15.08.2010 DFB-Pokal: Hamburg ist Gelb und Blau! von Henrik Diekert
präsentiert:
SV Victoria – Rot-Weiß Oberhausen 1:0 (1:0)
SC Victoria: Ludewig – Theißen, Bajramovic, Asante, Kim (68. Pomorin) – Trimborn, Stilz – Vierig (71. Schulz), Lauer – Rahn – Hamurcu (84. Geist) Rot-Weiß Oberhausen: Loboué - Pappas (66. Landers), Reichert, Miletic, Hergesell (71. Celik) – Gordon, Kaya (76. Schönfeld) – Petersch, Krontiris – König, Lamidi Tore: 1:0 Rahn (29.) Schiedsrichter: Bastian Dankert (Rostock): Der Drittliga-Schiri und seine Assistenten machten in der ersten Halbzeit zwar nicht alles richtig, aber auch keine großen Fehler. Später tadellos. Hamburgs größte Helden: Ludewig, Asante, Bajramovic, Kim, Trimborn, Vierig, Lauer, Rahn Zuschauer: 2000
Die Musiker der Gruppe PSP Helitrop 2.0, die früher regelmäßig bei Spielen des SC Victoria auftraten, haben nach dem 1:1 gegen Altona 93 eine neue Vereinshymne geschrieben und diese pünktlich zum größten Spiel seit dem Pokalduell mit Nürnberg 2007 eingesungen und abgeschickt. Rund 45 Minuten vor dem Kracher gegen Rot-Weiß Oberhausen dröhnte das Stück mit dem Titel „Hamburg ist Gelb und Blau“ aus den Lautsprechern an der Hoheluft. Dass dies das Motto für den größten Sieg einer Hamburger Amateur-Mannschaft seit langer, langer Zeit sein sollte, wagte da noch keiner zu hoffen.
Denn als Bastian Dankert aus Rostock die Partie um 16.18 abpfiff, stand es immer noch eins zu null für Vicky. Die Sensation, das Wunder von der Hoheluft, war perfekt!
Vor den Augen von rund 2000 Zuschauern, darunter so illustre Gäste wie Corny Littmann, Helmut Schulte und, zur Freude aller, dem schwerkranken Clubwirt Walter Frosch, kam der Hamburger Meister tatsächlich besser in die Partie als der Zweitligist. Nach einer Ecke von Roger Stilz parierte RWO-Keeper Stephan Loboué, einer der besten Torleute in der zweiten Bundesliga, einen Schuss von Stephan Rahn (3.). Anschließend übernahmen die Profis wie erwartet das Kommando, aber die Defensive der Gastgeber kämpfte leidenschaftlich um jeden Ball und konnte nahezu alle Angriffe abwehren. Wenn ein Verteidiger zu langsam war, kamen sofort zwei dazu und halfen aus, Victoria zelebrierte mannschaftliche Geschlossenheit par excellence. Nur zwei Mal in den ersten dreißig Minuten brannte es wirklich vor dem Tor von Florian Ludewig, aber Markus Kaya traf nur den Pfosten (13.), Moses Lamidi köpfte knapp vorbei (28.).
Im Gegenzug, um 14.59, wurde Stephan Rahn gut zwanzig Meter vor dem Tor in halbrechter Position gefoult. Er schoss den Freistoß selbst, und obwohl Loboué noch mit den Fingerspitzen am Ball war, schlug es hinter ihm ein. Vicky führte. „Das wichtigste Tor meiner Karriere, ich kann noch gar nicht fassen, wie geil das ist“, strahlte „Rahner“ nach dem Spiel.
