Schon bei der Schiedsrichteransetzung konnte es den MSV-Verantwortlichen vor dem Anpfiff eigentlich nur mulmig werden. Denn ausnahmslos alle Oberliga-Spiele, die der Referee Jan Clemens Neitzel (Eintracht Norderstedt) in den letzten 11 Monaten (!) leitete, endeten mit einem Auswärtssieg (Condor-Buchholz 1:3, Oststeinbek-Altona 0:4, Lurup-Uetersen 0:1, Paloma-Curslack 0:2, Condor-Bergedorf 1:3 und HR-Buchholz 0:2)! Diese Serie ging auch heute weiter. Mit einer nicht für möglich gehaltenen Negativ-Leistung enttäuschte der einstige Spitzenklub seine (immer noch zahlreichen) Anhänger ein weiteres Mal und verlor auf heimischen Boden auch gegen den dritten Aufsteiger, nach dem schon Bramfeld und Germania zu stark gewesen waren.
Vor dem Anpfiff verriet SVR-Coach Ralf Palapies: „Für die Oberliga haben wir so hart gearbeitet, meine Jungs sind auch nach fünf Niederlagen in Folge topmotiviert. Wir haben diese Woche fünfmal trainiert, alle haben voll mitgezogen“, um nach dem Schlusspfiff zu ergänzen: „Man hat heute gespürt, dass alle Spieler unbedingt gewinnen wollten. Wir glauben IMMER an uns!“. Bei den Gastgebern hingegen konnte man diesen Eindruck nicht zwingend gewinnen. Abwehrspezialist Max Anders fiel mit fast kahl rasiertem Schädel auf („Ich wollte ein Zeichen setzen“), aber ansonsten gab es für die eigenen Fans traurige Gewissheit: Vorbei die spielerisch glanzvollen Zeiten, willkommen trister Abstiegskampf mit von hinten herausgeschlagenen Bällen und einer „Kerze“ nach der anderen.
Rugenbergen startete besser in die Partie: Tim Vollmer setzte sich auf der linken Seite gut durch, scheiterte aber an Keeper Tobias Sävke. Doch die daraus resultierende Ecke nutze Vollmer dann zur Führung: Fast im Liegen stocherte er den Ball aus sechs Metern unter die Latte (16.). Lange jubeln konnten die Bönningstedter allerdings nicht, denn nur zwei Minuten später schlug Nils Roschlaub auf der Gegenseite einen Eckball vors Tor, Anders fälschte ab und Unglücksrabe Christian Dirksen bugsierte das Spielgerät mit links unbedrängt ins eigene Tor (18.). Geburtstagskind Maik Grabow (wurde heute 27) hätte dann innerhalb von zwei Minuten alles klar machen können: Christian Miessner „chippte“ ihm den Ball gekonnt in den freien Raum, doch der Feinwerkmechaniker scheiterte an Sävke (39.). Hundert Sekunden später stürmte Grabow von der Mittellinie durch alle Abwehrspieler hindurch aufs Tor zu, wähnte sich dann wohl allein auf weiter Flur, zögerte daher zu lange und wurde noch von Anders eingeholt und erfolgreich getackelt (41.). „Wenn Du solche Chancen nicht nutzt, bekommst Du normalerweise ein Gegentor, verlierst und steigst ab“ sinnierte Palapies aus seinem reichen Erfahrungsschatz. Und tatsächlich bot sich Meiendorfs Kevin Mellmann Sekunden vor dem Pausenpfiff DIE Gelegenheit, sein Team zurück in die Erfolgsspur zu führen. Einen weiten Ball aus der MSV-Abwehr bekam Daniel Brehmer kurz hinter der Mittellinie nicht unter Kontrolle, Mellmann steuerte im vollen Lauf alleine auf Dennis Schultz zu – und scheiterte am starken SVR-Goalie!
