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09.05.2011
Rückblick: Beinahe alle Neune für die Außenseiter von Folke Havekost




Wonnemonat Mai, Zeit der Entscheidungen. Wohin geht die Reise? Mallorca, Hoheluft, Lohbrügge, Lurup? Unentschieden sein will sich keiner mehr leisten. In den neun Oberliga-Spielen gab es folglich neun Sieger, und acht Mal gewann jene Mannschaft, die in der Tabelle niedriger platziert war. Um ein Haar wären es sogar alle Neune für die Außenseiter geworden.

Aber was heißt hier Außenseiter? Frühlingswind und Maisonne versorgen die Teams mit Energie, für die es in der Liga noch um wesentlich mehr geht als die Saisonabschlussfahrt zu planen. Das ist keine neue Erkenntnis, am Wocheende war sie aber ungewohnt deutlich zu sehen. Die auch von uns schon abgeschriebene Concordia gewann mit starker Kontertaktik und einem überragenden Junior Ngole 3:1 in Altona – Resultat der Eigendynamik, die sich Cordi-Coach Andreas Führer so sehr ersehnt hat?

In Uhlenhorst wurde Ober-Palomate Frank Hüllmann aus dem Taubenschlag gejagt, was als erste Konsequenz ein 2:0 gegen Condor einbrachte. Glück für die hüllelosen Tauben allerdings, dass Heiner Twardawa leichte Berührung von Florian Schuberth in der grandgetränkten Sonntagsvormittagsluft zu einer Elfmeterentscheidung von Schiedsrichter Christian Henkel führte. Bei der Weltmeisterschaft im Luftgitarrespielen wäre das sicherlich ein Foul gewesen, im Fußball wird es doch recht selten gepfiffen. Der „gefoulte“ Schuberth ließ sich nicht zweimal bitten und verwandelte zum 1:0, ehe Henkel noch drei Akteure vom Platz stellte.

Souveräner Wedel, das Bergedorf 85 deklassierte und sich dabei sogar noch einen verschossenen Foulelfmeter leistete. Fehlschütze Kemo Kranich traf später doch noch gegen die Elstern, deren Mittelfeldspieler Roman Schmer vom Platz flog, weil er Referee Ehrenfort einen Vogel zeigte. Ein Kranich wird’s wohl nicht gewesen sein. Auch Bergedorfs Co-Trainer Ben Nitschke wurde von der Bank verwiesen, nun hat der aufbrausende Assistent auch die westlichste Bande der Oberliga in seiner Sammlung.

Barmbek-Uhlenhorst lieferte gegen Spitzenreiter St. Pauli II eine 75-minütige Abwehrschlacht, die beinahe in einem erstaunlichen 2:0 geendet hätte. Einen Reigen guter Chancen hatten die St. Paulianer schon vergeben, mit Glück, Geschick und einem starken Keeper Stephan Hölscher BU lange die Null gehalten. Und damit dem motivierenden Gedanken Leben eingehaucht: Die können bessere Fußballer sein so viel sie wollen, die können stürmen so viel sie wollen, die können machen was sie wollen – hier und heute gewinnen wir!

So ein Gedanke kann weit tragen – wenn er nicht durch einen Rückschlag erschüttert wird, der einen glauben lässt, Fortuna habe die Seiten gewechselt. Etwa durch einen abgefälschten Schuss, gegen den ein Torwart nach dem Vereiteln zahlreicher Großchancen dann doch machtlos ist. Genau dies gelang Dennis Duve in der 78. Minute, und der braun-weiße Nachwuchsstürmer pulverisierte damit nicht nur die Null, sondern auch den Nimbus einer 90 Minuten währenden Barmbeker Unantastbarkeit. 30 Sekunden später nutzte Maurizio d’Urso einen missglückten Abwehrversuch zum Ausgleich und kurz vor Schluss war es erneut Duve, der für den einzigen Favoritensieg des Wochenendes sorgte.

Wenn die Tabelle nicht wäre, könnten wir dies als frühlingshaftes Mini-Drama ansehen. Wie etwa das 0:2 am Samstag zwischen Curslack-Neuengamme und Norderstedt, nach dem Curslack-Coach Torsten Henke nicht zu Unrecht reklamierte, dass auch ein 1:1 möglich gewesen wäre (wenn an diesem Wochenende denn Unentschieden möglich gewesen wären). Viele Anwesende auf der Pressekonferenz nickten kurz, hefteten das Gesehene unter „hoffnungsvolles Norderstedter Zukunftsversprechen“ ab und wandten sich der Bundesliga-Konferenz zu, die etwas mehr Drama versprach.

