08.04.2013 Rückblick: Qualität rostet nicht von Folke Havekost
Vom Eise befreit sind Ball und Plätze durch des Frühlings holden belebenden Kick? Na, hoffen wir’s! Während der olle Goethe bei seinem Osterspaziergang durch Hamburgs Fußballwelt sich einzig und allein in Norderstedt nach einem Billet erkundigen konnte, ist der Spielbetrieb am ersten nachösterlichen Wochenende wieder auf Touren gekommen. Nach langem Warten zeigte sich die Oberliga entscheidungsfreudig (es gab nicht ein Unentschieden), aber auch wenig überraschend. Das obere Drittel des Tableaus gewann seine Spiele. Mag der Winter auch frostig, matschig und vor allem lang gewesen sein: Qualität rostet nicht – das war die Botschaft des ersten fast kompletten Spieltags nach der berüchtigten Märzpause.
Für einen Tabellenführer standesgemäß fuhr der FC Elmshorn den (geteilt) höchsten Sieg ein. 4:0 beim SV Rugenbergen, einem der wenigen Oberligisten, die getrost als Mittelfeldmannschaft bezeichnet werden können. Das hört sich nach einer eindrucksvollen Demonstration des Spitzenreiters an, ihre Rostprüfung hatten die Elmshorner schließlich schon am Mittwoch beim unspektakulären 0:0 gegen Buchholz abgelegt. Doch eine Stunde lang hielt der SVR gut mit und den Spielstand torlos. „In der ersten Halbzeit haben wir nicht genug abgerufen“, beobachtete FCE-Manager Eugen Igel, „da war Rugenbergen gleichwertig. Erst danach haben wir einen Zahn zugelegt und das Spiel im Griff gehabt“.
Alldieweil, wer nun an drei torlosen Halbzeiten in Folge der Elmshorner herumkrittelt, macht sich verdächtig, am liebsten Luxusprobleme zu bearbeiten. Gänzlich problemlos hingegen eilte mit Eintracht Norderstedt Verfolger Nummer eins zu einem 4:0 beim Schlusslicht SV Lurup, das in Erinnerung an den Winter seinen Grandplatz am Kleiberweg für die Gäste herausgeputzt hatte. Sechs Wochen zuvor (seitdem hatten die Luruper nicht mehr gespielt) gab es auf Grand ein knappes 0:1 gegen Altona 93, diesmal war schon nach 54 Minuten der 0:4-Endstand perfekt. Da fingen die Elmshorner in Rugenbergen gerade erst mit dem Toreschießen an. Spitzenteams und Regionalliga-Kandidaten haben halt unterschiedliche Strategien …
Zum 3:0-Zwischenstand für Norderstedt traf Jürgen Tunjic kurz nach der Pause. Sein jüngerer Bruder Mladen hatte eine Stunde und ein paar Minuten zuvor auch das 3:0 erzielt: für Halstenbek-Rellingen im Heimspiel gegen Bergedorf 85. Als der starke, von 85-Coach Kevin Strohbach in seine Mannschaft gewünschte Jacques Rodrigues de Oliveira in der 60. Minute auf 4:0 erhöhte, schien HR sogar zum Höchstsieger des Wochenendes aufzusteigen, doch Winterpausen-Neuzugang Dominic Ulaga verwandelte für die Elstern noch zwei Strafstöße zum etwas milderen 4:2-Schlussresultat.
Neben drei souveränen Spitzenteams gab es auch drei Vertreter unter den ersten Sechs, die bis zuletzt um ihren Sieg zittern mussten. Von ihnen trat Altona 93 am beeindruckendsten auf. Die 2:0-Pausenführung bei Germania Schnelsen hätte nach Wiederanpfiff eigentlich ausgebaut werden müssen. Stattdessen sorgte ein Germanen-Treffer von Torsten Lemke in der 84. Minute noch für etwas Bangen beim Altonaer Anhang, der mit dem Schlusspfiff aber die starke Bilanz von 17 Punkten aus den letzten sieben Spielen feiern durfte. Die Schnelsener hingegen mussten Platz sieben an den SC Condor abgeben, der sein Nordost-Derby beim Bramfelder SV 3:1 gewann und nun das Tabellenmitteldrittel anführt.
Doch zurück zur Spitzengruppe: Wie Altona lag auch Curslack-Neuengamme schnell 2:0 vorn und musste nach dem Gegentor durch Niendorfs Tim Schumacher noch um den Dreier fürchten. Es begann, so CN-Trainer Torsten Henke, „das große Schwimmen“, das wir eigentlich eher auf vermatschten Naturrasenplätzen als auf dem tadellosen kunstgrün der Vierländer vermutet hätten. Dem aktuellen „Sport-Mikrofon“ entnahmen wir gleichfalls, dass der niedersächsische Regionalligakandidat Lüneburger SK Hansa laut CN-Manager Jens Seddig gleich acht Curslack-Kicker in die Salzstadt locken will. An dieser Ablenkung lag es aber wohl eher nicht, dass die Hausherren Aluminium in Anspruch nehmen mussten, um den Sieg zu retten. Niendorfs Niklas Sellhorn traf in der 88. Minute die Latte.
