TSV Wedel: Thiele – Palapies – Wagler, Zessin – Celebic, Haeder, Neumann-Rystow, Lerch, Barthel (ab 76. Gollub)– Kaplan (ab 82. Algan), Bayram Eider Büdelsdorf: Legrum – Ritter, Furthmann, Drescher – Ellefsen, Kühl, Sawkulycz (ab 46. Fatnassi), Lütje, Seebauer (ab 65. Altin) – Ahrends (ab 77. Frank), Atasoy Beste Spieler: Bayram – Lütje, Fatnassi Tore: 0:1 Lütje (25.), 0:2 Fatnassi (60.), 1:2 Bayram (62., Foulelfmeter), 1:3 Atasoy (80.), 2:3 Palapies (84., Foulelfmeter), 2:4 Atasoy (90.) Schiedsrichter: Thorwesten (TSV Luthe) Zuschauer: 100
Sven Thiele, 37-jähriger Torwart-Routinier des TSV Wedel, suchte gar nicht erst nach Ausflüchten. „Es tut mir leid für die Mannschaft, ich habe das Spiel alleine verloren“, so Wedels sichtlich angeschlagene Nummer eins im Anschluss an 90 Minuten, wie er sie wohl in seiner gesamten Karriere nicht erlebt haben dürfte. „Das war wahrscheinlich der schwärzeste Tag seiner Fußball-Laufbahn“, konstatierte TSV-Trainer Michael Fischer, um postwendend zu ergänzen: „Solche Tage gibt es, aber er hat uns auch schon so manches Spiel gewonnen.“
In der Tat trug Thiele die Hauptschuld an einer vermeidbaren 2:4 Niederlage gegen zumindest mit Blick auf das Tabellenbild weitaus höher eingeschätzte Büdelsdorfer. „Ich weiß gar nicht, warum die da oben stehen“, meinte Wedels Verteidiger Reinhard Wagler. Nun, von ungefähr kommt die Serie Eiders mit jetzt neun ungeschlagenen Begegnungen am Stück sicherlich nicht. Mitunter, allerdings viel zu selten, ließen die Mannen von Coach Olaf Lehmann ihr Können aufblitzen. So nach dem „geschenkten“ Führungstor, als Thiele einen im Grunde harmlosen Weitschuss von Martin Lütje vollkommen falsch einschätzte und die Kugel zur Überraschung aller Beteiligten plötzlich im Netz lag (25.). Zuvor hatte sich der TSV emsig bemüht, aber keine einzige zwingende Torgelegenheit erspielen können. Anders Büdelsdorf: Jörg Ahrends, ansonsten bei Thorsten Zessin in guten Händen, verpasste nach 8 Minuten die sichere 1:0-Führung. Die verbleibenden 20 Minuten nach dem Lütje-Treffer bis zum Pausentee gestalteten die Gäste. Ballsicherheit und Engagement hießen die Trümpfe der Roten während dieser Druckperiode.
Umso erstaunlicher, dass man auf Seiten der Büdelsdorfer jene Tugenden innerhalb von einer Viertelstunde scheinbar völlig aus dem Gedächtnis gestrichen zu haben schien. Nach Wiederanpfiff trumpften die Hausherren auf, die in Hälfte eins noch spärlich gesäten Chancen erfuhren fortan unübersehbaren Zulauf. Zwar markierte ein Freistoß-Knaller von Thomas Kühl mit anschließender Kopfball-Gelegenheit durch Ahrends (50.) einen erneut durch FT Eider geprägten Anfang einer sich zunehmend turbulent gestaltenden Partie, doch Wedel hatte nun Mut geschöpft und den Ausgleich durch Heiko Barthel auf dem Fuß (53.). Die Antwort der Gäste hätte kaum prompter und insbesondere wirkungsvoller ausfallen können. Der nach dem Seitenwechsel eingetauschte Ferid Fatnassi schnappte sich den Ball an der Mittellinie, schaltete den Turbo zu und ließ mit seinem Solo die entblößte Wedeler Hintermannschaft buchstäblich im Regen stehen. Nach einer Stunde also die Entscheidung? Mitnichten. Nun ging es Schlag auf Schlag, und: Die beste Zeit der Gastgeber sollte erst noch folgen. Gerade zweimal seit der Fatnassi-Show hatte der Sekundenzeiger das Zifferblatt der Uhr umrundetet, da brannte es lichterloh im Sechzehnmeterraum vor Stefan Legrum. Zunächst vergab Barthel aus kurzer Distanz, doch die Eider-Defensiven standen noch immer unter Strom, waren nicht im Stande, die brenzlige Situation zu ihren Gunsten aufzulösen. Im Gegenteil: Der zur Hilfe geeilte Ahrends agierte erneut unglücklich, fuhr Jens Lerch in die Parade - ein klarer Strafstoß. Und eine sichere Angelegenheit für den abgeklärt verwandelnden Tugay Bayram.
Der Anschluss war hergestellt. Das galt nicht bloß für die Ergebniszeile, auch moralisch bekam der TSV die zweite Luft. Was sich weitere 8 Minuten darauf in einer erneuten Großchance äußerte. Streng genommen waren es sogar deren zwei, die Bayram und Barthel innerhalb von Sekundenbruchteilen am glänzend reagierenden Legrum versiebten. Trotz keinerlei Gegenwehr der übrigen Büdelsdorfer. Doch wer seine Möglichkeiten nicht nutzt, ... Sie wissen schon. So kam es dann mal wieder, und zwar unter gütiger Mithilfe eines am heutigen Tage indisponierten Wedeler Schlussmannes. Ein Abstoß durch Sven Thiele wurde Özcan Atasoy zur Vorlage (80.) und zum Wegbereiter der scheinbaren Entscheidung zugunsten der Lehmann-Elf. Unerwartet kam tatsächlich noch einmal Spannung auf, als Till Furthmann den zweiten Elfmeter des Tages verursachte und Tugay Bayram wiederum aus elf Metern Entfernung antrat (84.). Ob man es nun Glück oder einen Wink des Schicksals nennen soll, sei dahin gestellt, als Bayram an Legrum scheiterte, der Unparteiische Martin Thorwesten freilich die Voreiligkeit einiger Eider-Aktiver ahndete und den Platzherren einen zweiten Versuch gestatteten. Schließlich soll so manchem Fußball-Weisen zufolge der Gefoulte niemals die Aufgabe des Elfmeterschützen übernehmen. Also legte sich Ralf Palapies den Ball zum zweiten Anlauf zurecht und vollstreckte zum 2:3.
Ein Kopfstoß von Malte Gollub auf den Querbalken des Büdelsdorfer Gehäuses (86.) ließ die Fans der Grün-Weißen erneut auf eine Punkteteilung hoffen, ehe die dritte Unglücksszene mit Sven Thiele in der unfreiwilligen Hauptrolle auch diese kühnen Träumereien definitiv beendete. Wedels Keeper versuchte sich weit außerhalb des heimischen Strafraums als Dribbelkünstler, was reichlich misslang. Ferid Fatnassi nahm dem 37-Jährigen die Kugel vom Fuß, erkannte die günstige Gelegenheit sowie das verlassene Tor und bediente den freistehenden Atasoy mühelos. Ein Schlusspunkt einer Berg- und Talfahrt und eines Nachmittags, den sich so mancher wohl am liebsten mit augenblicklicher Wirkung aus dem Gedächtnis streichen würde.
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