09.08.2010 Rückblick: Die Relativität der Zeit in Schnelsener Dimension von
Zeit! Was für ein Thema! Über die Zeit als solche, da lässt sich wunderbar reden, diskutieren. Ganze Philosophie-Seminare widmen sich bestimmt ein oder mehrere Semester nur diesen vier Buchstaben. Ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber jedem das Seine. Die wenigsten Leute haben Zeit, sind immer auf dem Sprung. Sie läuft einem halt davon. Und wenn man über 30 ist, hat man zudem das Gefühl, dass die Zeit so ein wenig gegen einen arbeitet. Man war auch schon mal schneller und irgendwie war der Bauchumfang… ach, lassen wir das. Sonst kriegt man noch mehr graue Haare mit der Zeit. Wie sie sehen, gibt es ebenso genügend Redewendungen, die sich mit der Zeit beschäftigen. Gut, kommen wir zum eigentlichen Sachverhalt, wird ja auch langsam Zeit. Eine gewisse Zeitspanne ist als relativ anzusehen. Nehmen wir die Zeitspanne von circa 445 Tagen, dann ist das für den Planeten Erde ein Wimpernschlag. Die gute Mutter Erde gibt es ja etwas länger und da sind 445 Tage nun wirklich nicht der Rede wert. Aus der Sicht eines Kindes sind 445 Tage eine unvorstellbare Dauer, nicht wirklich zu kapieren. Im Bereich des Fußballs ist dieser Intervall ebenfalls unglaublich lange. Der Fußball als solches gilt als schnelllebig und somit gehören 445 Tage in die Kategorie „Lichtjahre entfernt“.
Wir schauen einfach mal 445, pardon, 446 Tage zurück. Es ist der 10. Mai 2009 und wir haben den Muttertag. Die Blumengeschäfte freuen sich wie Bolle, müssen bzw. wollen doch viele Söhne und Töchter ihrer lieben Mama etwas Gutes tun. Im Norden ist es sonnig, so bis 23 Grad sollen es werden. Die Grünen beraten auf ihrem Parteitag, ob ein Jamaika-Bündnis eine Alternative wäre. Denn die Grünen mussten sich schon überlegen, wie es weitergehen soll. Vor der Bundestagswahl schienen die CDU und die FDP nicht mehr aufzuhalten. Die große Koalition lief mehr schleppend als gut und war das Schlimmste, was sich der Otto-Normalverbraucher als Regierung so vorstellen konnte. Schwarz-gelb war schon am Horizont zu vernehmen, es konnte ja nur besser werden. Endlich keine Streitereien mehr in der Koalition. Lena Meyer-Landrut wird sich wohl an ein Referat oder an ihre Hausaufgaben gesetzt haben, denn bis auf ein paar Schüler, die Lehrer und die Verwandten kannte damals noch niemand „Lena“. Michael Jackson plante weiterhin sein Comeback und seine letzte Tour. „This is it“, hatte er im März versprochen und die ganze Welt war gespannt, wie der Megastar nach etlichen Jahren wieder auf der Bühne agieren würde. Einen Tag vor dem 10. Mai kam ein gewisser Thomas Müller für fünf Minuten auf das Spielfeld, als er in Cottbus den großen Franck Ribery ablöste. Wie man das halt so macht, wenn es 3:1 steht, dann bringt Bayern-Trainer Jupp Heynckes Amateure, um die Stars zu schonen. Der Müller wird sich wohl damals gedacht haben, dass das alles sehr schnell vorbei sein wird, bevor es eigentlich losgeht mit der eventuellen Profi-Karriere. Bei Bayern durchstarten? Als Amateur? Undenkbar! Luca Toni ist ja da und Gomez soll kommen, Olic ebenfalls. Geh halt wieder mit Holger zu der Zweiten und lass mich irgendwann vielleicht ausleihen. Einen Tag später machten sich die Werderaner mit einem großen Papierknüddel über die armen Hamburger lustig und schlugen den HSV 2:0. Trainer damals beim HSV? Stevens, nee Doll, ach ja Jol! Der bleibt bestimmt. Meister wurde übrigens Wolfsburg. In der Oberliga Hamburg erwischte es rein rechnerisch den SC Egenbüttel, der Aufsteiger musste sofort wieder absteigen. Vorwärts-Wacker Billstedt verlor am Muttertag daheim gegen Halstenbek-Rellingen, wodurch die Billstedter auch quasi den Abflug machten. Übrigens verlor Germania Schnelsen in der Landesliga Hammonia gegen den SV Eidelstedt knapp mit 2:3. Nichts Besonderes, denn Schnelsen verlor damals acht der 30 Ligaspiele. Kann halt mal passieren!
