28.05.2011 Rückblick: Altmeister gleich viermal ausgezeichnet von Andreas Killat
Autor: Folke Havekost
Wenn der letzte Pfiff ertönt, zieht die gesamte Spielzeit wie ein Film noch einmal an einem vorüber? Genau! Deshalb ohne Umschweife direkt zur Preisverleihung der Hamburger Akademie für Fußball-Oskars (HAFO):
Bester Film: Ein alter Meister, der sich noch einmal der anstürmenden Jugend stellt. Ein heroisches Duell, in dem die Schicksalsgöttin gleich mehrfach die Seiten wechselt. Ein wildes Gemetzel, nach dem, als der Staub verzogen ist, drei Platzverweise, vier Altmeistertore und fünf Treffer des Herausforderers in der Landschaft stehen. Das Hoheluft-Drama "Vicky 4, Pauli 5" überzeugte die Jury auf ganzer Linie. Die siegreichen Jungdarsteller haben nach Vorhaltungen, sie würden mit einem durch Subventionen von oben ermöglichten all-star-cast den Wettbewerb verzerren, angekündigt, im nächsten Jahr nicht mehr teilzunehmen. Umso bemerkenswerter der Abspann "St. Pauli II - Victoria 0:2", dessen Bilder von der dem Fußball eigenen Möglichkeit einer Revanche zeugen.
Beste Regie: Hier tagte die Jury am längsten. Erst am späten Freitagabend fiel die Entscheidung, dann aber einmütig. Ausgezeichnet wird der USC Paloma, der selbst ein 0:3 in Buchholz noch in ein Feuerwerk der guten Laune verwandelte. „Die Rettung der Tauben“ war eine Komödie der Irrungen und Wirrungen, bei der Charakterdarsteller Frank Hüllmann leider auf der Strecke blieb.
Bester Hauptdarsteller: Natürlich hat sich die Jury nicht von außen beeinflussen lassen. Aber beeindruckend war der hafo-Forums-Flashmob schon, der in den vergangenen Tagen die Auszeichnung für Arne Gillich forderte. Vox populi vox hafoi - wir kamen zum selben Schluss und küren den Torschützenkönig aus Buchholz.
Beste Hauptdarstellerin: 65 Jahre erstklassig und nun doch ganz leise: Die stolze Aktrice Concordia wandelte schon länger auf dem Boulevard der Dämmerung. Nun muss sie sich zum ersten Mal seit 1946 in Kellertheatern und Landesliga-Lichtspielhäusern darbieten. Immerhin, ihr Abtritt von der Bühne war furios. Länger als jeder erwartet hätte hielt sich „Cordi“ in den Scheinwerfern, erst in allerletzter Minute wurde das Licht ausgeknipst.
Bester Nebendarsteller: Ein guter Defensiv-Akteur schafft es auch, das Blitzlichtgewitter von sich abzuwehren. Paparazzi lieben Torjäger, Trainer und vielleicht noch Torhüter, Verteidiger sind selten glamourös. Der unbekümmerte Auftritt von Jordan Brown in "Nachwuchs in Norderstedt" hat gleichwohl nicht nur uns sehr gefallen, auch größere Studios wie HSV sind auf das Talent aufmerksam geworden.
Beste Nebendarstellerin: Über Jahre hinweg wurde sie für ihre glanzvollen Führungsrollen gefeiert, stand über allen Starlets als leuchtender Stern am Hamburger Filmhimmel. Aber auch Victoria ist nicht mehr die Jüngste, und das Geschäft kann brutal sein. Heuer bekam die große alte Dame keine Hauptrolle mehr angeboten. Akzente setzte sie trotzdem: als Nebendarstellerin im hochdotierten bundesdeutschen Filmprojekt "DFB-Pokal" gefiel sie vor allem in den überraschenden Dialogszenen mit Rot-Weiß Oberhausen.
