12.08.2013 Rückblick: Harry plagt Halstenbek von Folke Havekost
Das alte Ägypten wurde von zehn Plagen heimgesucht: Blutrotes Wasser, viel zu viele Frösche, Mücken und Heuschrecken, eine ausgeknipste Sonne und noch allerlei Unheil, gegen das vermutlich nicht einmal die Versicherungskaufleute Oliver Dittberner oder Bert Ehm Rat gewusst hätten.
Wer heutzutage in der Oberliga Hamburg spielt, hat es in der Regel besser. Seit der ersten urkundlichen Erwähnung 1296 kennt die wohlgeordnete Geschichte der schönen Gemeinde Halstenbek nur drei Plagen: Sporthallen in Eiform, die einfach einknicken. Brandkrustenpilze, die den reichhaltigen Baumbestand gefährden.
Und einen Besuch von Harry Jurkschat.
Gleich fünfmal kam der Stürmer des SV Rugenbergen über die SV Halstenbek-Rellingen, die auf eigenem Gelände mit 1:7 unterging. Für Thomas Bliemeister war es der „peinlichste Auftritt“, seit er sich Anfang 2009 bei HR auf die Trainerbank gesetzt hat. Für Mario „Harry“ Jurkschat war es eine Gala, die seinesgleichen suchte. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich es jemals so leicht hatte“, kramte er gegenüber dem Hamburger Abendblatt in seiner Torjägerbiografie. Als Topstürmer des neuen Spitzenreiters predigte er gleichwohl Zurückhaltung: „Im Fußball dreht sich der Wind manchmal so schnell, wir können das Resultat ganz genau einschätzen.“
Tief stapeln, hoch gewinnen: Die Oberliga erlebt derzeit die Phase der bescheidenen Spitzenreiter. Auch SVR-Coach Ralf Palapies will noch einige Zeit ins Land ziehen lassen: „Die Jungs haben Bock zu spielen, im Moment sind wir einfach gut drauf. Aber erst Mitte September kann man Tendenzen erkennen.“ Jetzt stellt sich erstmal der Meister vor die eigene Tür: Am Freitag kommt der FC Elmshorn nach „Ruge-City“, wie Palapies das Werner-Bornholdt-Sportzentrum in Bönningstedt verortet. Da ist wohl eine GPS-Aktualisierung fällig.
Der kommende Gegner Elmshorn rettete in der Schlussminute einen Punkt gegen Aufsteiger Dassendorf – in einer Begegnung, von der mancher glaubte, hier würde der amtierende Champion auf seinen Nachfolger treffen. Dassendorf-Promi Eric Agyemang unterstrich die Ambitionen mit seinem Elfmeterführungstor, das Torben Reibe kurz vorm Abpfiff egalisierte.
Dassendorf als vermeintlich bester Aufsteiger ist damit in der Tabelle immer noch nicht bester Aufsteiger, weil dem vermeintlich schlechtesten Aufsteiger (und Rugenbergen-Vorgänger als Tabellenführer) SC Alstertal-Langenhorn ein 0:0 beim SC Condor gelang. Das 6:1 gegen Blankenese war ein Freudenfest zum Auftakt; im Sportpark Oldenfelde zeigte SCALA Qualitäten, die vermutlich noch etwas öfter gefragt sind als Ballzauberei. Solide Defensivarbeit, die zusammen mit einer nicht vorhandenen Chancenauswertung des Gegners zu einem weiteren Zähler führte. Sogar in 37-minütiger Unterzahl hielt SCALA so den eigenen Kasten sauber, nachdem Jan-Oliver Bischoff wegen einer Notbremse das Rasenrechteck am Berner Heerweg verlassen musste.
Nicht ohne Folgeschäden blieb der Platzverweis für Bramfelds Pascal Simon. Da mit seiner Roten Karte nach Strafraumfoul am Doppeltorschützen Adrian Sousa ein Strafstoß für BU einherging und der vorherige Eigentorschütze Markus Schwoy diesen zum 3:1 verwandelte, war der Spielausgang in „Barmbek Anfield“ besiegelt. BU gewann schließlich sogar 4:1, wobei Trainer Frank Pieper-von-Valtier noch an der „fahrlässigen“ Chancenverwertung mäkelte – im Gegensatz zum Vorwochen-1:1 in Oststeinbek rächte sich diesen Phänomen aber nicht. Bedenken wir, dass BU vor gerade fünf Monaten in Bramfeld 0:6 verloren hat und auch optimistischte Fans langsam Zweifel an einer Oberliga-Zukunft des Vereins hegten, dann ist die Aufwertung der Gelb-Blauen unübersehbar. Nach einer guten Rückrunde gelang jetzt auch der Start in die neue Saison.