Aber seitdem, 445 Tage lang, verlor Germania Schnelsen nicht mehr. Zumindest wenn es um Punkte in der Landesliga oder am ersten Spieltag in der Oberliga ging. 445 Tage sind eine verdammt lange Zeit. 445 Tage keine allzu deprimierte Gesichter beim ersten Training in der Woche. 445 Tage kaum hängende Köpfe in der Kabine. 445 Tage kaum Gedanken daran, was man doch noch Positives nach einem verlorenen Spiel sagen könnte. 445 Tage einfach kein Spiel verloren. Eine Serie, die im höheren Amateurfußball zwar nicht absolut einzigartig ist, aber dennoch mehr als Respekt verdient. Und nun erwischte es die Schnelsener dann doch. Sehr überraschend wird es nicht gewesen sein, denn kaum einer wird vermutet haben, dass es wieder eine gesamte Spielzeit ohne Pleite geben wird. Zumal eine Niederlage bei dem Favoriten St. Pauli jetzt nichts absolut Schlimmes darstellt. Jedoch wird es für viele in Schnelsen ein komisches Gefühl heute sein. Der Tag danach. Für viele war es die erste Nacht nach einer verlorenen Partie im Schnelsen-Trikot. Also nicht die Nacht im Schnelsen-Trikot, sondern… sie wissen schon. Bei der Zwoten der Braunhosen wurden dem Aufsteiger die Grenzen aufgezeigt. Am Ende waren sie froh gewesen, dass es nur drei Gegentore waren. Es hätte schlimmer kommen können. Das könnte einerseits bedeuten, also so auf das Gesamte bezogen, dass die Schnelsener mit diesem Kader womöglich ganz oben nicht mitmischen werden. Andererseits darf dieses 3:0 schon als Statement der St. Paulianer gewertet werden. Denn völlig in Butter wird bei der Großkopf-Truppe auch noch nicht alles sein. Das Potenzial, welches in der Mannschaft steckt, dürfte schon so manchem Oberligisten Tage vor dem Aufeinandertreffen vor unlösbare Probleme stellen. Der Fehdehandschuh in Richtung Victoria wurde eindrucksvoll geworfen.
Es war ein Spieltag in der Oberliga, der so manches vom ersten Spieltag wieder gerade gerückt hat. Anders ausgedrückt, so richtig schlau ist der beobachtende Interessierte noch nicht geworden. Da trumpfen letzte Woche die Curslacker im Derby in Bergedorf eindrucksvoll auf, um dann ein paar Tage später im Pokal mit jeder Menge Pauken und ganz vielen Trompeten und einem 1:5 gegen ebenjene Elstern wieder rauszufliegen. Noch ein paar Tage später wurden die Curslacker ebenfalls in der Liga daheim kalt erwischt. Zwar nicht so deftig wie gegen 85, aber das späte 1:2 durch den Buchholzer Gillich tat bestimmt genauso weh. Nicht dass man jetzt wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist, denn den wird niemand in Curslack nach einem Sieg verlassen haben. Dennoch, Ernüchterung dürfte eine treffende Vokabel für CN-Tagebuch sein. Im Gegenzug dazu, dürften sich die Mienen der Buchholzer aufgehellt haben, was vor allem daran lag, dass einige Leistungsträger wieder an Bord waren.
