10.04.2012 Pokal: Niendorf geht ohne Rose nach Hause von Andreas Killat
Viertelfinale
TuS Germania Schnelsen – Niendorfer TSV 4:0 (0:0)
TuS Germania Schnelsen: Grubba – Ferck, Schulz, Mandic, Demirci – Thiessen (83. Sultani), Kamalow – Özbek (80. Ringger), Rahn – M. Tunjic (83. Almasi), J. Tunjic Niendorfer TSV: Tholen – Natusch, Heysen, Mensah (77. Janke), Adomah – Kocadal, Ucan (66. Geist) – Schumacher (75. Brameier), Schwoy, Wilhelm - Koberger Tore: 1:0 Rahn (55.), 2:0, 3:0 J. Tunjic (62./81.), 4:0 Ringger (88.) Schiedsrichter: Patrick Schult (SC Osterbek): Der Regionalliga-Schiri strahlte eine ungeheure Souveränität aus. Gut! Beste Spieler: Özbek, Rahn, J. Tunjic – keiner Zuschauer: 618 Zahlende (insgesamt ca. 750)
Mal wieder Derby-Time am Riekbornweg. Nach den beiden torreichen Begegnungen in der Oberliga (4:2/2:2) stand heute zum dritten Mal in der laufenden Saison das Duell aus dem Hamburger Nord-Westen auf dem Programm. Beide Sportplätze liegen nur rd. 3 KM Luftlinie auseinander, dennoch gab es in den vergangenen 65 Jahren erstaunlich wenig gemeinsame Spielzeiten in einer Liga. So traf man sich 1946 nach dem Krieg zu einem Pflichtspiel (das Ergebnis ist leider nicht überliefert), danach trennten sich für 30 Jahre die Wege beider Klubs (siehe Statistik am Ende des Berichtes). Insbesondere in der Saison 1962/63, also vor genau 50 Jahren, war der Unterschied maximal: Germania kickte in der höchsten Hamburger Amateurliga, Niendorf dümpelte in der Kreisklasse herum. Dafür fügte der NTSV dem Nachbarn aber eine der bittersten Punktspielniederlagen aller Zeiten zu: Nach der 0:10-Pleite (!) im Weltmeisterjahr 1990 stieg Schnelsen nämlich in die Kreisliga ab, erholte sich davon allerdings recht schnell und avancierte seit Mitte der Neunziger Jahre zum Verbandsliga-Dauergast (bis auf eine dreijährige Auszeit in der Landesliga Hammonia). Auch für die Niendorfer, die in ihrer Vereinshistorie vornehmlich auf Bezirksligaebene zu finden waren, markierte der Abstieg in die Kreisliga 1999/00 einen Wendepunkt. Es folgten drei Meisterschaften in vier Jahren und 2004 der erstmalige Aufstieg in die jetzige Oberliga Hamburg.
Doch zurück zur Gegenwart, die mit dem heutigen 2.000-Euro-Spiel (soviel gibt es von Sponsor Oddset für den Halbfinaleinzug) nur noch einen Steinwurf von den ganz großen Fleischtöpfen (DFB-Pokal) entfernt liegt. Die Geschichte der ersten Halbzeit ist schnell erzählt: Beide Teams agierten vor großer Kulisse übervorsichtig, wollten zunächst um jeden Preis einen Fehler vermeiden. Neben Rahns Freistoß (24.), den Keeper André Tholen sicher aus dem kurzen Eck fischte, war nur noch die von Tim Schumacher zerschossene Scheibe (!) im 2. Stock der gegenüberliegenden (stillgelegten) Papierfabrik erwähnenswert (32.).
