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19.03.2012
Rückblick: Die Bayern aus Bönningstedt von Folke Havekost




Alle reden von Bayern, wir reden vom Wetter. Morgen fängt der Frühling an. Dann sprießen die Tore bestimmt auch wieder in der Oberliga wie jetzt nur in bajuwarischen Gefilden. Ganze 23 Treffer in neun Spielen brachte Hamburgs Amateurelite am letzten Winterspieltag zustande, kaum mehr als der FC Bayern allein gegen Hoffenheim, Basel und Berlin.

Am wenigsten ein Vorwurf ist daraus dem lärmschutzverordnungsverschärfungsbedrohten Oststeinbeker SV zu machen. Die Stormarner erwiesen sich im Heimspiel gegen Curslack-Neuengamme als perfekte Leisetreter. Kein Torschrei störte die Nachbarschaft, kein Verzücken, kein Gewimmer. Das 0:0 gegen den Meisterschaftsanwärter war nichtsdestotrotz ein kleiner Erfolg, den das Kohfahl-Team ganz im Sinne von Kultur- und Hauptausschuss der Gemeindevertretung aufnahm: mit gedämpfter Freude.

Ganz anders die Situation beim Meiendorfer SV, der sich von einem frühen 0:1-Rückstand nicht beirren ließ und Germania Schnelsen die Möglichkeit zur 24-Stunden-Tabellenführung verwehrte. Groß war der Jubel nach dem erstaunlich souverän herausgespielten 2:1, vor allem bei Winter-Neuzugang Yiner Ronal Arboleda Sanchez: Beim Debüt gegen Curslack kam sein Treffer zum 1:2-Endstand zu spät, bei Paloma wurde er kurz nach seiner einzigen (vergebenen) Chance Gelb-belastet ausgewechselt, im dritten Auftritt nun verbuchte der 22-Jährige sein erstes entscheidendes Tor – und stand hafo danach über Zukunftspläne Rede und Antwort ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=4744).

Wohin Arboleda Sanchez’ Weg auch führen mag, vom Meiendorfer Weg war selbst ein Spitzenteam wie Buchholz 08 derart beeindruckt, dass es das „2:1 nach 0:1“-Drehbuch gegen Condor nur einen Tag später übernahm. Gar nicht so beeindruckt war allein der Meiendorfer Trainer. Er sei „im Prinzip stinksauer“, befand Matthias Stuhlmacher, denn würde seine Elf öfter so auftreten wie gegen die Germanen, dann könnte die Oberliga-Saison 2012/13 an der B 75 längst geplant werden. So aber braucht es noch allerlei Mühen, um sich aus dem Abstiegssumpf zu ziehen. Wir verweisen auf Arboleda Sanchez: „Wenn die Einstellung stimmt, kann man viel erreichen.“

Schnelsens Coach Juri Savitchev, der Klaus Thomforde vertrat, wunderte sich dagegen nicht nur über den schwachen Auftritt seines Teams: „Wir haben überhaupt keine Torchance gehabt und sind trotzdem in Führung gegangen.“ Wenn auf so eine Aussage dann noch ein Satz der Qualität „Insgesamt haben wir daher glücklich gewonnen“ folgen kann, ohne mit der Realität über Kreuz zu kommen, dann ... ja dann sind wir bei einer Altmeisterin, die sich am Wochenende deutlich cleverer zeigte als Germania.

Victoria gewann 2:0 in Altona, und wir wollen nicht verschweigen, dass Jan Vierig nach einer Viertelstunde eine gute Gelegenheit für Vicky besaß, die nicht zum Tor führte. Dann aber bestimmte fast nur noch Altona 93 das Geschehen, vergab Chance um Chance – Victoria-Torwart Christian Schau trug einen großen Teil dazu bei – und legte sich den Ball schließlich selbst ins Netz. Altonas Verteidiger Jan Savelsberg fälschte einen Querpass von Jan Vierig Richtung kurzes Eck ab, AFC-Keeper Oliver Hinz war schon entgegengesetzt unterwegs, um einen Schuss von Nico Patschinski zu erwarten – und musste die Kugel dann neben sich ins Gehäuse rollen sehen. Nach der gelb-roten Karte für Altonas Benjamin Lipke brachten die Hohelufter die Führung nicht nur über die Zeit, sondern bauten sie kurz vor Schluss gar noch aus, was uns höchsten Respekt abnötigt: Benny Hoose verwandelte einen Elfmeter, obwohl wir an dieser Stelle ja erst vor einer Woche bewiesen haben, dass dies eigentlich unmöglich ist ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=4736).