Direkt nach dem Wiederanpfiff war es - wie schon zu Beginn der Partie - wieder Vollmer, doch in 1:1-Situationen war Sävke heute nicht zu bezwingen (46.). Danach übernahmen die Hausherren für rd. 20 Minuten das Kommando und setzten sich in der gegnerischen Hälfte fest. Doch weder Andreas Krohn (64.), noch Roschlaub (68.) konnten Schultz mit Fernschüssen überwinden. Rugenbergen fightete sich nach dieser kurzen MSV-Drangphase zurück ins Match. Grabow bediente Anton Freundt mit einem sensationellen Pass in den freien Raum, doch „Toni“ traf den Ball nicht richtig und scheiterte, wie alle seine Teamkameraden zuvor, völlig frei vor und an Sävke (72.). Nun hatte „Obe Wan“ (Sebastian Obe) von hinten links genug gesehen, schaltete sich dynamisch mit nach vorne ein und produzierte eine grandiose Flanke über die Abwehrspieler hinweg perfekt auf den Kopf von Dirksen: Tooor (79.)! Ein herrlich herausgespielter Treffer, den der als Zuschauer anwesende Paloma-Coach Frank Hüllmann anerkennend beklatschte: „Das war genau so gewollt, ganz stark“. Damit hatte „Dirksi“, der übrigens genau wie Sävke nächste Woche seinen 27 Geburtstag feiert, natürlich sein Eigentor mehr als wettgemacht. Sein Trainer wusste vor lauter Freude nicht, wohin mit seinen Emotionen, sprang über die Bande und fiel jubelnd auf die Knie (die dreckige Trainingshose ist Zeuge)! Noch heftiger war der Jubel rund zwölf Minuten später, nachdem in einer Abwehrschlacht alle Meiendorfer Bemühungen zunichte gemacht worden waren. Der Auswärtssieg wurde mit großen Spielerkreis und lautem Gesang gebührend gefeiert. Und das wird noch nicht das Ende der Feierlichkeiten gewesen sein, denn das Geburtstagskind Maik Grabow lädt die Mannschaft auf den Kiez ein.
Davon können sie an der B75 momentan nur träumen, trotz der prominent besetzten Mannschaft (Spieler wie Sterczyk, Schumann, Anders, Mellmann, Sara, Cetinkaya, Güven, Roschlaub usw. sind schließlich kein Fallobst) baut man auf die Rückkehr der Verletzten, will den Co-Trainer Helge Mau reaktivieren, oder neue Spieler verpflichten (O-Ton Lutz Göttling, siehe Trainerstimmen). Hört sich verdammt nach Aktionismus an, garniert von der Aussage: „wir haben genug Qualität im Kader, um nicht abzusteigen“. Zeit, dies auch mal zu zeigen. Spätestens nächste Woche im absoluten Kellerderby beim TSV Wedel.
Punktspielstatistik aus Sicht des Gastgebers (seit 1949): 3 Spiele, 2 Siege, 0 Remis, 1 Niederlage; 9:4 Tore
Stimmen:
Ralf Palapies (Trainer SV Rugenbergen): Über den Sieg und die drei Punkte sind wir nach fünf Niederlagen in Folge natürlich überglücklich. Für beide Teams ging es heute nur darum, egal wie, die drei Punkte zu holen. Das haben wir in einer guten Art und Weise verdient geschafft. Wir hatten die Mehrzahl der Chancen und haben die Kurve besser bekommen, als Meiendorf. Aber genau wie nach den fünf Niederlagen gilt auch jetzt: Ruhig bleiben, Nerven bewahren und Weitermachen. Die Saison ist noch lang, erst wenn der Schnee wieder weg ist, wird die Saison entschieden. Es war erst der 12. Spieltag. Die Saison ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Lutz Göttling mit seiner Truppe da unten wieder rauskommt.
Lutz Göttling (Trainer Meiendorfer SV): Das war heute ein gebrauchter Tag. Das war ein ganz ganz wichtiges Spiel für uns, wir hätten wieder Anschluss herstellen können, aber das haben wir nicht hinbekommen. Der Gegner hatte die besseren Möglichkeiten, aber die meiner Meinung nach spielentscheidende Szene spielte sich direkt vor dem Halbzeitpfiff ab. Wenn Kevin Mellmann da das Tor macht und wir mit 2:1 in die Halbzeit gehen, hätte uns das in unserer jetzigen Situation sicherlich viel Auftrieb gegeben. Aber es geht weiter, auch wenn es jetzt natürlich sehr schwierig wird. Darüber sind wir uns im Klaren. In unserer Mannschaft ist aber genug Qualität, um die unteren Plätze wieder zu verlassen. Es kann ja nicht sein, dass eine Mannschaft, die jahrelang um die Meisterschaft mitspielt, das Fußballspielen von heut auf morgen verlernt. Wir hoffen auf die Rückkehr einiger Verletzter und evtl. wird in der Winterpause über Neuverpflichtungen nachgedacht. Möglicherweise reaktivieren wir auch wieder Helge Mau.
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