Alle reden von Fingern, wir reden von Füßen: „Schießen Sie jetzt nicht!“, lautete über weite Strecken die Devise des siebten Oberliga-Spieltags. Ganze 23 Treffer brachten die 18 Mannschaften zustande – weniger als ihre Bundesliga-Kollegen, bei denen immerhin 27 Tore fielen (wenngleich manch Hamburger sie vielleicht unglücklich verteilt fand).
Von wegen „ohne Worte“. Ohne Tore mussten die Zuschauer in Niendorf und in den Vierlanden auskommen. Von den Vier- und Marschländern, die BU einen Punkt abrangen (und hinterher doch ein wenig haderten, die besseren Einschussmöglichkeiten gehabt zu haben), ist uns die Eichhörnchen-Taktik vertraut. Immerhin teilte das Poschmann-Team schon zum dritten Mal die Punkte, wenn auch erstmals die Torlosigkeit mit dem Gegner.
In Niendorf waren wir doch etwas enttäuscht. Schließlich war der NTSV an dieser Stelle zur Mannschaft der Stunde ausgerufen worden und Halstenbek-Rellingen mit der Empfehlung angereist, vor einer Woche Altona 93 von der Tabellenspitze geschubst zu haben.
Vielleicht sind beide Mannschaften zurzeit zu gut, um auch noch spannend zu sein, wenn sie aufeinandertreffen. Das Torlos-Remis freute vor allem HR-Keeper Kevin Tittel, der seinen zweiten Saisoneinsatz feierte und seinen Gegentoreschnitt drastisch von 7,0 auf 3,5 reduzierte. Und HR-Trainer Thomas Bliemeister, dem launische Aussagen alles andere als fremd sind: „Mit einem 0:0 gegen den Rudi Gutendorf des iranischen Fußballs bin ich schon sehr zufrieden“, sagte er.
Wir gehen davon aus, dass Bliemeister damit keinesfalls auf eine wanderlustige Flexibilität beider Coaches (Gutendorf bringt es auf 54 Trainerstationen, Hashemian verließ den Posten als Bliemeister-Assistent in Halstenbek recht schnell) anspielte, sondern voraussah, dass die Niendorfer wohl überraschend Vizemeister werden würden – so wie „Rigel-Rudi“ Gutendorf 1964 mit dem Meidericher SV. Bei mittlerweile vier Niendorfer Spielen in Folge ohne Gegentor gar nicht mal vollkommen abwegig ...
Wir waren froh um unsere Ohren und freuten uns mit unseren Augen, die ein Oberliga-Spiel auf sehr hohem Niveau erlebten. Mit wechselnden Dominanzphasen vor dem Seitenwechsel und einer relativ klaren Rollenverteilung in der zweiten Halbzeit: Altona mit viel Spielfluss und wenig Zielwasser, Elmshorn mit der fast permanenten Drohung, ein Kapitel aus dem einstudierten Konter-Lehrbuch vorzutragen. Was, wenn die Drohung einmal ausgeführt wurde, Altonas Keeper Marcel Kindler die Gelegenheit gab, sein Können zu demonstrieren. Vermutlich lag es an der Qualität des Spiels, dass der kurz vor Schluss mit Gelb-Rot bestrafte Elmshorner Milos Ljubisavljevic das Feld nur in Zeitlupentempo verlassen mochte – so eine Begegnung will man halt unbedingt auskosten.
Dass die Drei-Punkte-Regel beide Mannschaften für ihr unterhaltsames Unentschieden praktisch mit dem Abzug eines halben Zählers bestraft, erscheint uns weit ungerechter als mögliche vereinzelte Freistoß-Fehlentscheidungen des insgesamt starken Schiedsrichters Adrian Höhns aus Dassendorf.
Höhns’ kickende Kollegen erwarten Altona am Sonnabend zum nächsten Spitzenspiel. Dassendorf baute seinen Vorsprung an der Spitze durch ein schmales 2:1 beim Mitaufsteiger Alstertal-Langenhorn auf vier Punkte aus. Für Siege braucht man sich nicht zu entschuldigen, auch nicht mit dem Rot-bedingten Fehlen von Top-Torjäger Eric Agyemang: Dassendorf glänzt selten, gewinnt aber konstant Spiele.