Kein Wunder also, dass die Victorianer nach dem Spiel als die „Bayern der Oberliga“ bezeichnet wurden. Eher die Alt-Bayern, möchten wir ergänzen, zu Zeiten als die CSU den Freistaat noch allein regierte und München nicht nur für Föhn, sondern auch für Dusel bekannt war. Für den unbedingten Tordrang der Neu-Bayern sind in Hamburg ja eher andere zu haben. Nein, wir meinen nicht den Niendorfer TSV, der sich stattdessen die höchsten Weihen des digitalen Fußballs verdient, der nur mit Einsen und Nullen auskommt. Die Niendorfer ordneten die beiden Ziffern bei ihren jüngsten Auftritten auch noch in günstiger Reihenfolge an. Benjamin Brameier trifft, Klappe zu: Einsnull gegen Altona. Ole Natusch trifft, Klappe zu: Einsnull in Halstenbek. St. Pauli-Trainer André Schubert soll am Sonntag ein ums andere Mal neidisch auf Niendorf geschaut haben.

Aber eigentlich waren wir ja beim Stichwort Tordrang. Hinauf zu den Elstern also, die sich von den Niederlagen bei Victoria in Liga und Pokal nicht beirren ließen und gegen den VfL Pinneberg zumindest in der zweiten Halbzeit demonstrierten, warum sie derzeit das Maß aller Dinge sind. Nach torloser erster Hälfte gewann Bergedorf 85 noch mit 4:1. Jan Landau traf dabei doppelt, Christopher Mahrt „nur“ einfach, war aber dennoch ein besonderer Doppel-Torschütze. Am Vortag im Hunsrück unterwegs, traf der 23-Jährige für das Team Yasar, das sich durch ein 8:7 in Unzenberg für die Endrunde um die deutsche Futsal-Meisterschaft qualifizierte ( http://blog-trifft-ball.de/blog/2012/03/futsal-langsam-steigt-der-puls/2/).

Auch die Hamburg Panthers, für die Bergedorfs Michael Meyer der kleineren Kugel nachjagt, erreichten das Final Four am 20. und 21. April im fernen Lübeck, was auch für die Oberliga nicht uninteressant ist. Am 20. April tritt Bergedorf 85 bei Eintracht Norderstedt an, da wird die in Fußballerkreisen so gern bemühte Doppelbelastung zur simplen Terminkollision.

Wo wir gerade bei Norderstedt sind: Die Eintracht hatte zuletzt ja nicht gerade überzeugt, aber bekanntlich ist alles eine Frage der Perspektive. Für trübselige Tauben sehen schon normale Norderstedter wie bedrohliche Bayern aus. Acht Treffer kassierte der USC Paloma in Pokal (0:5) und Liga (0:3) gegen die Holsteiner. Man habe „nett mitgespielt“, urteilte Trainer Marco Krausz, ein nüchterner Satz des hafo-Berichterstatters lässt Böses ahnen: „Anhaltspunkte für ein Comeback des USC Paloma ... lassen sich nicht finden.“ ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=4746).

Zumal die Konkurrenz fleißig punktet. Die Tauben sind jetzt wieder Vorletzter, weil Vorwärts-Wacker in letzter Sekunde ein 2:1-Erfolg gegen Schlusslicht Sasel gelang. Verteidiger Christian Bollweg schoss in der Nachspielzeit den Siegtreffer, der wieder ein kleines Licht der Hoffnung in Billstedt flackern lässt. Der zweite Dreier im dritten Spiel für Trainer Wolfgang Krause, der sein Amt vor zwei Wochen mit einem 1:0 in Rugenbergen begann.

Und damit kommen wir zu den eigentlichen Bayern der Oberliga: Geschockt und an sich selbst zweifelnd wie das Jupp-Heynckes-Ensemble nach der Pleite in Leverkusen, stand auch der SV Rugenbergen nach der Heimniederlage gegen Vorwärts-Wacker da. Doch Gegner VW warf den Motor der Bönningstedter erst an, danach war Durchstarten angesagt. 2:0 bei Condor, 3:0 gegen Vier- und Marschlande – das sah zwar nicht immer so aus wie bei Ribery & Robben, lässt aber auch kaum Zweifel zu: Das Team von Ralf Palapies hat den Abstiegskampf angenommen. HSV-Trainer Thorsten Fink soll am Samstag ein ums andere Mal neidisch auf Rugenbergen geschaut haben.


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