In der zweiten Halbzeit änderte sich das Bild aber grundlegend. Germania gab nun Vollgas, während die Gäste unerklärlich passiv blieben. „Entscheider“ Stephan Rahn legte den Grundstein für fantastische zweite 45 Minuten. In einer Mischung aus Franck Ribery, Lionel Messi und Raul dribbelte der DFB-Pokalerfahrene Supertechniker mit Vollspeed in den Strafraum hinein, umkurvte die Niendorfer Abwehrspieler wie Slalomstangen und „chipte“ den Ball halbrechts am Fünfmeterraum mit links gekonnt ins lange Eck (55.). Ein Wahnsinnstor. Weltklasse. Zusammen mit Burak Özbek auf der anderen Seite hatten die Hausherren eine perfekte „Flügelzange“ und trugen immer wieder brandgefährliche Angriffe vor. Wie beim zweiten Treffer: Özbek marschiert über rechts, flankt scharf in die Mitte und Kapitän Jürgen Tunjic vollendet aus kürzester Distanz (62.). „Solche Bälle brauche ich. Aus dem Halbfeld scharf rein. Da bin ich da. Immer! Das habe ich Burak in der Halbzeit auch gesagt“, strahlte der vorgestern 37 Jahre jung gewordene Angreifer – und legte gleich noch einen Treffer nach: Alexander Ringger (gerade erst 15 Sekunden auf dem Platz) verlängerte von Außen mit dem Kopf in die Mitte, Tunjic war wie versprochen zur Stelle (81.). „Wir waren überhaupt nicht nervös, sondern ruhig und geduldig. Taktisch und technisch ganz stark und überragend gespielt von uns“, meinte Tunjic nach dem Spiel (und stand mit dieser Meinung nicht alleine da).
Den Schlusspunkt unter einer sehenswerten zweiten Halbzeit setzte Ringger, der einen von Dariusch Almasi geschickt in die Mitte verlängerten Kopfball mit Tempo mitnahm und alleine vor Tholen keine Nerven zeigte und eiskalt verwandelte (88.). Für Niendorf ein gebrauchter Tag, der fatal an die letztjährige Halbfinalniederlage in Billstedt erinnerte. Also keine Rose für den „Bachelor“ Paul Janke, der unter dem Jubel seiner Fans (und vereinzelten Pfiffen) 13 Minuten vor Schluss eingewechselt wurde, es aber nicht in die nächste Runde schaffte. Nun weiß er mal, wie das ist.
Nach TuS Osdorf, Eintracht Norderstedt und dem SC Victoria komplettiert Germania Schnelsen das Halbfinalquartett und hofft nicht nur seit 1973 (1:2 gegen Poppenbüttel) auf seinen zweiten Finaleinzug, sondern zunächst morgen früh ab 9 Uhr vor dem (Alster-)Radio auf ein ganz bestimmtes Los: „Jetzt will ich Vicky haben“, sagte ein überglücklicher Holger Spethmann nach dem Schlusspfiff und lieferte den Grund gleich hinterher: „Bevor ich gegen die im Finale im eigenen Stadion spielen muss, wünsche ich sie mir lieber jetzt im Halbfinale bei uns“.
Punktspielbilanz aus Sicht des Gastgebers (seit 1946): 22 Spiele, 8 Siege, 4 Remis, 10 Niederlagen, 40:54 Tore
Frank Hüllmann (Trainer Niendorfer TSV): Das war nix. Bis zum 0:1 war es schon kein Spiel, wie ich es mir vorgestellt hätte. In einem Viertelfinale muss man viel heißer sein und viel mehr gegen den Mann und gegen den Ball arbeiten. Aber das haben wir überhaupt nicht gemacht. So fällt dann auch das erste Gegentor, wo wir Rahn unbehelligt durch unseren Sechzehner marschieren lassen. Allerdings hat Rahn natürlich auch die nötige Klasse für so was. Nach dem 0:2 sind wir dann gar nicht mehr hinten rausgekommen. Sehr bitter. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir hier so untergehen. Da war kein Mumm drin. Wir sind für solche Entscheidungsspiele anscheinend noch nicht gemacht.
Juri Savitchev (Co-Trainer TuS Germania Schnelsen): Wir haben heute mit viel Geduld gespielt. Ich habe zu meiner Mannschaft in der Halbzeit gesagt, dass wir unsere Tore noch machen, wenn wir den Druck erhöhen und so ist es auch gekommen. Die Jungs haben gut gestanden und nicht viel zugelassen. Wenn wir so spielen, sind wir nur schwer zu schlagen. Ich bin sehr zufrieden.
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