Bestes Drehbuch: Unter Cineaten wurde das Low-Budget-Projekt lange eher als B-Movie eingeschätzt. Doch das erstaunliche, von Ralf Palapies selbst verfasste Drehbuch "Bravouröses Bönningstedt" etablierte eine Rugenbergener No-name-Besetzung in der ersten Liga des Hamburger Filmschaffens. Mit seinem guten Händchen erreichte Palapies, dass sich auch renommiertere Schauspieler wie Jan Melich in der anstehenden Fortsetzung engagieren. Ein Ausblick aufs nächste Jahr ist nicht so leicht: Nachdem die Dreharbeiten zu "Ehrgeiziges Elmshorn" ins Stocken geraten sind, warten wir gespannt, ob der Streifen "Senstationelles Sasel" einen Filmverleih findet.
Beste Kamera: Nach langem Hin und Her entschied sich die Jury für das Aufnahmegerät, das im Februar zum Oberliga-Oddset-Pokal-Duell in Norderstedt stand und zunächst das Traumtor des Bergedorfers Yayar Kunath aufzeichnete: ein Solo über rechts in hohem Tempo an vier fünf Gegenspielern vorbei, satter Abschluss, Bergedorfer Jubel. Danach präsentierte die kontrastreiche Kamera uns noch die irritierenden Worte des scheidenden 85-Trainers Manfred Nitschke zum Streit über seinen Nachfolger, der dann doch nicht der wurde, von dem Nitschke glaubte, dass er es würde. Eine Trainersuche ist oft nicht so übersichtlich und schön, wie es ein Treffer sein kann.
Bestes Szenenbild: Ein Präsident, der zur Bekanntgabe der Entlassung eines Trainers eingeladen hat. Ein Manager, der die Entlassung dieses Trainers mathematisch-philosophisch zu begründen sucht. Ein zukünftiger Trainer, der inmitten der blau-gelben Abrechnung sitzt und sich weitgehend an die Devise "Schweigen ist Gold" hält. Ein Mannschaftskapitän, der auch hätte Trainer werden können, es aber nicht geworden ist und diese Botschaft zwischen den Zeilen trägt. Und der Geist eines Trainers, der nicht genau weiß, ob er noch in den Katakomben der Hoheluft spuken oder sich lieber ein Luftschloss in Meiendorf bauen soll - das Dramolett "Ende einer Ära" zur Entlassung von Bert Ehm beim SC Victoria war ein beklemmend-bizarres Kammerspiel, das uns ein kleines bisschen an Sidney Lumets Geschworenendrama "Twelve Angry Men" erinnerte.
Bestes Kostümdesign: Bei einem Hallenstudiodreh namens Wandsbek-Cup weihten die modewussten Raubvögel ihre neuen Trachten ein: Weiße Trikots mit gelb-schwarzem Kondor auf der Brust, dazu ein moderner Schriftzug aus dem Hause des Textilherstellers Lotto – das sah nicht nur schick aus, sondern half auch später beim Outdoor-Derbydreh in Meiendorf, den der SC Condor mit 3:1 erfolgreich gestaltete.
Bester Ton: Da herrschte die größte Einigkeit: Allein Oststeinbeker verdient diese Auszeichnung, schließlich trafen die Stormarner unbestritten die meisten Töne der Liga. Das war oft schrill und für manchen klang's gar schwer erträglich. Einige Kritiker verwarfen "Nix wie weg aus Oststeinbek" ja als billiges Remake von "Sie küssten und sie schlugen sich". Die Reihenfolge zu ändern, ist ja aber gerade die Pointe: Erst gab's die Verbalgrätschen, am Ende erst die Klassenerhaltsküsse - nicht immer großes, aber stets kurzweiliges Kino.
Bester Schnitt: Rascher Wandel bestimmt die Welt. Trainer kommen, Spieler gehen und neue Herausforderungen werden sowieso immer wieder gerne gesucht. Der Film "Meiendorfer Winterwanderung" ist eine erstaunliche Komposition aus völlig unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Bildern, die durch vortrefflichen Schnitt wie von Zauberhand ein Ganzes ergeben. MSV-Chefcutter Lutz Göttling bewältigte die Herausforderung und brachte die Kapitel "Startschwierigkeiten", "Abstiegskampf", "Spielerflucht", "Trainerchaos", "Siegesserie" und "Pokalträume" in eine dynamisch-stimmige schwarz-gelbe Ordnung.
