1 war wieder einem von Kettners Vorstößen zu verdanken, wurde aber von Tochas anschließendem Sololauf traumhaft vollendet. Das waren zwei großartige Tore! Trotz vieler gut getretener Ecken von Gillich bewies Buchholz, dass es mehr ist als eine "Standard-AG".
Das 3:1 durch Hakan Suyer (89.), wunderbar in Szene gesetzt von Buzhala, zog dem tapfer kämpfenden und in Anbetracht der langen Unterzahl 90 Minuten sehr repektabel spielendem AFC endgültig den letzten Zahn. "Ich kann meiner Mannschaft nur ein Kompliment machen", resümierte der aus einem anderen Grund wütende Thomas Seeliger: "Vor der Roten Karte waren das zwei Meter Abseits. So ein Gespann kann man doch zu einem solchen Spiel nicht ansetzen, meine Jungs wurden um den Erfolg gebracht." Wie dem auch sei, aus dem Dreikampf an der Tabellenspitze war nun ein Zweikampf geworden: Buchholz ist nach dem Quasi-Halbfinale um den Titel die letzte Mannschaft, die Victoria alias Bayern München gefährlich werden kann. "Wenn man im Pokalfinale gegen die Bayern steht, will man ja auch gewinnen", wägte Thomas Titze die Möglichkeiten ab. "Es ist möglich, aber realistisch ist, dass wir da bleiben, wo wir sind. Wenn aber Vicky patzt, sind wir da", verspricht Titze alles zu tun, um die lange Erfolgsgeschichte im Jahr 2010 auch in den letzten vier Saisonspielen fortzuschreiben. "Es ist ja nicht verboten zu träumen", so Linksverteidiger Lukas Kettner in der Gewissheit, dass es in dieser Saison ohnehin kein böses Erwachen mehr geben kann.
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