Das 6:1 gegen Blankenese war – zumal nach der 0:2-Pleite im Pokal bei Croatia - von vielen Experten vorschnell als „Eintagsfliege“ abgetan worden. Doch wer den Aufsteiger SCALA heute beobachtete, muss feststellen: Da ist ein Team auf dem Platz, das leidenschaftlich kämpft und nach vorne mit Kapitän und Leitfigur Jendrik Bauer immer für ein Tor gut ist. Jedenfalls theoretisch, denn heute war vor allem Defensivarbeit gefragt.
Favorit Condor schnürte die Gäste in der ersten Viertelstunde regelrecht in der eigenen Hälfte ein, SCALA wusste sich nicht anders als mit sehr vielen kleinen Fouls zu helfen. Innerhalb der ersten zehn Minuten gab es acht (!) Freistöße für die Hausherren, echte Gefahr brachten jedoch nur zwei, als jeweils Marcel Schwarck aus halbrechter Position das Leder scharf vors Tor schlug (7./25.). Auch Carlos Flores gelang es mit seinem Hammer nicht, das Abwehrbollwerk zu knacken (17.), so dass es etwas überraschend torlos in die Kabine ging.
Spätestens, als Kristoffer Laban von Jan Bischoff per Notbremse gestoppt wurde (und völlig berechtigt Rot sah, 53.) war man sich sicher: Jetzt machen die Raubvögel die Tabellenführung klar. Den fälligen Freistoß aus 17 Metern zirkelte Kevin Mellmann an den Pfosten, den Abpraller senste Flores neben das Tor. Doch dann kam – nichts mehr. SCC-Coach Christian Woike musste an der Seitenlinie tatenlos mit ansehen, wie seine Mannschaft vorm Strafraum immer einfallsloser wurde (siehe auch „Stimmen“ am Ende des Berichts). Nach einer guten Stunde eine der ganz wenigen Szenen für die Alstertaler im Strafraum der Raubvögel: Einen Schuss von Rihards Depers bekam Alexander Krohn an die Hand – da hat schon so mancher Schiedsrichter auf Elfmeter entschieden. Marcel Hass tat es trotz wütender Proteste nicht. Glück für Condor.
Zum Matchwinner avancierte letztendlich Ex-Condor Keeper Morten Zimmermann, der sich zur neuen Saison topfit und um rund 15 Kilo erleichtert seinen Fans präsentierte. Zimmermann reagierte glänzend gegen Max Anders, der nach einem Mellmann-Freistoß aus drei Metern völlig frei zum Schuss kam (84.). Eine Tausendprozentige. „Aber Anders ist eben nicht Flores“, stellte ein Zuschauer zutreffend fest. Möglicherweise war es dieses Frusterlebnis, das den Innenverteidiger in der Nachspielzeit „ausrasten“ ließ. Zwei Meter hinter der Mittellinie senste er Bauer von hinten gnadenlos um. Dunkelrot war die einzig logische und richtige Entscheidung. „Das darf einem so erfahrenen Spieler einfach nicht passieren“, war Woike stocksauer, „darüber wird intern noch zu reden sein“. SCALA feierte nach dem Schlusspfiff ausgelassen den Punktgewinn. Kiebitz Frank Pieper-von Valtier (BU) wird sein Team sicher ausdrücklich vor dem Aufsteiger warnen – und sollten die Barmbeker am Sonntag gegen Bramfeld dreifach punkten, steigt nächsten Sonntag auf der Siemershöh das nächste Spitzenspiel. Gleiches hat übrigens auch der SC Condor bei Altona 93 vor sich.
Stimmen:
Oliver Kral (Trainer SCALA): Ich habe ja schon vorher gesagt: Wenn wir 100% geben, sind wir gegen keinen Gegner chancenlos. Unser Ziel ist der Klassenerhalt, also wollen wir in jedem Spiel punkten. Kämpferisch war das heute top, ich ziehe den Hut vor der Truppe und bin sehr stolz. Spielerisch war das natürlich nicht besonders, da ist noch viel Luft nach oben. Aber das kommt schon noch. Die Situation mit dem Handelfmeter war für mich ganz klar, Krohn hat ja auch vielsagend gelächelt.
Christian Woike (Trainer SC Condor): Weiterhin ungeschlagen und einen Punkt gegen den Spitzenreiter geholt…Nein, Spaß beiseite. In der ersten Halbzeit war das ganz ordentlich von uns. SCALA stand sehr sehr tief, hat die Außenbahnen bewusst ein Stück offen gelassen und es dafür im Zentrum sehr eng gemacht. Das haben die wirklich gut hinbekommen. Über zwei Drittel des Spielfeldes war ich mit unserer Spielanlage zufrieden, nur vorm Tor war es katastrophal. Ohne Überzeugung und ohne Mut. Nach der Roten Karte sind wir viel zu hektisch geworden und haben die Überzahl ganz schlecht ausgespielt. Chancen hatten wir dennoch genug. Ein Wunder, dass meine Brillengläser heilgeblieben sind. Aber wir müssen es akzeptieren, wie es ist. Jetzt können wir es nicht mehr ändern.
Sofern nicht anders gekennzeichnet, sind alle Texte, Grafiken, Videos und Fotos Eigentum von www.hafo.de. Anderweitige Verwendung nur mit vorheriger Genehmigung.