Auch die Meiendorfer haben den ersten Schock in dieser noch so jungen Spielzeit verarbeiten können. Obwohl sie in Barmbek nun wirklich nicht vollends überzeugen konnten. Gerade im ersten Durchgang lief es beim MSV nicht wesentlich mehr als bei der 2:3-Heimpleite gegen Bramfeld zum Saisonauftakt. Ob die Meiendorfer gegen elf Barmbeker, Leinroth hatte sich nach gut 20 Minuten vom Spielgeschehen nach dem erfolgreichen Sammeln von zwei gelben Karten verabschiedet, genauso für die Wende gesorgt hätten, dürfte eine Frage für die große, weite Welt der Hypothese sein. Vielleicht ja, vielleicht nein. Wir werden es nicht herausbekommen. Wie gut oder wie schlecht die Jungs von der B75 in diesem Jahr sind, lässt sich ebenfalls noch nicht ausmachen. Wir sind halt noch nicht richtig schlauer.
Dies trifft genauso für die Niendorfer zu. Hätten sie letzte Woche das Tempo der ersten 20 Minuten in Buchholz länger durchhalten können, dann wären die Nordheider mit einem Debakel gestartet. So fix, so flüssig lief der Ball in den Reihen. Die beiden Spitzen Pedroso-Bussu und Dönmez wurden klasse in Szene gesetzt und sie sind sowieso jeder für sich ein Gefahrenherd mit explosiver Wirkung für jede Abwehr der Liga. Die restlichen 70 Minuten verwaltete Niendorf aber das 2:0 mit einer passiven Mentalität, sodass Trainer Carrel Segner schon Schlimmes für die kommende Aufgabe ahnte. Er wusste wohl, dass es für seine durchaus begabten Schützlinge mit der Zeit (da haben wir sie wieder) schwerer werden würde, je länger es keine eigene Führung geben würde. Dieses Geschenk, welches sich eine Mannschaft gerne selber machen sollte, kam allerdings nicht und so dachten sich die Aufsteiger aus Rugenbergen, dass man den Niendorfer deren Heimauftakt doch auch voll und ganz versauen könne, wenn man schon mal da ist am Sachsenweg. Dies geschah dann in der zweiten Halbzeit und die Niendorfer werden sich bestimmt nicht mit vielen Mannschaften die „In-Buchholz-gewinnen-um-dann-aber-gleich-danach-gegen-Rugenbergen-daheim-zu-verlieren“-Gedächtnismedaille teilen müssen. Ein Kompliment sei jedoch nach Rugenbergen geschickt. Eine durchaus achtbare Partie gegen Paloma, danach ein Dreier in Niendorf. Das sind genau die Punkte, die ein Aufsteiger braucht, um schnell zu merken, dass man in der Staffel gegen fast alle Teams mithalten kann.
Klare Tendenzen sind nicht abzusehen. Nach zwei Spieltagen natürlich schwierig, aber ein kurzer Blick in die Landesliga Hammonia, wo Holstein Quickborn mit null Punkten und 1:14-Toren nicht gerade einen Traumstart erwischt hat (gilt auch für Blankenese oder TuS Hamburg in der Hansa), zeigt, dass dies durchaus möglich ist. Die Norderstedter und die Wedeler werden sich ihren Einstand sicherlich anders vorgestellt haben. Das 1:2 gegen St. Pauli war zum Auftakt aller Ehren wert, aber das folgende 2:5 in Oststeinbek dürfte für einige Sorgenfalten auf dem Antlitz von Trainer Andreas Prohn gesorgt haben. Die Anzahl der individuellen Fehler ist nicht gerade beruhigend und die Anzahl der Gegentore in der letzten Viertelstunde in den ersten beiden Spielen – zusammen nämlich vier (!) – besitzt durchaus alarmierenden Charakter. Zumal Oststeinbek nun kein Gegner ist, der die gesamte Liga in Angst und Schrecken versetzen wird. Trotzdem nicht schlecht, OSV! Nach der etwas zu hohen 0:4-Klatsche gegen Altona reagierte der letztjährige Aufsteiger angenehm und dürfte sich vor allem selber bewiesen haben, dass die Qualität reichen könnte. Wie das in Wedel so mit der Qualität ist, darf noch nicht abschließend bewertet werden. Ist noch zu früh! Drei Spiele, drei Niederlagen, kein einziges Tor, wenig Torgefahr jetzt gegen Paloma. Wo könnte der Schuh eventuell drücken? Es läuft nicht rund in Wedel, es läuft ziemlich holprig und eckig. Dass beim 0:3 beim gut gestarteten Paloma nicht nur der Fußball im Mittelpunkt stand, lag an der bisher wohl unschönsten Szene dieser Spielzeit. Dem „Zweikampf“ von Palomas Gregori und Wedels Bayram wird wohl noch so einiges folgen. Eine Anzeige eines Vaters gibt es auch nicht jeden Tag in der Oberliga.