Buchholz 08 lag als einziges Oberes-Drittel-Team sogar zurück. Aus eigener Sicht glücklicherweise nur 0:1, denn „wir hätten auch 0:4 hinten liegen können“, wie 08-Coach Thomas Titze die erste Halbzeit beim Meiendorfer SV zusammenfasste. Karol Tocha und Arne Gillich, jeweils nach Flanken von Julian Künkel, sorgten nach dem Wechsel für die Wende zum 2:1-Auswärtssieg. „Wir haben ein schlechtes Spiel gewonnen“, befand Titze danach. Sein Meiendorfer Pendant Matthias Stuhlmacher musste seine Mannschaft gar nicht schlecht sehen, wohl aber, wie zum wiederholten Male trotz aller Bemühungen nichts Zählbares heraussprang. Der Winter ist vorbei, der Abstiegskampf noch lange nicht.
Apropos Abstiegskampf: Während die Spitzenmannschaften mal früher, mal später ihre Zähne zeigten, standen in Barmbek zwei Begegnungen zwischen abstiegsbedrohten Mannschaften auf dem Programm. Barmbek-Uhlenhorst wurde 2013 nicht gerade von mildem Licht beschienen. 0:6 in Bramfeld, 0:0 gegen Rugenbergen – völlige Torflaute, wo schon ein einziger Sieg gereicht hätte, um Abstiegsplatz 16 zu verlassen. Zurück in „Barmbek Anfield“ gelang dieser nun gegen den VfL Pinneberg. Einmal Patrick Prinz und zweimal Tobias Beier sorgten für eine 3:0-Führung nach 67 Minuten, die die holsteinischen Gäste nur noch auf 3:2 verkürzen konnten. Der Rückkehrer und Doppeltorschütze Beier übernahm auch die rhetorische Aufmunterung der Barmbeker. „Der Verein macht einfach Bock“ und „Jetzt ist auch die Zuversicht wieder da“ sprach der 34-Jährige nach Schlusspfiff in die Aufnahmegeräte.
Schwacher Trost für die weiterhin gefährdeten Pinneberger, dass Flemming Lüneburg es mit seinem Tor zum 3:1 Bruder Jan nachtat, der am Vortag den 4:0-Endstand für Elmshorn bei Rugenbergen markiert hatte. Leistungsgerechtes 1+1:1+1-Unentschieden also im Brüderpaarduell Tunjic vs. Lüneburg.
Die zweite Begegnung von Brisanz in Barmbek fiel frühzeitig dem Wetter zum Opfer. Der USC Paloma konnte Vier- und Marschlande auf seinem Grandplatz nicht empfangen. Der Klub von der Brucknerstraße hat in den 46 Tagen bis zum (geplanten) Saisonende noch 16 Spiele zu bestreiten. Der nächste Versuch soll morgen (19.30 Uhr) gegen Bergedorf 85 stattfinden. Am Vormittag rollt eine Walze über den „roten Rasen“, falls er danach nicht bespielbar sein sollte, wollen die Tauben auf die HFV-Kunstrasenanlage an der Jenfelder Allee ausweichen. Gedankenspiele, zum geografischen und Tabellennachbarn auf den BU-Kunstrasenplatz am Langenfort umzuziehen, zerschlugen sich aufgrund des Nachholspielbedarfs der BU-Jugendmannschaften.
Eine weitere große Chance zur Stiftung einer Fanfreundschaft zwischen Paloma und BU ist damit vertan. HAFO empfiehlt den Anhängern der Tauben daher, spätestens an weiteren langen Spielausfallabenden Freundschaftsschals mit der Aufschrift „USC Paloma – Guernsey FC: Vereint im Nachholbedarf“ zu stricken. Denn auch der neuntklassige Guernsey FC hat noch 16 Spiele bis zum Saisonende in sechs Wochen durchzustehen. Am Wochenende hatten die Kicker von der Kanalinsel ein besonders intensives Programm: Freitags gewannen sie 2:0 bei („Oh, mein Gott, sie haben Kenny gefrostet“) South Park, am Sonnabend verloren sie daheim 1:2 gegen den Cove FC, gestern gab’s zuhause vor 963 Zuschauern immerhin ein 2:2 gegen Camberley Town.
Durchwachsene Resultate für den Tabellenvierten der „Cherry Red Records Combined Counties Football League Premier Division” (Irgendjemand interessiert an den Namensrechten der Oberliga Hamburg?). Viel Zeit, über ihre verbliebenen Meisterschafschancen nachzudenken, haben die Insulaner nicht. Schon morgen geht’s mit dem Spiel bei Farnham Town weiter, und für reisefreudige Tauben, die eine mögliche Tour nach Jenfeld abschreckt oder die schon einmal die Farbwahl für die Freundschaftsschals besprechen möchten: Anpfiff ist um 20.45 Uhr mitteleuropäische Zeit im „Memorial Ground“, Mead Lane/ West Street, GU9 7 DY Farnham, Surrey.
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