02.04.2012 Rückblick: Auf zu neuen Ufern! von Folke Havekost
Manchmal hängt so ein Bild noch im Wartezimmer von Arztpraxen: Vorne ist die Skyline von Hamburg zu sehen, mit Rathaus, Michel und Co. detailliert gezeichnet. Dahinter ein bisschen Wasser und ganz hinten, ganz klein und ganz verschwommen: New York.
Nicht nur der Hamburger Arzt als solcher sieht seine Stadt gerne als Mittelpunkt des globalen Geschehens. Die alte Straßenbahn fuhr ja schließlich auch nicht über den Atlantik. Dem Mutigen, setzen wir dem entgegen, gehört die Welt. Die liegt aber auch für Hamburger hinterm Wasser, für Oberligisten heißt sie Regionalliga. Also gratulieren wir zunächst Bergedorf 85 und dem SC Victoria, die zu neuen Ufern aufbrechen wollen.
Diesen Mutigen gehört die künftige Regionalliga Nord, deren Umrisse ähnlich unscharf sind wie New York für den Hamburger Lokalpatrioten. BV Cloppenburg, Goslarer SC, TSV Havelse, Holstein Kiel, VfB Lübeck, SV Meppen, VfR Neumünster, FC Oberneuland, VfB Oldenburg, BSV Rehden, SV Wilhelmshaven sowie die Zweitvertretungen vom Hamburger SV, FC St. Pauli, Werder Bremen, Hannover 96 und VfL Wolfsburg – das wären nach jetzigem Stand die Gegner, wenn beide Hamburger Vereine der Oberliga Ade sagten. Der Verlierer des Rennens muss ja noch Aufstiegsspiele bestreiten, derzeit gegen Weiche Flensburg und den SV Holthausen-Biene.
Nicht nur deshalb gilt die erste Aufmerksamkeit dem Meisterschaftskampf, in dem beide Regionalliga-Kandidaten im Moment vorne liegen. „Wer schlechte Spiele gewinnt, wird Meister“, urteilte ein Vicky-Insider über das 2:0 des SC Victoria beim SV Rugenbergen, mit dem die Hohelufter für 24 Stunden die Tabellenspitze übernahmen. Der Doppelpack von Benny Hoose war in Bönningstedt genug für den fünften Sieg in Serie. In der Hinrunde spielte Vicky oft besser als es das Ergebnis aussagte, in der Rückrunde verhält es sich manchmal umgekehrt.
Bergedorf 85 nahm sich daran ein Vorbild und eroberte die Tabellenführung mit einem glanzlosen 1:0 gegen Paloma prompt zurück – „sagen wir mal in Vicky-Stil gewonnen“, wie der 85-Live-Ticker feststellte. Nachdem im Derby bei Curslack-Neuengamme Genie und Wahnsinn sich 90 Minuten lang gegenseitig zu übertrumpfen versucht hatten (und Wahnsinn mit Unterstützung von Veselinovic gewann), war es diesmal ein sehr nüchterner Elstern-Sieg.
Aber es war ein Sieg. Gut tat das vor allem Jan Landau, dessen Platzverweis in Curslack sein Team ins Schlingern gebracht hatte. Diesmal wurde sein Schuss von Palomas Marcel Gottschalk zum Siegtor abgefälscht. Auch das durchaus Vicky-Stil, schließlich hatte ein ähnliches Altonaer Eigentor vor zwei Wochen den dortigen Sieg der Hohelufter eingeleitet.
In Altona schaute am Sonntag ein weiterer Meisterschaftsanwärter (ohne Aufstiegsambitionen) vorbei. Curslack-Neuengamme präsentierte sich als robuste Einheit und entführte einen 3:2-Erfolg von der Adolf-Jäger-Kampfbahn. Die in Weiß und Babyblau gekleideten Vierländer mussten sich auf Geheiß des Schiedsrichters neongelbe Leibchen überstreifen, gegen die selbst der blühendste Raps vor Neid erblasst wäre. Gerade, als sie ihre Zusatztracht nach Schlusspfiff abstreiften, ertönte aus den Altonaer Lautsprechern der Bob-Dylan-Klassiker „It’s all over now, baby blue“. Dabei ist das Team von Torsten Henke doch gerade drauf und dran, sich mit einem Sieg morgen beim USC Paloma auf Platz zwei zu pirschen.
