04.10.2010 Rückblick: Das wunderschöne Antlitz der Barmbeker von
Wollen wir uns etwas vormachen? Wollen wir die Augen davor schließen, was uns in den nächsten Wochen und Monaten erwartet? Wir sollten realistisch in die Zukunft schauen und die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit ziehen. Es sieht zwar nicht gut aus, aber wir sollten das Beste aus dieser verfahrenen Situation machen.
Was sich anhört, wie eine Erklärung einer Partei nach einer verlorenen Wahl oder wie die Worte eines niederländischen Trainers einer süddeutschen Fußballmannschaft, sind in Wirklichkeit die Gedanken eines derzeit eher passiven Beobachters der Oberliga Hamburg. Nein, nicht falsch verstehen, das Produkt als solches, macht ja durchaus Spaß und hatte jede Menge unglaublicher Spiele zu bieten, verrückte Ergebnisse waren keine Seltenheit, sondern eher an der Tagesordnung. Alles super, alles toll, alles aufregend. Nur leider hat die Sache einen Haken. Die Meisterschaft ist entschieden. Da passiert nichts mehr, aus und vorbei. Schicht im Schacht! Eierabend, Feierabend. Oder wie sie es auch immer ausdrücken möchten.
Dieser Spieltag hat es allen verdeutlicht, die die Augen vor dieser Wahrheit verschlossen haben. Die durchaus soliden besser auftretenden Palomaten fuhren zum Tabellenführer St. Pauli II und fuhren mit einem 0:5 wieder nach Hause. Bisher haben die Braun-Weißen 36 Tore in zehn Spielen geschossen, sechsunddreißig (!). Neun Siege konnte die Großkopf-Truppe bisher einfahren. Dass das mit der perfekten Statistik nicht geklappt hat, lag an zwei sehr späten Missverständnissen in Bergedorf, die aus einer 2:0-Führung nur ein 2:2-Unentschieden werden ließ. Es gibt Schlimmeres, wenn man mit elf Zählern die Oberliga nach Belieben beherrscht. Viel wichtiger ist die Zahl 13. Nicht die wilde 13 oder irgendeine abergläubische Verbindung mit dieser Ziffernfolge, der Abstand zwischen St. Pauli II und dem eigentlich schärfsten Konkurrenten Victoria bemisst sich auf dreizehn Punkte. Das ist die Entscheidung um die Titel und das passiert Anfang Oktober nach gerade zehn absolvierten Begegnungen. Und somit kommen einem auch etwas düstere Gedanken, wenn man diese auf die kommenden Spieltage lenkt. Spannung bezüglich des Platzes an der Sonne wird nicht mehr auftreten. Wir sollten uns damit abfinden. So schwer es einem auch fällt.
Dabei hat diese Dominanz der St. Paulianer einerseits natürlich mit der Klasse der Großkopferten zu tun, aber auf der anderen Seite gibt es eben auch die Schwäche der Victorianer. Am Freitag führte die SC beim Oststeinbeker SV mit 1:0, hatte alles im Griff und lag kurz nach der Halbzeit dann doch mit 1:3 hinten. Dass die beiden Trainer Ehm und Oststeinbeks Kohfahl wohl nicht mehr beste Freude werden, Ehm verließ die Pressekonferenz ein wenig genervt frühzeitig, soll nur als Nebennotiz dienen. Ehm wird sowieso ganz andere Probleme haben. Genügend Tore schießen seine Schützlinge ja, sie können nur manchmal nicht so viele schießen, wie sie hinten reinbekommen. Vierzehn Gegentore sind für einen Meisterschaftsanwärter einfach zu viel, dann reicht es eben nur zu einem derzeitigen vierten Platz. Meilenweit entfernt von dem ansonsten anvisierten ersten Platz, der unerreichbar scheint. Wie gesagt, St. Pauli II entledigte sich seiner Pflichtaufgabe in der gewohnten Höhe. In den letzten fünf Spielen schossen die Kiez-Kicker mindestens fünf Tore. Die Kraft der Fünf wurde nur nicht eingehalten, als man Buchholz eben sechs einschenkte. Niendorf und Curslack, die nächsten Gegner, dürfen sich also auf Arbeit einstellen. Dass die St. Paulianer sich eine Stunde mit dem Erzielen der Tore Zeit ließen, wird nur die Geduld ein wenig strapaziert haben, mehr nicht. Ach, und noch eine Zahl, die verdeutlichen soll, wie haushoch überlegen der FC ist. Die zweitbeste Tordifferenz in der Liga besitzt der SC Victoria mit +7, St. Pauli hat +25. Noch Fragen?
