16.10.2011 Bergedorf und Norderstedt fighten mit allen Mitteln von Christopher Herbst
FC Bergedorf 85 – Eintracht Norderstedt 1:1 (1:0)
FC Bergedorf 85: Braun – Pettersson, Sobczyk, Brown, M. Meyer – Schmer, Ioannou (90. Otte) – F. Meyer (68. Fernandes), de la Cuesta, Landau - Kunath Eintracht Norderstedt: Kindler – Schuhmann, Ribeau (76. Scharkowski), Hengelbrock, Trefzger – Browarczyk, Koch – Ljubisavljevic (76. Kummerfeld), Siedschlag (85. Hirschlein), Lindener – Sa Borges Dju Tore: 1:0 Kunath (7.), 1:1 Sa Borges Dju (57.) Gelb-Rote Karte: Kunath (71., Bergedorf) Schiedsrichter: Marcel Hass (Germania Schnelsen); Er wird nach Schlusspfiff tief durchgeatmet haben. Jeder Zweikampf war umstritten, die Bergedorfer schimpften über die vielen (berechtigten) Gelben Karten und insbesondere den Feldverweis von Yayar Kunath. Hier zögerte der Referee keine Sekunde, während der Sünder beteuerte, kein Simulant zu sein. Aus großer Entfernung war nicht zu erkennen, wessen Version korrekt ist. Ansonsten war die Gestik des Schiedsrichters streng, aber verständlich für alle Beteiligten. Beste Spieler: Kunath, M. Meyer, de la Cuesta – Sa Borges Dju, Siedschlag Zuschauer: 220
Die mitgereisten Fans der „Norderstedter Arroganz“ waren hellauf begeistert. Da machte sich doch tatsächlich Oliver Hirschlein zur Einwechslung bereit. Für wenige Minuten ging es also in die Vergangenheit mit dem heute 40-jährigen Torjäger-Oldie, der sich bereit erklärt hatte, auszuhelfen, damit die Eintracht wenigstens drei Auswechselspieler haben würde. Der letzte Oberliga- bzw. Verbandsliga-Einsatz des ehemaligen Profis liegt lange zurück und war Ende 2007. Dann kamen die unrühmliche Weihnachtsfeier-Episode und die folgende Trennung. Heute sind alle Seiten wieder versöhnt: Hirschlein kickte letzte Saison noch in der Kreisliga für die Reserve und schoss sagenhafte 55 Tore; heute ist er in den Alten Herren zu Hause.
Viele der regulären Garstedter Kaderspieler könnten glatt die Söhne des Altstars sein. An einer Stätte, wo die Eintracht seit dem Wiederaufstieg noch nie gewonnen hat, taten sie in der Anfangsphase einiges dafür, damit dies sich nicht ändern würde. Kapitän Timo Trefzger würde später zu Protokoll geben, dass „ein Tabellenzweiter nicht so an ein Spiel herangehen“ dürfe. Schon nach sieben Minuten entwischte mit Yayar Kunath einer der prägenden Protagonisten des Mittags der Abwehr und schob an Marcel Kindler vorbei zur Führung ein. Einige Zuschauer sahen zwar eine Abseitsposition, doch generell stand die Innenverteidigung zu „hoch“ angesichts der Geschwindigkeitsvorteile des Bergedorfer Angreifers.
Der Rückstand eröffnete ein Dilemma. Norderstedt würde zwangsläufig offensiver spielen müssen, doch so versuchten die Hausherren oft, über Kunath, Jan Landau oder Sascha de la Cuesta die Räume zu finden und zu nutzen. Sobald ein Laufduell in Strafraumnähe anstand, schien ein Foulelfmeter oder eine aussichtsreiche Tormöglichkeit kaum vermeidbar. Das zweite Problem für die Gäste: Die Poschmann-Elf betrieb ein sehr intensives Pressing und setzte insbesondere Matthias Ribeau und Ole Hengelbrock unter Druck. Sobald diese mehrere Sekunden am Ball waren, wurden sie in Bedrängnis gebracht und schlugen oftmals nur unkontrollierte lange Pässe.
Unter dem Strich hätte die Führung deutlicher sein können, war aber zumindest verdient. Schon in den Minuten vor der Halbzeitpause ließ die Intensität der Heimmannschaft indes nach – Olaf Poschmann wollte nicht soweit gehen, dass es eine Kraftfrage sei. Und durchaus gingen die Hausherren auch in der spannenden Schlussphase noch hohes Tempo. Doch die folgende Matchanalyse ließ vermuten, dass hier ein allgemeines Konzentrationsmanko im Bergedorfer Team besteht.