Mit drei Nachholspielen in der Hinterhand ist auch Buchholz 08 noch zu den Meisterkandidaten zu zählen. Mit einiger Mühe gewannen die Nordheidjer ihr Heimspiel gegen Niendorf 2:1, aber der Gegner war zuletzt ja so etwas wie die Mannschaft der Stunde. Schwer tat sich eine Halbzeit lang auch Herbstmeister SC Condor, der mit dem 3:0 gegen Schlusslicht Sasel aber den zweiten Dreier in Folge einfuhr. Da auch Nils Roschlaub wieder trifft, errechnen wir noch kleine Außenseiterchancen für die Raubvögel auf Platz eins.
Einziger Titelkandidat ohne Sieg blieb damit Germania Schnelsen, das in Oststeinbek mit einem 1:1 zufrieden sein musste. Nach dem Platzverweis für Schnelsens Marin Mandic kurz nach Wiederanpfiff waren die Oststeinbeker sogar drauf und dran zu gewinnen. Es wäre der zweite Erfolg in einer Woche gewesen, ist die Verschärfung der Lärmschutzbestimmungen auf der Anlage am Meesen doch zunächst vom Tisch. Die Parteien wollen noch mal drüber reden. In aller Ruhe, versteht sich.
Ruhe ist eine Tugend, die Meiendorf demonstriert hat. Neue Mannschaft, schwacher Start ... nicht wenige sahen den langjährigen Titelkandidaten schon auf dem Weg in die Landesliga. Beim MSV konnte Trainer Matthias Stuhlmacher aber ohne Störfeuer arbeiten: Das 1:0 bei Eintracht Norderstedt war die jüngste von zuletzt zahlreichen Belohnungen. Wir haben es ja lange auch nicht geglaubt, aber ein Blick in den Duden belehrte uns eines Besseren: Meiendorf und Mittelfeldplatz fangen tatsächlich mit demselben Buchstaben an.
In Billstedt herrscht Bedrängnis, freier Fall in den Vierlanden. Vorwärts-Wacker hat unter Wolfgang Krause offenbar in die Heimerfolgsspur gefunden, das 3:1 gegen den SC Vier- und Marschlande war der zweite Sieg nacheinander am Öjendorfer Weg. Vier Heimspiele haben die Billstedter noch, mit zwölf Punkten wäre der Klassenerhalt in greifbarer Nähe. Angesichts der Gegner Victoria, Curslack-Neuengamme, Schnelsen und Norderstedt sollte VW aber auch auswärts in die Spur finden, wenn der Endspurt nicht vergeblich sein soll. Bei allem Respekt vor Billstedts neuem Frühjahrsschwung: Dort chancenlos zu sein, ist kein gutes Zeichen. Spätestens seit gestern befindet sich der Vierländer Aufsteiger im Abstiegskampf.
Wenn zwei Mannschaften gegeneinander antreten, für die es weder um die Meisterschaft noch um den Klassenerhalt geht, dann lässt sich immer noch auf den Pokal zurückgreifen. Halstenbek-Rellingen hatte das Hinspiel beim VfL Pinneberg 2:1 gewonnen, nun revanchierten sich die Pinneberger mit einem klaren 3:0 beim Lokalrivalen. Dass VfL-Torjäger Thorben Reibe zunächst passiv blieb, war alles andere als tröstlich für HR. Denn Reibe stand im passiven Abseits, als eine Flanke von Jan Eggers zur Pinneberger Führung ins Netz rutschte. Das war aber auch genug der Passivität, befand Reibe und schoss das 0:2 selbst. Ein wichtiger Treffer, der Auswärtstore wegen: Er habe danach einige Glückwünsche zum „Gewinn des Derby-Europapokals“ empfangen, verriet VfL-Coach Michael Fischer, dessen Mannschaft nach Monaten nun endlich wieder musikalisch auf die Tabelle schauen und „Die Nummer eins im Kreis sind wir“ anstimmen kann.
Halstenbek-Rellingen hat am Karfreitag immerhin die Möglichkeit, es im „echten“ Pokal besser zu machen und über die Hürde Poppenbüttel ins Viertelfinale einzuziehen. In der jüngeren Vergangenheit war der Oddset-Pokal ja die einzige Möglichkeit, den Hamburg-Horizont hinter sich zu lassen. Muss ja nicht gleich New York sein.
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