Nennen wir es also beim Namen. St. Pauli II spielt schon diese Saison in einer anderen Liga. Und so wollen wir diese Punktestreber ab sofort auch behandeln und eröffnen somit die 17er-Oberliga. Bergedorf ist demnach Spitzenreiter dieser Staffel. Das haben sie einem knappen und späten 3:2 in Meiendorf zu verdanken. Die jungen Wilden machen derzeit Spaß, wobei der Sieg am Ende durchaus auch als etwas glücklich zu bezeichnen war. Aber wer oben steht, der ist ja bekanntlich sehr dicke mit der Fortuna. Auf der anderen Seite wird sich schon ein bisschen mit Verwunderung belastet die Augen gerieben. „Wir befinden uns im Abstiegskampf.“ Der Satz kommt nicht aus Bramfeld, Rugenbergen oder Oststeinbek, sondern aus Meiendorf. Genauer, aus dem Mund von Meiendorfs Trainer Lutz Göttling, der generell Situationen schon sehr realistisch einschätzen kann. Wer vier von fünf Heimspielen verliert, darf sich jedoch nicht wundern. Früher verlor der MSV vier Partien zu Hause in zwei Spielzeiten zusammen, wenn es nicht ganz so gut lief. Nun ist es schon im Oktober soweit. Ein ungewohntes Gefühl für die Mannschaft, für den Trainer, für das Umfeld und für das Publikum. Wie alle Beteiligten mit dieser „Überraschung“ umgehen, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Bevor irgendwelche ungemütliche Fragen bezüglich der Zukunft von Göttling gestellt werden. Die nächste Aufgabe lautet auswärts Buchholz. Aufbaugegner heißt anders.
Diese Buchholzer haben sich nach ihrem Fehlstart wieder berappelt und sind nun Zweiter (3.). Alles läuft noch nicht rund bei den Niedersachsen. Bei ihrem frühen Ausflug an den Berner Heerweg sahen die TSVer im ersten Durchgang kein Land und lagen folgerichtig in Rückstand. Doch die Lebensversicherung namens Arne Gillich schlug zu, sei es aus elf Metern, sei es aus vierzig Metern, Gillich drehte das Spiel und schnürte das Paket mit einem Doppelknoten zu, als er zum Abschluss noch Rodrigues das 3:1 auflegte. Nun sind die Buchholzer also wieder oben dabei, was aber noch nicht unglaublich aussagekräftig ist, da der Abstand zum Neunten (10.) aus Barmbek ganze drei Punkte beträgt.
Bleiben wir doch gleich bei BU. Die Barmbeker wissen noch nicht so richtig, welches Gesicht sie nun wirklich in der Liga präsentieren sollen. Derzeit haben sie mindestens zwei im Gepäck. Das eine ist ziemlich übel, macht vor allem dem eigenen Anhang Angst und kommt gerne bei deftigen Niederlagen zum Vorschein. Das letzte Mal wurde es beim Niendorfer Desaster letzte Woche gesehen. Es hatte auch schon in Bergedorf seinen Auftritt. Ganz furchtbar, ziemlich hässliche Fratze. Dann gibt es noch das schöne BU-Antlitz. Es strahlt einen an, zaubert die Sonne ins Herz (aber nicht in das des Gegners). Unter anderem wurde das an der Hoheluft gesichtet. Auch gegen Paloma kam es ans Tageslicht und nun wagte es sich nochmals heraus. Curslack bekam es zu sehen und war schon ein wenig geblendet. Das schöne Gesicht Barmbeks besitzt natürlich markante Züge, ist von kämpferischer Natur gekennzeichnet. Es ist anscheinend das einzige Gesicht, welches BU an den Tag legen muss, um gegen fast alle Gegner konkurrenzfähig sein zu können. So ähnlich zumindest formulierte es BU-Coach Thomas Hoffmann nach dem 1:0 gegen Curslack. Die Barmbeker haben sich ins Mittelfeld gehoben.