Nach dem Seitenwechsel erhöhte Eintracht Norderstedt die Schlagzahl. Es wurde früher gestört, es gab Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte und gelungene Dribblings. Dazu fungierte Ivan Sa Borges Dju als robuster Angreifer, der Prellblock und Verteiler gleichermaßen war. Da er viel Laufarbeit leistete, war er auch beim Ausgleich zur Stelle. Infolge eines Eckstoßes von Felix Meyer verlor Sascha de la Cuesta den Zweikampf gegen Stefan Siedschlag; Letzterer setzte sofort Sa Borges Dju ein, dieser schickte Steven Lindener auf links. Der erneute Querpass kam zum richtigen Moment, und Norderstedts portugiesischer Stürmer erzielte aus zehn Metern freistehend sein drittes Saisontor.
Bergedorf 85 fehlte der Zugriff auf die Begegnung. Die Spieler kamen in vielen Zweikämpfen zu spät, begingen somit Fouls und verloren ob der folgenden Gelben Karten den Rhythmus. Eine Schlüsselszene war der Platzverweis von Yayar Kunath (71.). Dieser kam im Duell mit Matthias Ribeau zu Fall – Referee Marcel Hass pfiff sofort. Viele hatten einen Strafstoß erwartet, doch stattdessen gab es „Gelb-Rot“ wegen einer vermeintlichen Schwalbe. Eine knifflige Entscheidung, soviel ist klar. Damit fehlte Bergedorf nun ein wichtiger Faktor in der Offensive.
Doch auch Norderstedt verliert einen wichtigen Mann. Ishmael Brown erwischte Ribeau offenbar mit dem Ellenbogen an der Schläfe – jedenfalls gab es wütende Vorwürfe seitens der Eintracht. Deren Innenverteidiger hatte sofort eine von weitem sichtbare Schwellung an der Schläfe und musste ausgewechselt werden.
Das Freistoßtor von Steven Lindener in der 81. Minute war kurz darauf sehenswert. Aus 18 Metern in den Winkel, da hätte auch Marcel Hass wohl aus ästhetischer Sicht gerne das 1:2 gegeben. Doch dummerweise war es eine indirekte Standardsituation, so dass der Treffer zurückgepfiffen wurde – der frenetische Jubel bei den Gästen verstummte jäh. In den finalen Momenten ist es ein offener Schlagabtausch. Oliver Hirschlein belebt das Geschehen etwa mit seiner Präsenz und einigen guten Pässen. Auf der Gegenseite setzt Jan Landau nach einem Sololauf schon zum Torschuss an, ehe Marius Browarczyk noch den Fuß dazwischen bekommt. Gleichwohl trennen sich beide Klubs angemessen mit 1:1. Nach der Schnelsener Niederlage ist Eintracht Norderstedt somit nur noch zwei Punkte hinter Spitzenreiter Germania Schnelsen. Das Heimspiel am kommenden Freitag gegen Altona 93 hat aufgrund der aktuellen Konstellation somit einen vielversprechenden Charakter erhalten.
Stimmen:
Matthias Dieterich (Trainer Eintracht Norderstedt; in Vertretung für Andreas Prohn): Es war ein intensives Oberliga-Spiel zweier ambitionierter Mannschaften. Wir können mit dem Punkt leben, das Ergebnis geht in Ordnung. In der ersten Halbzeit waren wir 20 Minuten lang nicht präsent. Mit zunehmender Dauer wurde es lebhafter. In Überzahl hatten wir Möglichkeiten zur Entscheidung, aber nichts Zwingendes. Das mit dem aberkannten Freistoßtor ist schade, aber bei Pech laufen wir in einen Konter. Das hat Bergedorf zum Schluss immer wieder sehr gut gemacht.
Olaf Poschmann (Trainer FC Bergedorf 85): Das 1:1 geht in Ordnung. Man hat gesehen, dass meine Mannschaft nicht nur guten Fußball spielt, sondern auch kämpfen kann. Die Hinausstellung von Yayar Kunath war spielentscheidend und fragwürdig. Er ist nach dem Zweikampf gleich wieder aufgestanden. Im Training führen wir viele Gespräche darüber, woran es liegt, dass wir loslegen wie die Feuerwehr, aber nach kurzer Zeit die Dynamik fehlt. Man kann so ein Tempo nicht die ganze Spielzeit gehen – mir wäre es in Intervallen lieber.
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