Der Glanz in Langenhorn war kurz, fünf Niederlagen in Serie haben die Mannschaft auf Platz 15 zurückfallen lassen – was ja aber (lassen wir vermehrten Abstieg durch schwache Hamburger Regionalligisten einmal außer Acht) ziemlich genau der Wunschort des Low-Budget-Neulings sein dürfte. „Sind alle wieder fit, können wir die Klasse halten“, sagte Trainer Oliver Kral jedenfalls dem Hamburger Abendblatt: „Wir kämpfen bei SCALA nicht gegen Windmühlen an.“ ( http://www.abendblatt.de/sport/amateure/article120047308/Oliver-Kral-Wir-kaempfen-bei-SCALA-nicht-gegen-Windmuehlen.html)
Erster Verfolger des Spitzenreiters ist nun der SV Rugenbergen, in der immer noch jungen Saison schon zweimal selbst Tabellenführer, bis die Bönningstedter in Dassendorf gestürzt wurden. Mit einem 2:0 in Bramfeld arbeitete sich die Elf von Ralf Palapies wieder auf Rang zwei vor. Der „junge Hase“ Pascal Haase sorgte mit einem Doppelpack Mitte der zweiten Hälfte für einen Dreier, der den Trainer erstaunte: „Für uns ist es ein ganz neues Gefühl, in Bramfeld zu gewinnen.“
Ein neues Gefühl wäre auch ein Auswärtssieg der SV Blankenese gewesen – und ein überraschendes zudem, da der Aufsteiger bei Buchholz 08 antrat. Die Niedersachsen ließen von Beginn an keinen Zweifel, dass sie an ihre gewohnte Heimstärke und keinesfalls an das Vorwochen-0:1 gegen Pinneberg anknüpfen wollten. Zwei Treffer gelangen, allerdings ließen sie bei ihren Bemühungen auch gleich „Chancen für drei Spiele“ liegen, wie der LAFU-Berichterstatter beobachtete ( http://www.landkreis-fussball.de/spielbericht/oberliga_hamburg/2013/4133).
Am Ende mussten die Nordheidjer nach dem Blankeneser Anschlusstreffer noch um den Sieg zittern wie unser Bürgermeister um seinen Status als Landesvater mit dem besten Wahlergebnis. Blankenese (1 Tor) blieb aber schließlich knapp hinter Buchholz (2 Tore), so wie Horst Seehofer (47,7 Prozent) hinter Olaf Scholz (48,4 Prozent).
Kommen wir zu den torreichen Partien des Wochenendes. Nein, halt, erst noch zum SC Condor, der mit ganzen fünf Tore in zehneinhalb Stunden Spielzeit mittlerweile über die schwächste Offensive der Liga verfügt. „Außer Flores viel Kokolores“, flüchtete blog-trifft-ball angesichts des traurigen Zustands der Raubvögel schon in Reimform ( http://www.blog-trifft-ball.de/blog/2013/09/condor-auser-flores-viel-kokolores/). Ohne den muskelgeplagten Carlos Flores erspielte sich Condor in Schnelsen zwar eine stattliche Anzahl Chancen, traf aber einfach nicht ins Netz – Germanias Kontertaktik wurde so (und dank eines starken Jan Vierig) mit einem 3:0-Sieg belohnt.
Immerhin, drei Tore. Fünf Treffer hingegen sahen die Zuschauer in Curslack und Pinneberg, jeweils mehrheitlich für die Heimmannschaft. Curslack-Neuengamme erfüllte mit dem 4:1 über Meiendorf zwar die Maßgabe von Trainer Torsten Henke, „nicht im Mittelmaß zu versinken“, doch den erfolgreichsten Akteur des Wochenendes stellten die Meiendorfer: Coach Matthias Stuhlmacher gelang es, mit den Alten Herren des TSV Reinbek gleich zweimal, die Altersgenossen des FC Bayern München zu schlagen und so die Bronzemedaille beim DFB-Ü40-Cup in Berlin zu erringen. Und die Pleite seiner Elf in Curslack musste er so auch nicht miterleben.
Während der DFB-Ü40-Cup uns so etwas wie Futsal für gesetzte Herren zu sein scheint, wurde ein jüngerer und echter Futsaller offenbar vor die Tür gesetzt. Der Oststeinbeker SV gab Hamburg-Panthers-Kapitän Onur Ulusoy nach Auseinandersetzungen um Prämien und Freigaben den Laufpass und reiste stattdessen mit dem Ex-St. Paulianer Fousseni Alassani als Neuzugang ans andere Ende Südholsteins.
Dort fand die spannendste Partie des 7. Spieltags statt. Zweimal ging der VfL Pinneberg in Führung, zweimal glich Schlusslicht Oststeinbek aus, hatte danach Chancen, selbst in Führung zu gehen. Fünf Minuten vor Schluss erwiesen sich die Ressourcen des Kreises Pinneberg dann doch größer als die Stormarner Möglichkeiten: Sascha Richert, der im Sommer vom Nachbarn Halstenbek kam, hielt sich sinnvollerweise an die „Schießen Sie jetzt nicht!“-Devise und passte klug auf Thorben Reibe, der gerade erst aus Elmshorn zurückgekehrt ist.
Reibe schoss das 3:2-Siegtor, worauf OSV-Trainer Stefan Kohfahl nur feststellen konnte: „Wenn du wie Pinneberg oben stehst, dann holst du dir die Punkte, und für uns, die unten stehen, bleiben die Komplimente.“
Komplimente sind Silber, Punkte sind Gold. Sagen Sie jetzt nichts!
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