18.11.2013 Rückblick: Lieber Punkte als Stühle von Folke Havekost
Reisende kann man kaum aufhalten – so lautete das Motto am Oberliga-Wochenende des schweren Rückgepäcks. 15 Punkte trugen die Gastmannschaften nach Hause, ganze neun blieben den Gastgebern. Reisen erweitert nicht nur den Horizont, sondern auch das Punktekonto. Nur Spitzenreiter Dassendorf und Schlusslicht Blankenese haben auf unterschiedliche Weise so herausragende Positionen, dass sie sich nicht an diese Regel halten mussten.
Dassendorf ist nach dem 2:0 gegen BU Herbstmeister, und fast möchten wir sagen: endlich, angesichts der großartigen Hinrunde, die der stark besetzte etwas andere Aufsteiger gespielt hat. Zwölf Siege, vier Unentschieden, keine Niederlage – mit dieser Bilanz kann nicht einmal der nahezu unschlagbare Magnus Carlsen (derzeit 2-5-0) mithalten, der im indischen Chennai gerade Schachweltmeister Viswanathan Anand entthront. Länger als Anand auf den 64 Feldern wollen Jan Schönteich und Thomas Hoffmann im Sachsenwald regieren, das Trainergespann verlängerte gerade seine Verträge.
Blankenese dagegen blieb auch in Spiel eins nach der Trennung von Trainer Dennis Mitteregger unbelohnt. Oststeinbek schoss den etwas normaleren Aufsteiger mal eben 5:0 ab, und das (zunächst) auch ohne Trainer. Stefan Kohfahl steckte noch im Stau, als Mohamed Labiadh in der 2. Minute das erste der Handvoll Treffer markierte. Kohfahl sah danach in einer einseitigen Begegnung noch soviel, dass es für eine Mahnung reichte: „Gegen stärkere Mannschaften dürfen wir nicht so achtlos mit unseren Möglichkeiten umgehen.“
Für den Rest der Liga galt das Gastgebergeschenke-Prinzip, mal mehr, mal weniger. Der SC Condor schwebt nach dem 3:1 in Rugenbergen auf „Woike 7“, wie blog-trifft-ball mit offenbar exzellentem Fernglas beobachtete. Raubvogel-Trainer Christian Woike tat jedenfalls gut daran, den an den Rand des Kaders sortierten Moritz Mandel vor einigen Wochen wieder in die Mitte zu nehmen. Beim 3:1 in Rugenbergen traf Mandel dreifach, drehte damit den 0:1-Rückstand seiner Farben. Rugenbergen-Trainer Ralf Palapies war das trotzige Motto vorbehalten: „Egal wo, wir spielen, um zu gewinnen.“ Nur zuhause ist das im Moment für Oberligisten nicht so leicht.
Die Quadratur des Kreises ist ja ein ähnliches Ding der Unmöglichkeit. Aber immerhin wird in vier Ecken des Kreises Pinneberg Oberliga-Fußball gespielt. Übersichtlich tummeln sich die Vertreter auf den Plätzen drei bis sechs, angeführt vom VfL Pinneberg, der sich im Kreisderby von Halstenbek-Rellingen unentschieden trennte. Was für Palapies immerhin den Trost brachte, dass Rugenbergen sich in den direkten Vergleichen des PI-Quartetts Herbstmeistertrainer nennen darf: Rugenbergen sammelte sechs Zähler, Pinneberg fünf, Halstenbek und Elmshorn, die am Wochenende gegeneinander die Hinrunde beschließen stehen bei nur einem Punkt in der Derby-Tabelle.
Doch von Rugenbergen zurück zu Pinneberg und Halstenbek-Rellingen: Beide Teams hatten zuletzt in Meiendorf einen Quervergleich bestritten und waren jeweils mit einem 0:0 von der B75 zurückgekehrt. Uns verleitete das vor einer Woche zur leichtfertigen Derby-Prognose: „Wir sind uns sicher: Dann fallen Tore – wenn das Wetter mitspielt.“
Das Wetter war gut und alles war drin, nur keine Tore. Die HR-Kicker Sinan Demirci und Jan Rottstedt sahen Rot, nach dem Spiel gab’s noch einige Wortgefechte, von denen wir nur noch die streng wissenschaftliche Kritik an der Plausibilät von Intelligenztests erinnern. Erregt waren die Gäste vor allem über ein nicht gegebenes Kopfballtor von Mladen Tunjic, der nach einer Ecke von Danijel Suntic zugeschlagen, dabei nach Ansicht von Schiedsrichter Alexander Teuscher auch Pinnebergs Torwart Norman Baese getroffen hatte.
