10.09.2012 Rückblick: Schnelsen sprintet an die Spitze von Folke Havekost
Nun also Germania. Im Halbmonatstakt wechselt die Oberliga ihren Spitzenreiter. Erst lag Aufsteiger FC Elmshorn zwei Wochen ganz vorn, dann drei Wochen lang der etablierte SV Curslack-Neuengamme. Beide trafen am Freitag aufeinander, und das 2:1-Ergebnis zugunsten der Holsteiner war ganz zur Freude eines Dritten: Mit dem gleichzeitigen, schwer erkämpften 2:0 gegen Barmbek-Uhlenhorst stieg Germania Schnelsen zum dritten Tabellenführer der noch jungen Saison auf. Zu viele Blumen müssen die Schnelsener aber nicht nach Elmshorn schicken, denn der FCE vertrat bei seinem Heimsieg vor 600 Zuschauern zuvorderst eigene Interessen. Jan Lüneburg erwies sich als nervenstarke Schütze vom Punkt und besiegelte mit seinem Elfmetertor die erste Saisonniederlage der bisherigen Nummer eins, die nun nur noch Nummer drei ist, weil Elmshorn sie überspurtet hat.
Ganz vorne aber Schnelsen. „Ich will nicht sagen wider Willen, aber gerechnet hat da bei uns keiner mit“, sagte Bert Ehm, der nun schon zwei Jahre lang nicht mehr Hamburger Meister geworden ist. Wie nachhaltig ist das Bild der derzeitigen Führungsgruppe? Halten sich die Schnelsener nun vier Wochen an der Spitze, um dann abgelöst zu werden? Ein wenig fühlen wir uns an Radrennen erinnert, wo sich Radler in Ausreißergruppen mit der Führungsarbeit abwechseln, um nacheinander auch den Rückenwind des Nicht-Führenden zu genießen. Die Führung mag noch manchmal wechseln, aber wir wagen die Prognose: Einen gänzlich neuen Spitzenreiter wird die Oberliga in dieser Saison nicht mehr sehen. Der kommende Hamburger Meister rekrutiert sich aus dem derzeitigen Spitzentrio.
Das 13-köpfige Verfolgerfeld wird jedenfalls ordentlich auf Distanz gehalten. Dort liegt gerade der VfL Pinneberg vorn, der vor allem in der zweiten Hälfte der sechsten Etappe kräftig in die Pedale trat und eine 1:0-Halbzeiführung gegen den SV Lurup zu einem 5:0-Kantersieg ausbaute. Wenn (Oberliga-)Fußball im Grunde wie Radfahren sein sollte, dann schadet es gewiss nicht, über einen passionierten Pedalritter als Trainer zu verfügen. Oliver Dittberner musste aber gar nicht unbedingt zum Zweirad greifen, um die vielleicht letzte Offensive des Hamburger Sommers zu genießen. Beim 4:0 gegen den USC Paloma verzückte ihn schon seine Elf von Altona 93.
Auch gelbe Trikots würden dann helfen, aber im Gelbe-Trikot-Derby zwischen Condor und Meiendorf konnte ja höchstens einer gewinnen. Das war der SC Condor, dessen 1:0-Erfolg durchaus glücklich zustande kam. Manchmal entscheiden ja Kleinigkeiten: Condors Torschütze Nils Roschlaub bändigte den Ball mit der Handbremse, Meiendorfs Elfmeterschütze Hannes Niemeyer dagegen wurde gebremst – von Condor-Keeper Sascha Kleinschmidt, der Ball und Sieg für die Raubvögel festhielt.
Nicht wegen radfahrbegeisterter Trainer oder den passenden Trikotfarben, nein – rein aufgrund ihrer fußballerischen Qualitäten hätten wir Buchholz 08 und Eintracht Norderstedt auch ein frühes Absetzen vom Feld durchaus zugetraut. Das bislang unschlagbare Buchholz vermied das mit einer Unentschieden-Strategie, Norderstedt mit einer Ausgeschieden-Strategie. Während die Nordheidjer übertriebene vier Mal zur Punkteteilung neigten, ließen die Norderstedter zwischendurch ihren Trainer fliegen, nachdem sie selbst aus dem Pokal geflogen waren.
