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05.11.2012
Rückblick: Oh sag, kannst du’s sehn (Buchholz auf der eins stehn) von Folke Havekost



Deutschland – Schweden 4:4, Reading – Arsenal 5:7 n.V., Moorege – Appen 4:5 … zuletzt wurde der Fußballfreund mit spektakulären Ergebnissen und Spielverläufen durchaus verwöhnt. Wir gieren nach Sensationen und überraschenden Wendungen, reden noch Tage, Monate, Jahre danach von solchen Spielen und wissen doch: Sie sind die Ausnahme, nicht die Regel. Aus dem Mut der Verzweiflung geborene Schlussminuten-Tore, die das zuvor Geschehene noch einmal völlig auf den Kopf stellen, kommen nicht alle Tage vor.

Zu solcher Gelegenheit lang und hoch und wild in den gegnerischen Strafraum geschlagene Bälle ähneln Wahlkampf-Endspurten, die den Umstand ignorieren, dass die Allermeisten sich längst festgelegt haben. Eigentlich kann dabei nichts rauskommen, aber vielleicht können wir ja doch noch das entscheidende Quäntchen zum Erfolg hinzusetzen. Nicht in der Oberliga: Fünf Heimsiege, drei Dreier für die Gäste, ein Unentschieden. Der 14. Spieltag lief in sehr geordneten Bahnen der Normalität ab. 28 Treffer (3,11 im Schnitt), kein Außenseitersieg, kein Last-Minute-Swing. Insofern hielt es die Spielklasse mit der Mehrheit in diesem Lande, die auf den amtierenden – und morgen favorisierten – US-Präsidenten Barack Obama setzt. Für eine erfolgreiche Aufholjagd Mitt Romneys bot jedenfalls keins der neun Spiele ein Vorbild.

Im Gegenteil: Das Spitzenduo aus Elmshorn und Buchholz verhielt sich in seiner Matchpolitik höchst professionell. Die erste Hälfte buchen wir als Nullnull ab und vergessen sie mal schnell, aber nach dem Wiederanpfiff trödeln wir auch nicht bis zur allerletzten Sekunde, um die Dinge für uns zu entscheiden. Der FC Elmshorn ließ sich 70 Minuten Zeit, bis Tim Jeske gegen Schlusslicht Bergedorf 85 den ersten Treffer markierte, Yannick Sottorf legte wenig später nach. Dass es nach dem Anschlusstor durch Yayar Kunath noch einmal eng wurde – fast geschenkt. Spitzenreiter dürfen sich genauso wie Präsidenten auch einmal ins Ziel retten.

Das 2:1 der Elmshorner reichte dann aber doch nicht ganz, weil zwar auch Buchholz 08 und der Bramfelder SV eine torlose erste Hälfte hinlegten, die Gastgeber nach dem Seitenwechsel aber umso stärker loslegten. Arne Gillich eröffnete nach 55 Minuten, Milaim Buzhala glänzte dann als Elferschütze und Sololäufer. Dank der besseren Tordifferenz langte es schließlich zur Auflösung der zweiwöchigen Doppelspitze, zur alleinigen Tabellenführung. Da wundert es nicht, dass mancher noch am Sonntagabend eine lokale Cover-Version der US-Nationalhymne („O say, can you see/ By the dawn’s early light“) durch die Wälder der Nordheide rauschen hörte: „Oh sag, kannst du’s sehn/ Buchholz auf der eins stehn“.

Mit dem (Last Minute!) Tor von Marcel Rodrigues imitierten die Buchholzer sogar den Ausgang der Baseball-World-Series: San Francisco Giants – Detroit Tigers 4:0. Und das kann nun wirklich kein Zufall sein.

Wobei, rein sportlich betrachtet, trennen die USA und unsereinen in der Nordheide, an der Alster oder auf dem Michel ja Welten. Da die US-Ligen keinen Auf- und Abstieg kennen, wäre die Begegnung zwischen Lurup und Meiendorf jenseits des Großen Teichs von beiden Trainern wohl genutzt worden, um Talenten eine Chance und vor allem Spielpraxis zu geben. So gesehen ist der SV Lurup sogar der amerikanischte Verein der Oberliga, denn dort spielen Woche für Woche fast nur Talente, für die die Oberliga hamburgischen Zuschnitts vielleicht doch ein Jahr zu früh kommt. Nach der neunten Pleite in Folge droht jedenfalls die kollektive Relegation in eine Minor League. Der Meiendorfer SV hingegen feierte mit dem 2:1-Auswärtssieg seinen ersten Erfolg nach vier zum Teil deutlichen Niederlagen. Die Punkte sorgen dabei wohl für mehr Entspannung als die Leistung, denn über weite Strecken präsentierte sich auch der Sieger nur bedingt oberligareif.

Genau diese Reife schien der SC Vier- und Marschlande in den vergangenen Wochen erworben zu haben. Ein Erfolg beim Scherner-Team wurde vom amerikanischen Geheimdienst zuletzt als ähnlich (un)wahrscheinlich eingeschätzt wie ein Romney-Sieg in New York oder ein Obama-Triumph in Texas. Drei SCVM-Heimsiege in Folge ließen auch Schnelsen mit gehörigem Respekt anreisen, doch ein einziger, früher Treffer von Sebastien Mankumbani genügte den Germanen, um sich nach einer drei Niederlagen währenden Durststrecke wieder an einem Dreier zu laben. Gerade rechtzeitig, um an einem hoffentlich nicht allzu kalten Freitagabend die bislang unbesiegbaren Buchholzer zu empfangen.

