29.04.2013 Rückvorblickschau: Palapies auf Herbergers Spuren von Folke Havekost
90 Tore, 84 Punkte und mehr als passable Chancen aufs Triple: Der FC Bayern München scheint in dieser Saison anzutreten, um Sepp Herberger zu widerlegen. „Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht“, hatte der Weltmeistertrainer von 1954 Attraktivität und Faszination des Spiels in einen einfachen Satz gegossen. Das ist nun lange her, und um den prinzipielle wünschenswerten Zustand der Ungewissheit aufrechtzuerhalten, mussten sich folgende Generationen schon etwas überlegen.
Dafür (und natürlich, um Spielplangestalter zu ärgern) gibt es Englische Wochen. „Da kommen Ergebnisse zusammen, die nicht zusammen passen“, kleidete Rugenbergens Trainer Ralf Palapies die alte Herberger’sche Weisheit in neue, seiner Elf angemessene Worte.
Englische Wochen im April produzieren kuriose Resultate, davon können der FC Barcelona, Real Madrid und der SV Rugenbergen ein Lied singen. Die Bönningstedter hatten sich am Dienstag von Bramfeld auf eigenem Platz 0:4 abschießen lassen, um am Freitag mit einer tadellosen Leistung 3:1 an der Ochsenzoller Straße zu gewinnen, den einstelligen Tabellenplatz zu festigen und uns in Spannung zu versetzen, welches Gesicht der SVR morgen beim neuen Tabellenzweiten Altona 93 (18.30, Griegstraße) zeigt.
Mit ihrem Auswärtssieg setzte das Palapies-Team auch den Norderstedter Negativtrend fort. Schon morgen könnte der Hamburger Aufstiegsrunden-Teilnehmer damit sportlich feststehen: Falls Eintracht Norderstedt sein Heimspiel gegen Halstenbek (19.30, Ochsenzoller Straße) nicht gewinnen sollte, würde der FC Elmshorn mit einem Dreier zuhause gegen Lurup (19.30, Wilhelmstraße) alles klarmachen.
Doch Obacht! Die beiden morgigen Gegner der Regionalliga-Aspiranten spielten gestern gegeneinander, und so beeindruckend die HR-Saison insgesamt auch sein mag – derzeit wirkt der SV Lurup als höhere Hürde. Die Luruper besiegten Halstenbek 2:0, leisteten sich dabei sogar noch einen verschossenen Elfmeter – ungewohnter Luxus für einen Tabellenvorletzten, der sich offenbar gut aus der Liga verabschieden will. Für HR war’s die dritte Niederlage in acht Tagen, in der Englischen Woche passt es einfach nicht. „Statt Kampfgeist war Arroganz zu spüren“, bemängelte Manager Detlef Kebbe in der Pinneberger Zeitung.
An Kampfgeist mangelt es Paloma nicht. Und um Arroganz zu vermeiden, reicht den Uhlenhorstern schon ein Blick auf die Tabelle. In Niendorf gelang zwar das erste Auswärtstor seit dem 3. November, am Ende flatterten die Tauben aber doch mit einer 2:3-Niederlage nach Hause. Trainer Marco Krausz echauffierte sich vor allem über die Niendorfer 2:1-Führung kurz vor der Pause, der ein Handspiel vorausgegangen sein soll. „Der Linienrichter sagte in der Halbzeit zu mir, dass er wohl zu nah dran gestanden habe und es deshalb nicht sah“, berichtete Krausz und hatte im Hamburger Abendblatt gleich noch einen Tipp parat: „Dann muss er das nächste Mal weiter weg stehen!“
Paloma wartet damit weiter auf den ersten Dreier fernab vom eigenen Schlag. Ob sich dies morgen im Ornithologen-Derby beim SC Condor (18.30, Berner Heerweg) ändert, ist eher zweifelhaft. Im Hinspiel an der Brucknerstraße präsentierten sich die Farmsener bei ihrem 5:0-Kantersieg schließlich als echte Raubvögel.
Palomas Nachbar BU legt dagegen in der Englischen Woche richtig los. Frei nach Palapies: Was lange nicht passte, passt auf einmal vortrefflich. Vor knapp zwei Wochen, als das Team von Frank Pieper ein wechselhaftes Derby bei Paloma mit einem 0:0 beschloss, fragten wir uns, ob dieser eine Zähler nicht ein bisschen wenig sei. Und ob die Barmbeker wirklich genug Qualität für den Klassenerhalt besäßen. Vor lauter Zweifeln wurden wir schwach und begaben uns in die Arme von Versicherungsvertretern. Und siehe da, die wussten Bescheid: Eine BU-Qualitätsdiskussion geht an der Realität vorbei. ( http://www.versicherungsjournal.de/versicherungen-und-finanzen/bu-qualitaetsdiskussion-geht-an-der-realitaet-vorbei-114989.php)
Das stärkte nicht nur unsere Prognosekraft, sondern auch die Nerven der Spieler. Ein effizientes 1:0 gegen Vierlande, ein souveränes 3:0 in Halstenbek und nun sogar der Sturm auf die Festung Buchholz. Beim 3:2-Auswärtssieg paarte sich Effizienz in der Chancenverwertung mit einem spielerischen Qualitätsniveau, das vor einigen Wochen wohl nur Versicherungsvertreter ahnen konnten.
