28.03.2011 Rückblick: Auch bei Altona 93 lacht die Sonne über den Grünen, aber Angela Merkel sollte mehr Weiß tragen von Folke Havekost
Wir sehen wohl das Restrisiko, ein Phrasenschwein durch Altona zu jagen, aber es muss doch gesagt sein: Fußball ist die schönste Nebenbeschäftigung der Welt, wenn Mann oder Frau epochalen Ereignissen entgegen fiebert. Derweil Badenser und Schwaben an der Urne ihr Alleinstellungsmerkmal ("Wir können alles außer Regierungswechsel") entsorgten, tankte die Hamburger Grünen-Vorsitzende Katharina Fegebank auf der Adolf-Jäger-Kampfbahn reichlich Sonnenenergie. Was sie und die übrigen 520 Zuschauer sahen, lässt sich zwar kaum epochal nennen. Aber Jan Savelsberg frühes Kopfballtor zum 1:0-Sieg gegen Curslack-Neuengamme katapultierte die Altonaer immerhin auf Rang zwei - wo auch die Grünen Stunden später in Baden-Württemberg landeten. Während der künftige Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich in Interviews ("Warum waren Sie so erfolgreich?" - "Weil uns so viele Leute gewählt haben!") irgendwo zwischen Herberger ("Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie's ausgeht") und Happel ("Nun ist es genug gefragt") einordnete, steht den Altonaern schon am Mittwoch ein Klassiker ins Haus. Dann kommt Noch-Meister SC Victoria, der sich mit dem 3:1 gegen Concordia wieder etwas im Aufwind befindet.
Mit dem Begriff "Klassiker" sollten wir aber vorsichtig sein. Die Wähler aller Parlamentsparteien glauben mehrheitlich, dass auch ihre Partei nach der Wahl nicht das hält, was sie davor verspricht. Für diese recht lebensnahe Einstellung ließen sich auch an der Brucknerstraße gute Gründe finden. Das Aufeinandertreffen der abstiegsgefährdeten Klubs Paloma und BU wurde vorab zur "Battle of Barmbek" hochgejazzt. Doch auf dem Spielfeld verstanden sich die Rivalen besser, als es SPD und Grüne in Stuttgart (oder Mainz) jemals tun werden. Das 90-minütige Fußballmoratorium endete folgerichtig in einem 0:0.
Mehr Derby-Flair gab's da schon bei Meiendorf - Condor. Schwarz-Gelb gegen Schwarz-Gelb: Ein Drama, das derzeit in Berlin von CDU, CSU und FDP tagtäglich aufgeführt wird. Sicherheitshalber griffen die Derby-Gäste zu einer Ausweichtracht ganz in Weiß. Das Symbol eines blütenreinen Neustarts? Jedenfalls rissen die Raubvögel die Meiendorfer mit ihrem spät herausgeschossenen 3:1 noch etwas tiefer in den Abstiegsstrudel. Auch nicht epochal, aber immerhin die beste Leistung einer (eigentlich) schwarz-gelben Crew an diesem Wochenende. Glück im Unglück für die eher selten zu Weiß greifende Angela Merkel, dass Meik Ehlert bei Condor zu verwurzelt ist, um jetzt an ihrem Kanzlerinnnenstuhl zu rütteln.
Ehlerts Pendant Lutz Göttling beklagte sich nach der Niederlage zum wiederholten Male über die Entscheidungen des Spielleiters. Nun lässt sich lange darüber streiten, ob Schiedsrichter berechenbarer sind als etwa Atomkraftwerke (der Autor meint: Ja), aber nachhaltiger sind sie auf jeden Fall. Deshalb muss Göttling aufpassen, nicht in eine Falle zu tappen. Abwälzen und Abstieg beginnen nicht zufällig mit den gleichen Buchstaben. Und der Einwand, dass das bescheidene Abschneiden nicht etwa der eigenen Leistung, sondern den berüchtigten "externen Faktoren" geschuldet sei, hilft schon Polit-Generalsekretären wenig. Fußballtrainern noch weniger.
Die Meiendorfer sind nicht die einzigen, die das suchen, was die rheinland-pfälzische SPD für ihren Chef Kurt Beck mit dem der Region eigenen Wortwitz auf Plakate gepinselt hat: Eine gute "PersBECKtive 2011". Etwas besser ist sie für Oststeinbek geworden. Das Kohfahl-Team überstand den gewohnten Anfangsviertelstundenwirbel des zuletzt so starken SV Rugenbergen und setzte dann zwei eigene Stiche. Die Karten für den Klassenverbleib werden derzeit jede Woche neu gemischt, Prognosen und Hochrechnungen fallen zum jetzigen Zeitpunkt schwer.
Während etwa der mittelschwer zerfledderte Kurt Beck mit solider rot-grüner Mehrheit und der Perspektive Ruhestand 2016 weiterregieren kann, gab es in Wedel ein unerwartetes Patt. Der örtliche TSV, in modischem Grün gewandet, rang St. Paulis Nachwuchskickern ein beachtliches 1:1 ab. Dass die beiden Mannschaften sich "auf Augenhöhe" (Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmid) begegneten, war dem Trainer des Spitzenkandidaten, entschuldigung: Spitzenreiters, gar nicht recht. Wütend kündigte Jörn Großkopf an, mit seinen "überheblichen" Kickern Tacheles zu reden. Der kurzfristige Ausstieg aus der ungeliebten Oberliga kann bisweilen recht mühsam sein.
Wir unterbrechen unser Programm für einen kurzen Lyrik-Spot. Bleiben Sie dran! In Buchholz und in Bergedorf/ Verlief der Spielfluss recht amorph./ Es fiel dort nur ein einzges Tor,/ Germanias Schütze: Stefan Schnoor.
Dieser Vierzeiler wurde Ihnen präsentiert von 0815-48436, der Notruf-Hotline für fassungslose Freidemokraten. Dringend um einen Anruf gebeten wird Andreas Laas. Hilfe aus Hamburg tut Not. Nicht nur, dass die FDP hier erst kürzlich erstaunlich locker die Fünf-Prozent-Hürde nahm. Mit Laas arbeitet auch jemand beim Niendorfer TSV, der sich mit dem Einspringen in Krisensituationen auskennt. 2007 rettete der Onkel des ehemaligen HSV-Profis Alexander Laas den NTSV schon einmal vor dem Absturz in die Landesliga. Diesmal gab's zum Amtsantritt ein 4:0 gegen Bramfeld: Drei-Punkte-Hürde locker genommen. Vor Jahren hätte man noch gesagt: Den Tabellenletzten zu schlagen, ist ja wohl selbstverständlich. Jedenfalls nicht viel schwieriger als für CDU und FDP, im Land von Jogi Löw Wahlen zu gewinnen. Aber manchmal gehen die Leute eben auch zur Wahl, weil sie nicht wissen, wie's ausgeht. Anrufen, Onkel Laas, anrufen!
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