Der Rest? Konnte sich nicht entscheiden. Es gab drei 1:1-Unentschieden an diesem Wochenende, wobei das 1:1 zwischen Bramfeld und Bergedorf nicht ganz so spektakulär war wie die beiden anderen. Bramfeld beweist bisher ebenso wie Rugenbergen (und eigentlich auch Schnelsen), dass man kein Egenbüttel oder GW Harburg sein will. Der Aufsteiger von der Ellernreihe konnte den Rückstand gegen die Elstern, auch erst einen Punkt bis dato, noch egalisieren und darf sich auf die nächste Herausforderung in Buchholz freuen. Bei Concordia gegen Condor müssen sich die Concorden schon die Frage gefallen lassen, warum sie die Überzahlsituation von zwei Mann in der letzten Viertelstunde nicht zum Sieg gegen keineswegs bärenstarke, passt irgendwie nicht, raubvogelstarke Condoraner ausnutzten. Es scheint nicht leichter zu werden in dieser Saison für die Marienthaler. Und leicht war es nun wirklich nicht in der Saison 09/10. Dass die Condoraner absolut zufrieden sind mit dem Start, dürfte einer Lüge gleichkommen. Zwei Punkteteilungen gegen BU und Cordi sind nicht schlimm, sind allerdings auch nicht der Ausbruch von unsagbarer Stärke.
Noch mehr los war beim Treffen der großen Namen des Hamburger Amateurfußballs. SC Victoria gegen Altona 93, das hat was vom Zusammenkommen des Hochadels. Dass sich mit Hans-Günter Bruns sogar der Trainer der Rot-Weißen aus Oberhausen blicken ließ, um den kommenden Gegner im DFB-Pokal unter die Lupe zu nehmen, dürfte für Bert Ehm kein so gutes Zeichen sein. Denn gegen Profis ist nur dann eine Sensation möglich, wenn die einen unterschätzen. Ein Indiz für das mögliche Unterschätzen ist der Besuch des alten Gladbacher Liberos vorerst nicht. Herr B. aus O. wird sein Kommen wohl nicht bereut haben, denn er wurde Zeuge, dass es nicht unbedingt den Profistatus bedarf, um ein hitziges Duell beobachten zu dürfen. Früh verschoss Victoria einen Elfmeter, der sie, bei positivem Ausgang, womöglich auf die Siegerstraße gebracht hätte. Altona muss sich vorwerfen lassen, die Führung, die nach einer halben Stunde durch Leuthold erzielt wurde, nicht besser verwaltet oder ausgebaut zu haben. Victoria kam noch zu einem weiteren (fragwürdigen) Elfmeter, der dieses Mal artgerecht verwandelt wurde. Somit findet sich Victoria in der Verfolgerrolle wieder, was sich ja nicht am kommenden Wochenende ändern wird, da der Meister auf Premiere, ach die heißen ja seit geraumer Zeit Sky, live zu sehen sein wird. Mal was Neues im Staate Hoheluft. Wurde ja auch mal Zeit!
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