In Barmbek jedoch lief echtes Drama ab. Keine 15 Minuten hatte es gedauert, bis aus einem Befreiungsschlag im Abstiegskampf der Sturz auf einen Abstiegsplatz wurde. Der Einsatz stimmte, das Glück spielte lange mit, die Restgegner lassen alles offen: Oststeinbek auswärts, Norderstedt zuhause, Schnelsen auswärts. „Da kannst du neun Punkte holen, aber auch null“, fasste BU-Beinahe-Held Hölscher das Programm zusammen. Alle Neune wären zu empfehlen.

St. Paulis Nachwuchs hinterließ nicht nur traurige Mienen, sondern auch zwei Flaschen Rotkäppchen-Sekt auf dem holprigen Rasen von „Barmbek Anfield“, während Profi-Praktikant Hauke Brückner auf den Spuren von Pierre Littbarski anno 1990 wandelte und die Jubelszenen per (mittlerweile doch deutlich handlicher gewordener) Videokamera aufzeichnete. Durch den Sieg sicherte die U 23 dem Verein die erste Hamburger Meisterschaft seit 1947. „Damals war ich noch Aktiver“, schmunzelte der 76-jährige Obmann Hermann Klauck, der in der allgemeinen Feierstimmung den Gegner nicht vergaß: „Für BU tut es mir leid, sie hätten einen Punkt verdient gehabt.“ Für die Braun-Weißen geht es in der nächsten Saison zwar nicht nach Mallorca, aber immerhin zum Regionalliga-Spiel nach Meuselwitz. „Wir werden weiter jedes Spiel gewinnen wollen“, kündigte Trainer Jörn Großkopf an, die Zügel an den letzten drei Spieltagen nicht schleifen zu lassen – schlechte Nachrichten für den SC Concordia, der am Sonntag als erster Gratulant an die Waidmannstraße kommt.

Am Dienstag wird bei den St. Paulianern gegrillt, während gleichzeitig acht Mannschaften um den Einzug ins Oddset-Pokal-Halbfinale streiten. Sieben von ihenn werden in der nächsten saison in der Oberliga kicken, die Außenseiterrolle kommt somit dem Eimsbütteler TV zu, der als aktueller wie zukünftiger Landesligist Buchholz 08 empfängt. Die von vielen englischen Wochen belasteten Nordheidjer schonten in Bönningstedt einige Stammspieler, denn für Platz zwei in der Oberliga gibt es weder Ruhm noch Fernsehgelder, was beim Gewinn des Oddset-Pokals ein wenig anders ist. Gastgeber SV Rugenbergen nutzte dies prompt, um mit einem 2:1 die letzten theoretischen Abstiegssorgen zu verjagen – der Klassenerhalt für das Palapies-Team drei Runden vor Schluss ist eine der größten positiven Überraschungen dieser Saison.

Auch die eher theoretischen Abstiegskandidaten Niendorf und Meiendorf machten mit ihren Siegen alles klar. MSV-Zauberlehrer Lutz Göttling begegnete dabei den Geistern, die ihn riefen. Ob er seine Zusage, ab dem Sommer Victoria zu trainieren, nach dem 2:0 seiner „alten“ Elf schon bereut? Immerhin ist mit St. Paulis Amtsantritt das vierjährige victorianische Zeitalter in Hamburgs Fußball am Sonntag auch offiziell beendet worden. Die Briten erfanden in ihrem victorianischen Zeitalter ja den modernen Fußball, den sie inzwischen weitgehend wieder verlernt haben. Göttling muss dafür sorgen, dass dies an der Hoheluft ausbleibt.

Während Rugenbergen, Niendorf und Meiendorf den letzten nötigen Sieg einfuhren, patzte Oststeinbek ausgerechnet beim Schlusslicht Bramfelder SV, der auf seiner Abschiedstour ein gutes Bild abgibt. Am Freitag würde den Oststeinbekern aber bereits ein Unentschieden gegen BU genügen, um die Oberligazugehörigkeit in trockene Tücher zu wickeln. Ob solch eine Punkteteilung für BU genug wäre, kann angesichts der Tabellenlage durchaus in Zweifel gezogen werden.

Aber Unentschieden treten im Mai ja eher selten auf.


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