Die beste Versicherung, so haben wir es noch gelernt, ist eine starke Abwehr. Oder war Angriff die beste Verteidigung? Bergedorf 85 zeigte zumindest, dass seine Offensive etwas kann. Vier eigene Treffer bedeuteten Saisonrekord für die Elstern; dass Gastgeber VfL Pinneberg gleich ein halbes Dutzend Mal traf, war ein kleiner Schönheitsfehler. VfL-Trainer Michael Fischer konnte dem spektakulären Sieg nicht mehr abgewinnen als die drei Punkte. „In der Abwehr hatten wir Kreisklassen-Niveau“, befand Fischer nach dem Zehn-Tore-Kick in der Hamburger Morgenpost, immer noch verärgert über den „desolaten Slapstick-Fußball“ seiner Elf, die nach 20 Minuten sogar 0:2 hinten lag. Das morgige Heimspiel gegen Meiendorf (18.30, Fahltsweide) verspricht weniger Treffer, dafür aber mehr Brisanz.
82 Mal mussten die Elstern den Ball nun schon aus dem eigenen Netz holen. Eine Umwertung von 2:1 auf 0:3 (gegen HR) sowie ein mit 0:3 geahndeter Nichtantritt (bei Paloma) erhöhen die tabellarische Gegentrefferzahl auf 87. Die Bergedorfer müssen befürchten, dass das derzeit brillante Barmbek sie morgen (18.30, Krusestraße) noch deutlich näher an die 100-Gegentreffer-Marke bringt, die Vorjahres-Absteiger TSV Sasel nach 34 Spielen so gerade erreicht hatte.
Dass sie von solchen Marken weit entfernt sind, können die Spieler von Buchholz 08 und des Niendorfer TSV beim Tanz in den Mai feiern. Sie sollten jedoch nicht übertreiben, treffen sie doch am 1. Mai (15.00, Seppenser Mühlenweg) aufeinander. Der späte Termin ist für die anreisenden Niendorfer durchaus günstig, sollen dann doch die staufördernden Bauarbeiten an der Lombardsbrücke beendet sein.
Eine kürzere Anreise gibt es beim morgigen Deich-clásico (19.00, Sporthallenweg) zwischen Vierlande und Curslack-Neuengamme. Zur Vorbereitung fuhren beide Mannschaften Siege ein. Dem SC Vier- und Marschlande gelang ein eminent wichtiges 4:1 gegen Bramfeld, das seinen ersten Klassenerhalts-Matchball damit weit ins Aus donnerte. Morgen (19.30, Riekbornweg) will sich Germania Schnelsen an den Bramfeldern für die sensationelle 0:4-Hinrundeschlappe revanchieren.
„Man hätte Martin und Max nachts wecken und sagen können: ‚Um 3 Uhr geht's los, kicken!’ Die hätten dann gefragt: ‚Warum nicht schon um halb drei?’“, verriet Thorsten Beyer, der in Vierlandes Jugend die heutigen Profikicker Martin Harnik und Max Kruse trainierte, kürzlich Spiegel Online. Für Vierlandes Erwachsene ging’s gestern erst um 15 Uhr los, und richtig beruhigt konnten die Anhänger erst gegen 16.40 Uhr sein, als Beytullah Atug mit einem Doppelschlag das Ergebnis gegen Bramfeld von 2:1 auf 4:1 schraubte.
Curslack-Neuengamme gewann, ebenfalls durch einen Leistungsschub in der zweiten Hälfte, 3:1 gegen Meiendorf. Überschattet wurde der Erfolg durch die Vorwürfe von Meiendorfs Trainer Matthias Stuhlmacher, der von fortgesetzten rassistischen Äußerungen von CN-Spielern gegenüber seinen Kickern Yiner Arboleda Sánchez und Sheriff Kankam sprach, auch einige Schmähungen benannte, aber keinen einzelnen gegnerischen Spieler als Täter identifizieren wollte.
Dass Rassismus, bisweilen auch als „Trash Talk“ verharmlost, auf und neben dem Platz nichts zu suchen hat, sollte klar sein. Ob Stuhlmacher mit seinen Äußerungen übers Ziel hinausschoss oder eher vor dem Ziel stehen blieb, ist eine Diskussion wert – die hoffentlich auch vom Sportgericht geführt wird, wenn es den Platzverweis von Arboleda verhandelt.
Fix was los war in Altona, auch wenn die Oberliga-Mannschaft der Stunde auswärts antrat. Am Sonnabend feierten die Schiefballspieler der Hamburg Blue Devils auf der Adolf-Jäger-Kampfbahn ihre Saisoneröffnung, am Sonntagvormittag erlebten die AFC-Fans mit dem 1:0 bei Condor den siebten Sieg in Folge und den Sprung auf Platz zwei, am Sonntagnachmittag begab sich eine 25-köpfige Fan-Delegation dann noch an die Kreuzkirche, um den Nachbarn Teutonia 05 mit „Ot-ten-sen, Ot-ten-sen“-Rufen zu unterstützen. „Das war sehr schön und dafür möchte ich mich bedanken“, freute sich Teutonias Pressesprecher Kai-Hinrich Renner im Hamburger Abendblatt. Es half allerdings nur bedingt, denn Favorit FC Elmshorn setzte sich im Pokalviertelfinale schließlich 2:0 durch.
Elmshorn, das sein 0:0 gegen Schnelsen schon am Mittwoch produziert hatte, muss im Halbfinale zur SV Blankenese, auf die wir vielleicht nicht als Pokalsieger, aber doch als künftiger Oberligist setzen. Ein Unentschieden heute bei Verfolger Alstertal-Langenhorn (18.30, Langenhorner Chaussee), und das Team von Stefan Westbrock und René Piel kann dem kommenden Coach Dennis Mitteregger eine Aufstiegsmannschaft übergeben. In der Landesliga-Parallelstaffel könnten bei der Begegnung zwischen Dassendorf und Oststeinbek (18.30, Wendelweg) die Konturen eines weiteren Aufsteigers sichtbar werden.
|