Zumal der Stürmer in der 32. Minute noch eine gefährliche Flanke in den Strafraum schlug, die Jan Vierig aber verpasste, und nach 41. Minuten selbst über das Tor schoss. Stattdessen spielte sich Florian Ludewig immer mehr in den Vordergrund. Lange war er nur die Nummer zwei hinter Dennis Wolf gewesen, erst Samstag-Abend entschied Bert Ehm ihm eine Chance zu geben. Er zahlte es mit gigantischen Paraden zurück, zum Beispiel bei einem Distanzschuss durch Lamidi (33.) und einem Kopfball von Marinko Miletic (45.). „Beide hätten es verdient gehabt aufzulaufen, Bert hat gestern Abend angerufen und ja alles richtig gemacht. Es war eines meiner besten Spiele. Ich habe ein sehr schweres Jahr hinter mir und hoffe, heute eine Duftmarke gesetzt zu haben. Aber bei Bert weiß man ja nie“, sagte der Keeper später schmunzelnd. Bezeichnend dafür, das durch den Torwart-Wechsel keine schlechte Stimmung aufkam: Nach dem Abpfiff rannte Wolf direkt auf Ludewig zu, sprang ihm in die Arme. Später war er es, der Bert Ehm mit einer Bierdusche überraschte. „Ich könnte ja beinahe Dennis´ Vater sein. Es hat mich sehr gefreut, als er zu mir kam. Auf dieser Ebene ist es besonders wichtig, das man als Einheit auftritt“, so Ludewig.
Auch im zweiten Durchgang bekam Victorias Torhüter diverse Möglichkeiten, sich auszuzeichnen. Einen Kopfball von Ronny König lenkte er so eben noch an die Latte (75.). Daniel Gordon köpfte außerdem vorbei (53.), Oliver Petersch traf den Pfosten (55.). Ab der 83. Minute brüllte Victorias Fanclub „Nordkaos“ die Mannschaft im Wechsel mit der Haupttribüne nach vorne, in der 89. Minute blieb ihnen allen der Jubel noch einmal im Hals stecken, als Rahn nach einem Konter freistehend vor dem Tor über den Ball trat. Danach war grenzenlose Freude angesagt.
Bert Ehm bilanzierte nach dem Abpfiff: „Wir haben unsere zehnprozentige Chance zu einhundert Prozent genutzt, kämpferisch haben die Jungs alles geboten und dann kam noch das nötige Glück dazu. Das Tor war ein echter Rahn, so hat er uns schon viele Punkte geholt.“ Ob der Sieg, der noch einmal mindestens 250.000 Euro in die Kassen spült, die Chancen auf einen möglichen Regionalliga-Aufstieg erhöht ist offen. „Nordkaos“ gab dem Deutschen Fußball Bund mit einem Plakat in der Halbzeit aber schon mal die Richtung für den Bundestag im Herbst vor: „Aufwachen DFB – Pro Regionalligareform“ war da zu lesen.
„Herzlichen Glückwunsch an Victoria, die haben aufopferungsvoll gespielt. Wir hatten zwar sehr viele Chancen, aber ich habe schon zur Pause gesagt, dass der Torwart jetzt das Spiel seines Lebens macht. Hut ab, uns haben einfach Biss und Konzentration gefehlt“, sagte RWO-Coach Hans-Günter Bruns nach dem Ausscheiden seiner Elf.
Über den Wunschgegner in der zweiten Pokalrunde gab es nach dem Spiel geteilte Meinungen. Während Florian Ludewig auf ein Duell mit Werder Bremen hofft, ist Jan Lauer für ein Spiel gegen den FC Bayern: „Ich bin mein Leben lang Bayern-Fan, wehe wir kriegen die nicht.“ „Jetzt haben wir einen Großen verdient, die mannschaftliche Geschlossenheit und unser Glaube nach der Führung, haben uns stark gemacht. Und spontane Feiern sind die schönsten“, hofft auch Roger Stilz auf ein gutes Los.
Den Satz des Tages sagte aber der HFV-Spielausschuss-Vorsitzende Joachim Dipner. Als er hinter Bert Ehm, der heute Abend mit einigen Spielern im NDR-Sportclub zu Gast sein wird, die Treppe im Vereinsheim hinabstieg, rief er ihm zu: „Ich wusste das, als ich Dich vor neun Jahren verpflichtet habe“, er sprach vielen aus der Seele.
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