Neue Trainer radeln gut? Nun, immerhin bewiesen beide Teams in der Otto-Koch-Kampfbahn, dass auch ein Positionsduell im Verfolgerfeld äußerst reizvoll sein kann. 2:0, 2:2, 4:2 – die Buchholzer hatten den besseren Start und das bessere Ende für sich und fuhren einen Sieg ein, der „richtungsweisend gewesen sein kann“, wie Trainer Thomas Titze hofft. Norderstedt hingegen darf sich zwar rühmen, als einziges Team zwei Treffer auf fremdem Platz gelandet zu haben, aber die Lenkung will nicht so recht funktionieren. Die Eintracht tritt auf der Stelle.
Weit weniger spektakulär war das torlose (und einzige!) Remis zwischen Bramfeld und Halstenbek-Rellingen. Für die Holsteiner war es in der eigentlich so torreichen Spielklasse schon das zweite Nullnull in Folge, und es war durchaus konsequent. Von skeptischen Beobachtern hieß es ja vor dem ersten Anpfiff (Bramfeld) bzw. nach dem zweiten Abpfiff (Halstenbek), dass beide Mannschaften es sehr schwer haben würden. Mit dem Unentschieden im direkten Duell konnten alle Beteiligten in der aktuellen, überraschend positiven Situation jedenfalls gut leben. Wie sagte Bramfeld-Trainer Hardy Brüning: „Unser Anspruch kann nur sein, jeden Punkt einzusammeln.“ So schnell muss keiner der beiden Klubs einen Platten befürchten.
An dieser Stelle sind wir aber doch froh, dass das Runde in der Oberliga normalerweise doch der Ball ist und nicht der Reifen. Denn ansonsten wären der SC Vier- und Marschlande sowie Bergedorf 85 langsam ein Fall für den Besenwagen, der die abgehängten Drahteselpiloten einsammelt. Mit etwas größerem Glück und Geschick stünde für die Vierländer sicher mehr als der eine kärgliche Zähler zu Buche – aber die 0:4-Klatsche beim mittwöchlichen Rafael-van-der-Vorfreude-Spiel in Niendorf gibt doch arg zu denken. Es lag jedenfalls nicht an der großen Gegenwehr des SCVM, dass die siegreichen Niendorfer zwei Tage später mit einem anderen Abstiegskandidaten nicht ganz mithalten konnten und dem HSV 2:11 unterlagen.
Der Hamburger Senat überlegt bekanntlich, die Simon-von-Utrecht-Straße zeitgemäßerweise in Rafael-van-der-Vaart-Straße umzubenennen, falls der wiedergewonnene Sohn das Abstiegsgespenst so effektiv bekämpft wie von Utrecht den Herrn Störtebeker im Jahre 1401. Okay, vielleicht haben wir die jüngsten Senatspapiere da nicht ganz genau gelesen, aber wir waren auch hauptsächlich darauf aus, in den Akten einen ausgearbeiteten Rettungsplan für Bergedorf 85 zu sichten. Vorlage „kleiner Engel“: alles klar. Vorlage „großes Wunder“: nicht zu finden.
Immerhin. Wer befürchtet hatte, die Bergedorfer würden binnen weniger Tage vollends auseinanderbrechen, der atmete mit dem – leicht verzögerten – Anpfiff an den Sander Tannen auf. Die Elstern traten nicht nur an, sondern lieferten, zumindest gemessen an den Turbulenzen in ihrem Luftraum, auch einen passablen Flug ab. Die Landung war aber doch unsanft: Ein spätes Gegentor, ein 0:1 gegen den SV Rugenbergen. Dass dies auch noch die einzige Heimniederlage des sechsten Spieltags war, ist sicher nicht die größte Kümmernis in Bergedorf. Aber es passt derzeit zur Einzigartigkeit und Einsamkeit der Elstern.
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