Beste visuelle Effekte: Wo wir gerade bei Schwarz-Gelb sind. Skeptiker unkten ja, dass Meiendorf vor die Hunde gehe, aber tatsächlich zeichnete sich dadurch der gleichfarbige Nachbar aus. Der Preis für visuelle Effekte geht an Marcel Abshagen vom SC Condor für seine dreieinhalbbeinige choreografische Leistung im sehr persönlichen, in Altona aufgenommen Ex-Verein-Drama "Hunde, wollt ihr ewig treffen".
Bestes Make-up: Ein gepflegtes ebenes Gesicht mit satt aufgetragenem künstlichen Grün - wie kriegt die Maske so etwas nur hin? Fragen wir uns und schauen auf die "Galerie Gramkowweg", wo zahlreiche Fußballer (meistens die der SV Curslack-Neuengamme) mit ihren Fertigkeiten auch noch ein Lächeln in dieses Gesicht zaubern - angesichts des Kunstrasens am Deich könnte man fast Grün vor Neid werden.
Bester Song: Ein alter Hit in kühner neuer Aufmachung. Unsere Wahl fällt auf den BU-Schlager "Mein letztes Geld", leicht variiert vorgetragen vom Kicker-Chor des Niendorfer TSV, kurz nachdem er sein Pokalspiel in "Barmbek Anfield" 2:0 gewonnen hatte. Das war mutig und einfallsreich, auch wenn den Niendorfern später in Billstedt kein Lied mehr über die Lippen kommen sollte.
Bester Animationsfilm: Selbst noch Schauspieler und doch schon Regisseur und Produzent: Berkan Algans Trickfilmdebüt "Wedels Wundertüte" imponierte der Jury durch die aktuelle Umsetzung einer zeitlosen Geschichte. Ein Haufen Verdammter gewinnt den Glauben an sich selbst zurück und zeigt der Welt da draußen (hinterm Elbstrand), dass es auch anders geht. Nicht allein das hohe Engagement aller Beteiligten nötigt uns Respekt ab. Der Streifen vermittelt ebenso die traurige, aber pädagogisch wertvolle Botschaft: Auch in Trickfilmen gibt's nicht immer ein Happy End.
Beste Dokumentation: Der Preis geht an das ungewöhnliche Werk des Oberliga-Filmerkollektivs "Aus der Traum - das Versagen der 17", das in erschütternden Bildern von der vergeblichen Jagd einer 17-köpfigen Eliteeinheit nach dem begehrten Oddset-Pokal kündet.
Bester fremdsprachiger Film: Der Preis in der Lieblingskategorie von Peter Strahl geht in die Nordheide: "Wer hat die Macht? Buchholz 08!" erzählt die Geschichte einer elfköpfigen Halbstarkengruppe aus der Provinz, die mit Einsatz, Ideenreichtum und Fairness den argwöhnischen Städtern immer wieder ein Schnippchen schlägt. In Niedersachsen ist der Film schon ein echter Blockbuster - in der Nordheide sollen sogar neue Tribünen gebaut werden, damit die zahlreichen Fans die Vorführungen verfolgen können. Glückwunsch nach Buchholz! - aber in den nächsten Jahren erwarten wir auch wieder mehr Nomierungen aus Schleswig-Holstein, insbesondere aus der Norderstedter Jungfilmerschule.
Ehren-Hafo: Tja, mit Lebenswerk-Auszeichnungen tun wir uns schwer. Wird ja gern mal als "Jo, Alter, war gar nicht schlecht, was du gerissen hast, aber jetzt erwarten wir echt nix mehr von dir. Hier, nimm, wir ham noch so'nen Hafo über" missverstanden. So meinen wir das natürlich überhaupt nicht und verleihen unseren Ehren-Hafo an den vier- und vielfachen Meistertrainer Bert Ehm, dem diese Würdigung über sein bevorstehendes Jahr an Landesliga-Seitenlinien hinweg trösten möge. Aber wie sagte der Coach nach der Aufstiegspleite seines künftigen Klubs FC Elmshorn: "Meister in der Landesliga ist auch was Schönes!" Genau. Und die nächste Saison ist immer die nächste.
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