Apropos Aufwertung: Dass Barmbek Gentrifizierungsprozesse durchmacht, war uns wohl bewusst. Dass sich diese ausgerechnet im Preis einer Krakauer bei BU ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=5141) widerspiegeln überrascht uns allerdings. Dem mutigen Rechercheur sei gesagt, dass auch andernorts in Barmbek die Preise anziehen: Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel verlangt ebenfalls drei Euro, dafür gibt es aber auch Tofuwürste im Angebot. Wie wär’s, Peter? (Spesenrechnung bitte wie gewohnt über haforefund.com abwickeln)
„Die Rote Karte müssen wir hinnehmen“, sagte Hardy Brüning, und schon daran erkennen wir, dass Brüning Bramfeld trainiert und nicht Buchholz. Denn Platzverweise sind in Buchholz eigentlich unbekannt. Nach zwei Halbjahren Enthaltsamkeit sicherten sich die Nordheidjer in der vergangenen Rückrunde wieder einmal den Fairplay-Preis. Rote Karten braucht 08 auch gar nicht, um seinen Kader zu dezimieren – das tun Verletzungen schon zur Genüge. Gut, dass ein unbekannter Heidedichter den Geplagten die Zeilen „Und füllt sich auch das Lazarett - Ein Tor von Gillich macht’s doch nett“ hinterließ.
Nach einem abgewehrten Schuss von Herman Mulweme staubte Arne Gillich gegen Niendorf zum Tor des Tages ab – einer der wenigen Höhepunkte in einer chancenarmen Partie, bei der die Gastgeber zusätzlich das Comeback des kreuzbandgeplagten Leif Wilke auf die Positivliste setzen konnten. Niendorf blieb der Trost, dass es immer auch noch schlechter geht. Zum Beispiel an der B 75.
Ein „gutes Bezirksliga-Spiel“ sah Oststeinbeks Coach Stefan Kohfahl beim 0:2 seiner Elf in Meiendorf, und sein Pendant Matthias Stuhlmacher wollte das Geschehen auch nicht allzu hoch hängen: „Mit einer solchen Leistung wird es schwer, in der Oberliga zu bestehen.“ Der morgige Pokalklassiker beim SC Concordia dürfte den Meiendorfern Ablenkung bescheren – aber auch eine Aufgabe, an der man scheitern kann.
Im Oddset-Pokal feierte Dennis Mitteregger mit der ETV-Sensationself 2011 seinen größten Erfolg. Er hielt nicht lang an, da er und seine Mannschaft den Verein bald im Streit verließ. Nun für die SV Blankenese an der Seitenlinie, gewann Mitteregger unter der Woche (3:0 bei Lorbeer Rothenburgsort) sein achtes Oddset-Pokal-Spiel in Serie. In der Liga klappt es für den Aufsteiger noch nicht: Zwar zählte der SVB-Kassierer gegen Altona 93 über 400 Besucher, doch es blieb das einzige Zählbare: Mit 2:0 setzte sich der Elbnachbar recht souverän an der Waldesruh durch.
Nur die dritte Halbzeit ging wohl dank eines ausgeleerten Wassereimers an Blankenese, wie die Schilderungen mitgereister Anhänger ( http://afc-fanforum.de/index.php?topic=2411.msg50724#msg50724) vermuten lassen. Doch selbst wenn Altona in Gestalt eines Fans nass gemacht wurde – 93 war mit dem Auswärtssieg am Freitagabend erstmal Erster. Für die Auszeichnung „höchster Spieltagsieg“ empfahl sich zur gleichen Zeit allerdings Curslack-Neuengamme, das bei Germania Schnelsen 4:0 gewann. Beide Ereignisse wurden zwar vom Rugenbergener Rodeo in den Schatten gestellt. Dennoch wird CN nach dem Auftakt-2:2 gegen den Nachbarn Vier- und Marschlande erfreut zur Kenntnis nehmen, dass Jan Landau (abermals zwei Buden) nicht nur trifft wie eh und je, sondern diese Torjägerqualitäten auch in einen Dreier münden können.
Derbys haben halt doch ihre eigenen Gesetze. Pling! Curslack eher ernüchtert, Vierlande eher erfreut – so lautete das Vorwochen-Fazit nach dem Unentschieden am Deich. Jetzt sitzt der kleine Nachbar doch schon wieder weiter unten. Der Heimauftakt geriet dem Team von Olaf Poschmann reichlich daneben, Vierlande war beim 1:3 gegen den VfL Pinneberg chancenlos. Nach 35 Minuten hatten die konterstarken Gäste bereits dreimal getroffen. Trainer Michael Fischer jubelte da sogar über die „Wiedergeburt des VfL“ – und gratulierte seinem Verteidiger Mark Müller damit auch zur Geburt seines Sohnes.
Der Anreiz für eine frühzeitige Vereinsmitgliedschaft ist für Müllers Junior derzeit recht groß – der VfL scheint sein Rückrunden-Tief mit Fast-Last-Minute-Klassenerhalt hinter sich gelassen zu haben. Vielleicht erreicht Fischer auch bald ein Anruf aus Halstenbek: Wie sich mit Plagen umgehen lässt, können die Pinneberger ihren derzeit betroffenen Nachbarn schließlich gut erzählen.
Sie sollten die Zeit als Ratgeber auch in eigener Sache nutzen: In drei Wochen kommt Harry Jurkschat nach Pinneberg.
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