Die Autos stauen sich in der Ochsenzoller Straße, die Schlangen vor den Kassen sorgten für einen verspäteten Anpfiff. Das Interesse ist größer als je zuvor bei einem Pflichtspiel von Eintracht Norderstedt. 791 zahlende Zuschauer, das ist Vereinsrekord. Kein Wunder, schließlich ist immerhin der Hamburger SV zu Gast. Allerdings handelt es sich lediglich um die U23. Die hat bekanntermaßen nicht den besten Ruf, auch wenn der Saisonstart mit zwei Siegen und zwei Niederlagen zumindest in Ordnung gewesen war. Und die Favoritenrolle, gerade im Vergleich mit dem bis zum sechsten Spieltag sieglosen Aufsteiger Eintracht Norderstedt, gehörte fraglos den HSV-Talenten.
Das ist die graue Theorie. Mit Anpfiff stellten die Gastgeber dies auf dem Kopf. Von Verunsicherung ist keine Spur, vielmehr marschiert die Eintracht unentwegt, die Spieler schmeißen sich auf dem regennassen Rasen in die Zweikämpfe, sie helfen sich untereinander in brenzligen Situationen. Der HSV reagiert nur, er ist fahrig, die Abwehr unkonzentriert, von Dynamik ist keine Spur. Kaum vorstellbar, dass einer dieser Akteure irgendwann einmal Bundesligaluft schnuppern könnte, denn diese Leistung ist mangelhaft.
Es soll Norderstedts Tag werden. Schon früh gibt es gute Chancen, etwa durch einen Kopfball von Linus Meyer (10.), den Gästekeeper Tino Dehmelt mit den Fingerspitzen über die Latte lenkt. Mit zunehmender Spieldauer übernimmt Björn Nadler die Regie auf dem Feld. Es ist sein Sololauf, der Yayar Kunath die beste Möglichkeit zur Führung ermöglicht - der Rechtsaußen verfehlt freistehend im Strafraum aber sein Ziel (36.).
Zumindest vereinzelt erhöht der HSV II nach dem Seitenwechsel das Tempo, doch die Angriffe bleiben Stückwerk. Mattia Maggio prüft zwar Eintracht-Torhüter Johannes Höcker mit einem Versuch von der Strafraumgrenze (55.), doch ab diesem Zeitpunkt spielt sich das Duell fast ausschließlich in der Hamburger Hälfte ab. So trifft Björn Nadler aus kurzer Distanz nur den Innenpfosten, während das Stadion schon zum Torjubel aufgesprungen war (69.), Philipp Koch zieht einen Schuss aus 20 Metern knapp am linken Eck vorbei (73); der Norderstedter Kapitän zielt kurz darauf (77.) freistehend zu zentral.
Längst hat die Heimelf die Zuschauer zu diesem Zeitpunkt überzeugt. Von der Tribüne kommen immer wieder Applaus und Anfeuerung. Und wieder ist es denkbar knapp, als Tino Dehmelt an einem Eckstoß vorbei fliegt, Jan-Marc Schneider aus wenigen Metern abzieht, Matias Ojala jedoch auf der Linie klärt (84.).
"Ich habe befürchtet, dass wir hier mit einem 0:0 vom Platz gehen. Oder noch schlimmer: Das wir einen Konter bekommen", würde Eintracht-Trainer Thomas Seeliger später sagen. Dabei, so der Coach, habe es nur eine Mannschaft verdient gehabt, zu gewinnen.
Seine Befürchtungen erweisen sich als unbegründet. Der eingewechselte Jan-Philipp Rose schlägt einen Freistoß aus 40 Metern halbrechter Position in den Strafraum, dort springt Innenverteidiger Mike Eglseder in die Flanke und verlängert in die lange Ecke (87.). Die Tribüne springt wieder auf, diesmal mit Recht, der Norderstedter Anhang scheint kollektiv durchzuatmen. Zwei Minuten darauf muss die Eintracht schließlich noch zwei bange Momente überstehen. So trifft Matti Steinmann per Kopf nur die Latte, wenig später fischt Johannes Höcker einen Freistoß von Matias Ojala aus der Ecke.
Mehr hatte der HSV II nicht zu bieten, die Niederlage war verdient. "Wir haben schon in der ersten Halbzeit nicht in das Spiel gefunden, hatten dann in der zweiten Halbzeit keine klaren Aktionen", gab Rodolfo Cardoso zu. Zudem habe sein Team unnötigerweise zu viele Freistöße verursacht - so fiel letztlich das 0:1. "Darüber hatten wir eigentlich gesprochen, da müssen wir uns cleverer verhalten." Auf Norderstedter Seite sah sich Thomas Seeliger bestätigt. "Ich sehe schon seit Saisonbeginn eine stetige Entwicklung, das ist das Entscheidende."
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