Unbesiegbar? Wenn wir uns Michael Fischer, geboren 1967, einmal kurz als Barack Obama vorstellen, dann war Altona 93 sein persönliches Utah. Der Staat, geprägt von Kirche (Mormonen) und Kirsche („Staatsobst“), bevorzugt seit 1968 stets republikanische Präsidentschaftskandidaten, vor vier Jahren erreichte Obama hier gerade einmal 34 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ähnlich chancenlos war Fischers VfL Pinneberg gegen Altona, das nur eine halbe Stunde zur 3:0-Führung benötigte. Manch Beobachter mochte da zwar unken, dass die Remiskönige aus Altona nur eine hervorragende Ausgangsposition für ein spektakuläres 3:3, 4:4 oder 5:5 geschaffen hätten, aber dass es bis zum Schlusspfiff bei diesem Ergebnis blieb, dürfte wenigstens den AFC-Anhängern als äußerst passable (wenn auch ungewohnte) „Normalität“ vorgekommen sein.

Normal erscheint derzeit auch, Eintracht Norderstedt zu einem Sieg zu gratulieren. Derzeit wirken die Holsteiner wie ein junger Senator, der seinen Wartestand für eine künftige Präsidentschaftskandidatur ausschmückt. Günstig für die Eintracht-Kicker: Es dauert bestimmt keine vier Jahre bis zur nächsten Chance auf den großen Wurf, vielleicht ja sogar nur Monate? 37 Jahre ist, nebenbei bemerkt, auch noch ein jungen Alter – nicht nur für Senatoren, sondern auch für Torjäger, wie Jürgen Tunjic erneut bewies. Zum fünften Mal in Folge traf Tunjic, zum fünften Mal gewann die Eintracht.

Der 1:3-Verlierer Barmbek-Uhlenhorst hingegen steht nun nur noch ganz knapp über dem Strich, unter dem, einen Punkt im Hintertreffen, der USC Paloma lauert. Die Tauben verloren in Curslack-Neuengamme ebenfalls 1:3, sogar mit der gleichen Torfolge wie BU. Die Curslacker bauten damit ihre Position als erster Buchholz-Elmshorn-Verfolger aus – mit weitaus besseren Chancen als die fünf US-Präsidentschaftskandidaten neben Obama und Romney, die theoretisch eine Mehrheit im Wahlmännergremium hinter sich versammeln könnten, faktisch aber nicht einmal Außenseiterchancen besitzen.

Anfangs klagten wir ja, dass auch dem 14. Oberliga-Spieltag ein Außenseitersieg fehlte. Ganz eindeutig war die Rollenverteilung allerdings in mancher Begegnung nicht. Hätten wir für Halloween ein Underdog-Kostüm erworben, wir hätten es am Wochenende vielleicht sogar leihweise Frank Hüllmann über die Ohren gezogen. Immerhin kam Rugenbergen, erste sorgenfreie Oberliga-Saison seit langem, zu seinen Niendorfern, die nach einem Aufwärtstrend zuletzt bei Paloma wieder gestolpert waren, was auch am falschen Schuhwerk gelegen haben soll. Diesmal hatten Hülles Jungs offenbar die richtige Fußkleidung an – vor allem Benjamin Slotty, der in der Schlussminute (!) aus über 80 Metern abzog und kurz darauf sein Tor zum 2:0-Endstand bejubeln konnte. Kein Last-Minute-Swing, aber ein Last-Minute-Happening am Sachsenweg.

Das größte Drama fand aber an einem Vormittag statt. Zur Halbzeit sah es im Sportpark Oldenfelde ganz danach aus, als sollte Halstenbek-Rellingen seine Erfolgsserie ausbauen. 13 Punkte sammelten die Baumschuler aus den fünf Spielen zuvor, drei davon allerdings vor dem Sportgericht, das die HR-Niederlage in Bergedorf in einen Sieg umwandelte. 2:0 führten die Gäste nun zum Pausentee, ehe auf Seiten des SC Condor Nils Roschlaub zu seinem Comeback kam. Der Goalgetter fand sich vorzüglich ein, verkürzte schnell auf 1:2 und war auch noch „schuld“ daran, dass Halstenbeks 0:1-Torschütze Robert Hermanowicz wegen eines Schubsers eine Viertelstunde vor Schluss vom Platz flog. Vorher hatte schon Mladen Tunjic Gelb-Rot gesehen, doch dann geschah Erstaunliches: Mit elf gegen elf hatte Condor auf 1:2 verkürzt, mit elf gegen zehn zum 2:2 ausgeglichen, mit elf gegen neun gelang … nichts. Oder zumindest sehr wenig, keine einzige Torchance war für die Raubvögel während der 15 Minuten in doppelter Überzahl zu verzeichnen. Da fehlte der berüchtigte Killer-Instinkt, und wir ahnten, warum auf dem US-Dienstsiegel dann doch nicht der Kondor, sondern ein Adler zu finden ist.


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