29.08.2010 Bergedorf punktet bei der Eis-Party von Henrik Diekert
FC Bergedorf 85 – FC St. Pauli II 2:2 (0:0)
FC Bergedorf 85: Braun – Pettersson, Sobczyk, Oduro-Opuni, Carolus – Rohrberg – Landau (82. Goldgraebe), Gürel – De la Cuesta, Iscan – Örün (74. Kunath) FC St. Pauli II: Springer – Volz, Eger, Wacker, Krause – Filipovic, Daube, Toksöz (46. Meyer), Alassani – Becken (73. Kurczynski) - Pichinot Tore: 0:1 Oduro-Oponi (47., Eigentor), 0:2 Pichinot (52.), 1:2 Pettersson (88.), 2:2 Rohrberg (89.) Schiedsrichter: Sven Ehlert (Groß Flottbek): Trotz kleinerer Fehler eine sehr solide Leistung. Beste Spieler: Rohrberg – Wacker, Alassani Zuschauer: 754
Als im Frühjahr die Nachricht umging, Bergedorf 85 habe den Stadionnamen der Sander Tannen an den Eis-Hersteller Langnese verkauft, hielten das große Teile der Liga und des Umfelds für einen Scherz. An diesem Sonntag, 29.8.2010, öffnete nun tatsächlich das erste Hamburger Oberliga-Stadion mit einem Sponsoren-Namen seine Pforten, ausgerechnet gegen die zweite Mannschaft des FC Sankt Pauli. Welch Ironie.
In Zukunft wird kaum ein Bergedorfer Heimspieltag vergehen, an dem nicht irgendwo, irgendein Medienvertreter mit dem Wort „Eis“ seinen Schabernack treibt. „Das Eis war gelutscht“, „aufs Glatteis geführt“, „gespielt wie Ed von Schleck“, „die Aktion hatte so viel Stil wie ein Cornetto-Eis“, „das Eis war gebrochen“ und so weiter und so fort. Auch in diesem Text wird Ihnen an späterer Stelle eine Langnese-Metapher begegnen. Darauf müssen sich also alle passiven Beobachter der Elstern einstellen, was aber haben die von dem Deal? „Der Vertrag geht über fünf Jahre, in dieser Zeit deckt die Zusammenarbeit den Etat des Vereins“, erklärte Vizepräsident Andreas Hammer. Hammer arbeitet für den Unilever-Konzern, zu dem auch Langnese gehört, und brachte den Deal ins Rollen. Zur Eröffnung der neuen Arena gab es Gratis-Eis für jeden zahlenden Zuschauer, eine Tombola und eine Bergedorfer Band, die vor, zwischen, und nach den beiden Spielhälften auftrat. Die Langnese-Schirme die rund um den Rasen aufgestellt waren, hielten den zwischenzeitlich heftigen Regen im Übrigen besser ab als so manches Dach.
754 Zuschauer kamen trotz mäßigen Wetters dann auch tatsächlich zum Spiel, die meisten dürften das ob des dramatischen Verlaufs der Partie nicht bereut haben. Alle anderen hatten ja immerhin ein Eis bekommen.
In der ersten Halbzeit mussten sich beide Mannschaften an den neuen Rasen gewöhnen, Torraumszenen waren absolute Mangelware. Sankt Pauli suchte das Heil vor allem in Distanzschüssen. Ex-Elster Deran Toksöz aus 20-Metern (6., gehalten), Dennis Daube aus 25 (19., vorbei) und die ehemalige Jung-Elster Fousseni Alassani nach einem gewonnen Zweikampf mit Bekim Carolus wieder aus 20 Metern (21., gehalten) scheiterten mit eher harmlosen Versuchen. Die beste Möglichkeit im ersten Durchgang vergab Dennis Daube, der einen Freistoß aus schwierigem Winkel aufs Tor schoss. 85-Keeper Tobias Braun war aber mit den Fäusten zur Stelle (38.). Kurz vor der Halbzeit dann beinahe die überraschende Führung für die Gastgeber: Fatih Gürel ließ Marlon Krause auf der linken Seite des 16ners aussteigen, zirkelte das Leder aber über das kurze Eck (41.).
