Die Spielzeit 1898/99 markiert einen Markstein in der Hamburger Fußballgeschichte. Es war nämlich das erste Mal, dass die Altonaer von 1893 und die zwei Jahre später gegründeten Victorianer zu einem Punktspiel gemeinsam den Rasen – oder war es damals noch ein Aschenplatz? – betraten und die 93er mit 7:0 gewannen. Seitdem dürfte sich dieses Ereignis um die 150 Mal wiederholt haben, allein Hamburgs Fußballhistoriker Walter Lang war nicht erreichbar, um Aufklärung über die präzise Zahl dieser Meetings zu geben. Doch auch ohne ihn wird die Behauptung keinesfalls gewagt sein, dass es sich dabei um das älteste Derby bundesweit handelt. Denn Phönix Karlsruhe und der Karlsruher FV haben sich schon lange zum KSC vereinigt, die Spielvereinigung Fürth hat mit Vestenbergsreuth fusioniert und firmiert jetzt unter Greuther Fürth und die Bayern wurden erst 1900 gegründet. Auch die Vorgängervereine des Hamburger SV, SC Germania sowie der Hamburger FC 1888, zählen hier nicht. Gründe genug also für den Seniorschreiber von hafo.de, den zur Rusk Hour beschwerlichen Weg zur Adolf-Jäger-Kampfbahn auf sich zu nehmen, um dem Rendezvous der beiden noch Älteren beizuwohnen.
Doch, was er dann von beiden zu sehen bekommt, vermag in ihm keine Begeisterung zu erwecken. Eine taktisch geprägte gelb-blaue Defensive, wie es schön auf Neudeutsch heißt, steht wenig einfallsreichen schwarz-weiß-roten Aggressoren gegenüben, von denen allein Onur Bektas sich einmal als Torschütze versucht, allerdings hoffnungslos. Nach 17 Minuten dennoch das 1:0, und, wie kann es sein bei einem solchen Spiel anders sein, durch einen Ruhenden Ball als Ausgangspunkt. Getreten von Ex-Vicky und Überläufer Sezgin Akgül, verlängert über Jan Savelsberg und im Netz untergebracht von Sebastian Clausen. Bereits (Achtung: Ironie) 20 Minuten später scheint auch der anderen Seite Gefahr zu drohen, als Abou Khalil einem langen Ball hinterher spurtet und von Heiko Ansorge trotz mehrfacher Versuche nicht daran gehindert werden kann. Die Endstation aber heißt Oliver Hinz, der durch entschlossene Fußabwehr außerhalb des 16ers Khalil seiner Hoffnungen beraubt. Das war es dann schon. Allein der Schreiber, genervt von den auf dem linken Tribünenflügel untergebrachten Nordkaoten, verlässt seinen Sitzplatz und fängt an, die milde Witterung und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne zu genießen.
Das kann er auch im zweiten Spielabschnitt. Denn außer einem gelungenen Pass von Akgül auf den eingewechselten Madjid Albry, der damit aber nichts anzufangen weiß, ein weiteres Akgül-Schüsschen in die auffangbereiten Arme von Florian Ludewig, sowie einer ungewollten Vorlage von Marcus Rabenhorst, mit der die 93er mehr zu erschrecken vermag als ihn selbst, gibt es nichts, was den Notizzettel füllen könnte. Jedenfalls fast nichts. Denn schließlich fällt noch das 2:0 nach einem Steilpass von Clausen auf den vormaligen Oberneuländer, der diesmal ganz konzentriert seine Chance nutzt. Sergej Schulz bleibt es vorbehalten, das Ende Partie mit einem Freistoß aus 16,34 Metern in die noch Winterschlaf haltenden Pappeln einzuläuten.
Würde die Qualität der Siege mit unterschiedlicher Punktzahl honoriert werden, dann hätte es für die 93er an diesem Abend eigentlich nur deren zwei geben dürfen. Schließlich gab es für das 7:0 vor 112 Jahren auch nicht mehr.
Stimmen:
Ronald Lotz (Trainer Victoria) Wer zwei Treffer zulässt, aber keinen erzielt, und sich auch sonst harmlos vor dem Tor des Gegners verhält, der Gegner aber kompakt und gut steht, dann ist das für ihn ein verdienter Sieg.
Thomas Seeliger (Trainer 93): Ich meine auch, dass das Ergebnis für uns in Ordnung geht. Victoria hatte über 90 Minuten keine einzige Torchance, schien nur bei Standards ein wenig gefährlich. Ich bin jedenfalls mit meiner Mannschaft vollauf zufrieden, insbesondere wie sie sich in der Rückwärtsbewegung präsentiert hat.
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