Ähnlich enttäuscht über eine sehr ähnliche Situation war Buchholz 08. Beim Spiel in Bramfeld hatte Alexander Gege (wie Tunjic) in der Schlussminute eine Ecke ins Tor geköpft, wurde aber des Foulspiels bezichtigt. Es war die letzte von einigen Chancen der Nordheidjer, dass Spiel auf Steilshooper Kunstrasen für sich zu entscheiden. „Doch 24 Standardsituationen, 12 Eckbälle brachten nicht das gewünschte Erfolgserlebnis“, zählte und litt landkreis-fußball.de mit den Buchholzer Offensivbemühungen der letzten halben Stunde mit.
Während es für den 08-Kapitän und Beinahe-Torschützen Gege „ein Tag zum Vergessen“ war, lässt der Punktgewinn Bramfeld am Freitagabend mit einiger Zuversicht zum Kellerduell nach Blankenese reisen. Gelangt die Elf von Hardy Brüning dort als letztes Team zu ihrem ersten Saisonsieg?
Nicht, wenn sie sich am amtierenden Meister orientiert. „Uns fehlte alles, was man braucht, ein Spiel erfolgreich zu gestalten“, wetterte Elmshorns Sportchef Eugen Igel nach dem 0:1 gegen Meiendorf. Spannender als der Spielverlauf geriet das Verwirrspiel um Coach Achim Hollerieth, den manche Medien schon als Ex-Elmshorner sahen. So atemberaubend der Siegeszug des Vorjahres-Aufsteigers hin zum Titel auch war – seit dem Verzicht auf die Regionalliga-Aufstiegsrunde in diesem Frühjahr stoßen die Elmshorner mehr und mehr an ihre Grenzen. Als Kurort wird die Wilhelmstraße derzeit jedenfalls nicht anerkannt.
Während gestresste Innenstadtbewohner die Vierlande als Naherholungsgebiet schätzen, begaben sich am Wochenende die beiden führenden Fußballmannschaften des Hamburger Südostens erfolgreich auf Reise und kehrten mit 2:0-Siegen zurück. Der SC Vier- und Marschlande – vor einer Woche durch die Heimpleite gegen Alstertal-Langenhorn wieder kopfüber in den Abstiegsstrudel eingetaucht – bot dabei die größere Überraschung auf. Timo Aschenbrenner und Marc Oldag setzten die Konter zum Sieg bei Altona 93, das damit die Qualifikation zur Hallenmeisterschaft zu verpassen droht.
Curslack-Neuengamme, zum sechsten Mal in Folge ohne Gegentor, ist dagegen ebenso wie Pinneberg im Januar beim Indoor-Championat dabei. CN-Coach Torsten Henke nahm die Punkte aus Niendorf gerne mit, einen von den Gastgebern dargebotenen Stuhl lehnte er freilich ab. „Ein Stuhl geht nicht. So lange ich Trainer bin, werde ich stehen“, erklärte Henke im Hamburger Abendblatt und führte aus: „Stellt euch vor, jemand würde Schnelsens Trainer Bert Ehm sagen, er solle sich hinsetzen. Würde der auch nie tun.“
Germania Schnelsen bot über die 16 Spieltage betrachtet auch wenig Gelegenheiten zum müßigen Betrachten von einer Sitzgelegenheit aus. Nach dem Heimsieg gegen Bramfeld hielt die Ehm-Elf Verfolger Alstertal-Langenhorn durch das 1:1 an der Siemershöh immerhin auf Fünf-Punkte-Distanz. Verkompliziert wird die Rechnerei durch die bedrohte Lage aller vier Hamburger Regionalligisten, die auch den Oberliga-15. in den Abgrund reißen könnte. „Natürlich halten wir die Klasse“, versicherte Ehm dem Hamburger Abendblatt gleichwohl.
Er steht eben, fest in seinem Glauben. Und kein Stuhl passt dazwischen.
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