Manche Trainer legen besonderen Wert auf die Defensive. Der Argentinier Helenio Herrera erfand in den 60ern als Coach von Inter Mailand den berühmten „Catenaccio“. Übungsleiter Huub Stevens prägte in den 90ern für seine erfolgreichen Schalker „Eurofighter“ den berühmten Satz „Die Null muss stehen“. Dogan Inam, seines Zeichens Trainer bei Hansa-Landesligist FC Türkiye, schluckte mit seinem Team in der letzten Saison 52 Gegentore. Als Vierter! Hinten musste also was im Sinne Herrera-Stevens passieren, aber der Gastgeber tat des Guten zu viel. Neueinkäufe – in Ordnung. Hinten erst mal sicher stehen – kein Thema. Aber warum mussten bei beiden Gehäusen Torpfosten und Latte auch noch dick mit organgenem Klebeband umwickelt werden? Auf dem zu allem Überfluss in dutzendfacher Ausführung das Wort „Gesperrt“ prangte?
Die Erklärung von Manager Klaus Klock beschränkte sich zwar auf Jugendspiele („Da wurden öfter die kleinen und die großen Tore verwechselt, sogar von den Schiedsrichtern. Daher haben wir die großen Tore gekennzeichnet.“), doch wie der kundig auf Vorzeichen getrimmte Amateurfußballfan schon erahnen konnte, nahmen sich auch beide Teams das Trefferverbot zu Herzen, deuteten es sogar über weite Strecken der Spielzeit in ein Torchancenverbot um. Sowohl den Gastgebern (u.a. Onur Yilmaz, Sven Wiechern, Marcel Klock) als auch den Gästen (u.a. Marcel Nächilla, Marcel Ullrich, Dennis Herzberg) fehlten dabei entscheidende Akteure in ihren Reihen, was die Macht des Klebebandes sicher noch verstärkte. Immerhin tauchte Jan Schönteichs Mannschaft in der elften Minute gefährlich vor Türkiyes Kasten auf. Torwart Muhedin Eminovic ließ einen eigentlich harmlosen Schuss fallen, Kay Jacobsen gelang der Abstauber nicht und Marcel von Hacht beförderte den zu ihm springenden Ball staubaufwirbelnd – es wurde auf Grand gespielt, denn der Rasen war ebenso gesperrt wie die Tore – per Fallrückzieher über den Kasten. Türkiye konterte mit einem knapp verzogenen Freistoß von Arafat Akyil (13.) und kurz vor der Pause verstolperte Onur Tüysüz frei vor Jan-Christian Junker einen Pass von David Berwecke (45.).
Das war es schon, und die jeweils im identischen 4-4-2 agierenden Kontrahenten machten es auch nach der Pause nicht wesentlich besser. Die Vierländer hatten nun den Wind auf ihrer Seite und wendeten das in Hälfte eins untaugliche Mittel der langen Bälle nun hoffnungsfroher an. Die Ansätze wurden besser, aber so richtig in Position kamen ihre Stürmer nicht. Türkiye zeigte ebenfalls wenig Strukturiertes und so musste für die nächste Chance eine Einzelaktion herhalten. Kadin Yildiz übersprintete die linke Abwehrseite des SCVM, brachte dann allerdings nur ein Schüsschen zustande (53). Christian Cebullas Versuch war da schon kräftiger, traf aber nur die Fäuste Eminovics (72.). Die beste Möglichkeit ergab sich für Türkiyes Nazif Abazi, doch so frei wie er nach Pass von Fatih Göktas (Spitzname „Gattuso“) am Fünfer stand, so kläglich rutschte ihm der Ball über den Spann (76.).
Daher war das Nachspiel deutlich freudiger als die Partie. Türkiyes Manager Klaus Klock freute sich auf die heute noch zu führenden „Verhandlungen mit Apeneleke Dossou vom Meiendorfer SV. Wir möchten ihn zu uns holen“. Türkiyes Trainer Inam freute sich „über meine Defensive. Sie hat heute sehr gut gespielt.“ Dem schloss sich SCVM-Coach Schönteich für seine Mannschaft an, wenngleich er auch ein wenig der verpassten Chance hinterher trauerte: „Mit dem Punkt können wir leben. Aber wir hatten Türkiye in der 60. Minute da, wo wir sie haben wollten. Ein 0:0 zu diesem Zeitpunkt hätte ich vorher unterschrieben. Der Akku bei Ihnen wurde dann leerer. Wir waren leider nicht zwingend genug, um das zu nutzen, sonst wäre sogar mehr für uns möglich gewesen.“
Das können seine Mannen nächste Woche nachholen. Mit dem TuS Hamburg kommt das aktuelle Scheunentor der Liga zu Besuch. Die Chancen stehen günstig, dass die drei Punkte an der Sportanlage Fünfhausen kleben bleiben.
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