Jörn Großkopf schien in der Halbzeit die richtigen Worte gefunden zu haben, die Kiezkicker legten nach Wiederanpfiff los wie die Feuerwehr. Alassani schoss aus kurzer Distanz, Braun parierte großartig. Doch der Ball sprang Verteidiger Oduro-Oponi vor das Knie und kullerte zurück ins Tor. 0:1. Nur drei Minuten später: Sascha de la Cuesta zieht aus der Distanz ab, Ole Springer rutscht der nasse Ball durch die Finger und die Fans der Elstern haben schon den Torjubel auf den Lippen. Doch der Keeper fischt den Ball noch von der Linie, bringt ihn schnell wieder ins Spiel. Auf der rechten Seite schickt Krause Nils Pichinot, der allein auf Bergedorfs Kasten zu rennt und das zweite Tor für Braun und Weiß erzielt. Ein perfektes Geburtstaggeschenk für ihn und seinen Trainer, die beide ihr Wiegenfest begehen.
Danach, Achtung jetzt kommts, war Bergedorfs Gegenwehr like ice in the sunshine – ziemlich geschmolzen. Petar Filipovic schoss nach kluger Freistoßvariante mit Alassani vorbei (63.), Nils Pichinot zielte zwei Mal daneben, nach dem er mutterseelenallein auf das Tor zugelaufen war (75., 85. Nach tödlichen Pässen von Alassani und Marcel Meyer).
Manfred Nitschke reagierte in der 74. Minute, wechselte Yayar Kunath ein. Der gewann plötzlich beinahe jeden Zweikampf im Angriff und sorgte für Riesen Alarm vorm Pauli-Tor. Erst hielt Springer seinen Versuch (76.), dann legte er quer auf De la Cuesta, der in Mr. Bean-Manier über das leere Tor schoss (78.).
Dann das große Drama in den letzten zwei Minuten: 88.: Springer hält einen Kopfball von Kunath Weltklasse, doch Pettersson haut den Nachschuss in die Maschen. 1:2. 89.: Bekim Carolus flankt von links in die rechte Strafraumhälfte, wo Jurek Rohrberg goldrichtig steht und den Ausgleich erzielt. „Nach dem Gegentor waren die unsicher, wir haben immer dran geglaubt. Nach einem Punkt gegen das beste Team der Liga, wissen wir wo wir stehen“, freute sich Bergedorfs Sechser nach dem Abpfiff.
„In der Kabine saßen die Jungs als hätten wir das Spiel verloren. Wer dachte wir gewinnen alles in dieser Liga, der hat sich geschnitten. Aber sie sind jung und dürfen Fehler machen“, sagte Pauli-Coach Großkopf nach dem ersten Punktverlust der Saison, ausgerechnet an seinem Ehrentag. Das andere Geburtstagskind, Nils Pichinot, war untröstlich: „Es ist ein bescheuertes Gefühl, natürlich denkt man darüber nach die Dinger nicht gemacht zu haben. Aber ich gebe mir nicht allein die Schuld, die ganze Mannschaft muss das packen.“
Nicht untröstlich, aber auch überhaupt nicht glücklich mit dem Auftritt seiner Elf, zeigte sich Manfred Nitschke, der sich aber immerhin über den Punkt freuen konnte: „Wir waren eigentlich geschlagen, dann fiel mehr oder weniger aus dem Nichts das Tor. Ein ausgesprochen glücklicher Punkt, ich hoffe aber, dass das Glück damit nicht für diese Runde aufgebraucht ist.“
Die interessanteste Personalie auf dem Platz war ohne Frage Sankt Paulis linker Verteidiger, Moritz Volz. 194 Profi-Spiele hat der in England gemacht, dabei in 145 Einsätzen für den FC Fulham sechs Tore erzielt, unter Anderem gegen den FC Chelsea getroffen. Für die Deutsche U21-Nationalmannschaft ist der Verteidiger 20 Mal aufgelaufen, wurde 2004 von Jürgen Klinsmann für ein Länderspiel nominiert aber nicht eingewechselt.
Nun gab Volz sein Deutschland-Debüt an den Sander Tannen, und das hatte er sich offensichtlich nicht so vorgestellt. Nach dem Spiel verschwand der gebürtige Siegener ohne ein Wort in der Kabine, lehnte es ab mit der Presse zu reden. Das tat dafür Jörn Großkopf: „Moritz hat heute das erste Mal überhaupt Kontakt mit der Amateur-Mannschaft gehabt und musste sich erst mal daran gewöhnen. In der zweiten Halbzeit hat er seine Sache sehr gut gemacht.“
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