Dennis Wolf und sein Namensvetter Schultz sind Torhüter, großgewachsen und verlebten einen höchst wechselhaften Freitag-Abend. Die Überraschung, welche dabei lange in der Luft lang, war mindestens so groß wie eine geballte Faust im Torwart-Handschuh.
Beide Hamburger Profi-Mannschaften spielten parallel, aber das mal wieder schwache Zuschaueraufkommen an der Hoheluft damit zu erklären, würde eine Wahrnehmungsstörung voraussetzen. Dafür bekamen die 173 Anwesenden, unter Anderem Ex-Profi Thomas Helmer, ein an Spannung und Dramatik schwer zu überbietenden, packenden Fußball-Abend geboten.
Helmer musste dabei nach vier Minuten sehen, wie Ex-Victorianer Jan Melich auf der Abwehrseite seines Sohnes Kim in Ruhe zum Abschluss kam. Den gefühlvollen Schlenzer lenkte Wolf spektakulär über die Latte. Die Gäste mit gefälligen Kombinationen und im Vergleich zum letzten Auftritt gegen Niendorf nicht wiederzuerkennen. Drei Minuten nach Melichs Schuss: Ecke von Kevin Lohrke und Christian Dirksen köpft zu Führung ein. Wolf sah zumindest unglücklich aus, als ihm der Ball von den Handschuhen ins Netz sprang.
Victorias einzige gute Möglichkeit in den ersten zwanzig Minuten vergab Benny Hoose, der einen Freistoß direkt vor der 16 Meter-Grenze knapp vorbei setzte. Auf der anderen Seite weiter große Augen in Vickys Hintermannschaft: Matthias Chmielweski schießt, Wolf pariert das Leder in Richtung Mitte und Jan Melich schiebt zum 0:2 ein. Spätestens jetzt war Wolfs Großtat aus der vierten Minute vergessen, Melichs süße Rache nach seinem unrühmlichen Abgang bei Vicky letzte Saison (weil er im DFB-Pokal-Spiel gegen Wolfsburg nicht in der ersten Elf stand).
Zwei Tore hinten gegen einen krassen Außenseiter, erst letzte Woche hatte Victoria genau so in Halstenbek verloren und musste auch noch auf Schultz und Vierig verzichten, die rot gesehen hatten. Aber es ging ein Ruck durch die Mannschaft, und in der 26. Minute ging auch ein Ruck durch Rugenbergens Torwart, Dennis Schultz. Ein eigentlich harmloser Freistoß von Hoose, den der Keeper sicher runterholt. Doch Schultz lässt den Ball fallen, Roger Stilz knallt ihn zum Anschluss in die Maschen. Vicky wiederbelebt.
Acht Minuten danach lässt Cetinkaya eine Hereingabe von Lauer durch, Hoose trifft zum Ausgleich. Der blaue und gelbe Qualm im Block der ca. 12 Nordkaoten war gerade verraucht, da hatten die Gastgeber das Spiel gedreht. Ecke Hoose, Verlängerung, der kleine Cetinkaya per Kopf zum 3:2 (38.).
Die zweite Halbzeit lebte nicht mehr von Qualität und Finesse wie der erste Durchgang, sondern von knisternder Spannung. Rugenbergen steckte keineswegs auf und hätte den Ausgleich mindestens ebenso verdient gehabt, wie Vicky den Sieg. In der 55. Minute flankte Fin Heidebrecht schön vor das Tor und Dirksens Kopfball war eigentlich schon drin. Aber Dennis Wolf zeigte wieder sein anderes Gesicht, fischte den Ball klasse aus dem Winkel. Für die Gastgeber bediente Matthias Hinzmann Hoose aus dem Halbfeld, doch der hatte freistehend vom Elfmeter-Punkt keine Ruhe, knallte volley daneben (72.). Die letzte Szene eines tollen Abends hatte Rugenbergen in der vierten Minute der Nachspielzeit, Hinzmann klärte Tim Webers Schuss auf der Linie.
„Wir haben das optimale gemacht am Anfang, ein 2:0 nach zwanzig Minuten muss Sicherheit geben“, analysierte Ralf Palapies später. Rugenbergens Coach musste aber anerkennen, dass das nicht so funktioniert hatte: „Wir haben das aus der Hand gegeben. Aber aufgrund der Mannschaftsleistung ist mir nicht Bange. Das Spiel heute hat einfach Spaß gemacht, und das ist bei einem Club wie Rugenbergen das wichtigste.“
Für Lutz Göttling und Victorias teuren Kader zählen neben dem Spaß vor allem die nackten Resultate, darum war der Trainer erleichtert: „Ein glücklicher Sieg, aber das zählt in unserer Situation nicht. In den ersten 20 Minuten herrschte Konfusion.“
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