Ähnliches gilt für Germania Schnelsen, welches sich nach dem 2:1 gegen Rugenbergen in der oberen Hälfte behaupten konnte. Es war der dritte Sieg in Serie für den Aufsteiger, der das Wort „Unentschieden“ bisher noch nicht kennenlernen musste in dieser Saison. Auch das Fehlen von Trainer Heino Stemmann (Gute Besserung von dieser Stelle) änderte nichts an dem Aufwärtstrend der Germanen. The trend is not Rugenbergens friend, möchte man ausrufen. Vier Niederlagen sind es en suite, fünf sind es ohne eigenen Dreier. Dem Aufsteiger ist die Anfangseuphorie abhanden gekommen, das 3:5 gegen St. Pauli II (nach 3:1-Führung) scheint Spuren hinterlassen zu haben. Oder ist es einfach so, dass Rugenbergen momentan wohl sein wahres Leistungsvermögen abruft? Der Schalter muss bald umgelegt werden.
Die Siege sind abgearbeitet, es folgen die Punkteteilungen an diesem Wochenende. Diese sind für die Bramfelder und für die Wedeler eher mit einer unglücklichen Überschrift versehen. Das 1:1 zwischen dem BSV und dem AFC aus Altona beherbergt eher zwei Verlierer als zwei Gewinner. Für die Bramfelder war der eine Zähler deswegen zu wenig, da sie erst durch einen Torwartfehler um die dreifache Ausbeute gebracht wurden. Der Fauxpas von Hrncic ereignete sich dann auch noch wenige Zeigerumdrehungen vor dem Abpfiff, was das Ganze nicht eben appetitlicher machte. Der Traditionsverein von 1893 hingegen durfte zwar über diesen späten Ausgleich froh gewesen sein, doch ein Erfolg wurde vorher weggeschmissen, da der AFC es mit vielen hatte, nur noch mit einer effizienten Chancenverwertung. Altona dümpelt so vor sich hin, mal auf Platz sechs (sieben), jetzt auf Platz acht (neun). Ist das der Anspruch von Altona 93? Kann man sich eigentlich nicht vorstellen!
Noch schlimmer als der Ausgleich für Bramfeld war der Ausgleich für das Schlusslicht aus Wedel. In Norderstedt waren die Schleswig-Holsteiner, also die aus Wedel, die bessere Mannschaft gewesen. Umso furchtbarer ist dann ein Ausgleich, der den verdienten Lohn drittelt. Niemand braucht so dringend Punkte wie der Tabellenletzte. Für die Psyche ist es ebenfalls nicht besonders förderlich, wenn ein Team nach einer soliden, engagierten Vorstellung nicht adäquat belohnt wird. Kolja Tirums hieß der Übeltäter, der aus Norderstedter Sicht ein unverdientes Remis in der fünften Minute der Nachspielzeit sicherte. Zumindest gab es für Wedel den ersten Zähler auf fremdem Gelände, ein wahrlich schwacher Trost für die Pagenkopf-Truppe. Last but least widmet sich der Rückblick der einzigen torlosen Auseinandersetzung an diesem Spieltag, welches sich zwischen Concordia und Niendorf ereignete. Der NTSV bleibt somit unter Neu-Trainer Glashoff weiterhin ungeschlagen und Cordi kam seinem Ruf nach, möglichst wenig Torgefahr ausstrahlen zu können. Mit Wedel zusammen haben sie die wenigsten Treffer aller 17 Mannschaften erzielt, wobei die Concorden sogar ein Spiel mehr in petto haben. Wo der Schuh bei der Truppe von Daniel Sager („Ich bin kein Schleifer“) drückt, dürfte demnach klar sein.
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