19.05.2014 Rückblick: Busfahren statt Segeln! von Folke Havekost
Viel war in der vergangenen Woche anlässlich eines Fußballspiels in Süddeutschland in überregionalen Medien zu lesen, wie langweilig der Hamburger doch sei. Gemächlich in den Zweireiher schlüpfen, noch einmal im Kontor nachschauen, ob Kaffee- und Pfeffersäcke auch ordentlich gestapelt sind und dann mit dem Segelboot auf der Alster dümpeln und dabei möglichst Untiefen vermeiden - so sieht dann wohl das typische Wochenendvergnügen des typischen Hamburgers aus.
Was sollen wir sagen? Der Blick von außen hat Recht. Wie die Stadt, so der Fußball. Schon vor dem finalen Freitag sind in der Oberliga alle wesentlichen Entscheidungen gefallen. Neben den überforderten Bramfeldern und Blankenesern muss auch der SC Alstertal-Langenhorn die Klasse wieder verlassen. Da Konkurrent Vier- und Marschlande bereits am Freitagabend Altona 93 mit 3:1 bezwungen hatte, hätte Scala das Gastspiel in Schnelsen unbedingt gewinnen müssen.
Vor allem Fatih Gürel hatte etwas dagegen. Der Schnelsen-Stürmer, der schon Dassendorf mit einem Traumtor zum Wanken brachte, traf gegen die Langenhorner gleich doppelt. Da zwischendurch der A-Jugendliche Marco Kudzia zwischen den Pfosten der Germanen einen Elfmeter von Meisam Azadeh parierte, konnten sich die Hausherren der letzten theoretischen Abstiegssorgen schnell ledig fühlen.
Nach dem 1:3 im vorerst letzten Oberliga-Auswärtsspiel heißt es für Scala wohl Rückkehr zur Normalität. Der Aufstieg vor einem Jahr kam überraschend, phasenweise sah es so aus, als ob der Neuling sich in Hamburgs höchster Liga zurechtfinden könnte, doch fünf Niederlagen in Folge darf man sich im Abstiegskampf einfach nicht erlauben. Die besten Abschiedsworte für die Langenhorner fand Germanen-Trainer Florian Gossow, der sich selbst eine starke Rückrunde und daraus resultierend den Klassenerhalt der Schnelsener auf die Fahnen schreiben kann: „Mir tut es leid, dass sie runter müssen. Es ist eine tolle Truppe, die ich selbst noch aus Landesliga-Zeiten kenne, die vor allem auf die eigene Jugend setzt. Schade, dass das nicht belohnt wurde.“
Denn 27 Punkte sind in der Regel zu wenig für den Klassenerhalt, wie man selbst in der Hansestadt weiß. Schließlich holte selbst der HSV bei seinem einzigen Abstieg 1913 nur 15 Punkte und qualifizierte sich damit nicht für die erstklassige NFV-Verbandsliga, die vom Gebiet der heutigen Regionalliga Nord entspricht. Also der Liga, in die auch heute kein Hamburger Erstligist will, wie die Nichtmeldungen zur Aufstiegsrunde belegen.
Auch nicht die TuS Dassendorf, der wir nun nach Wochen voller Vorfreude zum zweiten Meistertitel nach 1999 gratulieren können. Ein Punkt fehlte noch, und dies war trotz Rückstands bei Barmbek-Uhlenhorst keine allzu große Hürde für die Mannschaft von Jan Schönteich. Eric Agyemang, Dennis Tornieporth und Muri Adewunmi schossen den 3:1-Auswärtssieg heraus, der für Schönteichs Assistenten Thomas Hoffmann eigentlich ein Heimsieg war. Zehn Jahre zuvor feierte „Hoffi“ schließlich als BU-Verteidiger ebenfalls in „Barmbek Anfield“ die Hamburger Meisterschaft. BU zieht ja zum Jahreswechsel in ein neues Stadion, aber ehe die Barmbeker für die nächsten Jahre ganz viele Messen, Konzerte oder Hundeausstellungen in ihr neues Schmuckkästchen buchen, sollten sie sich erkundigen, was Thomas Hoffmann im Mai 2024 so vor hat.
Ihre Meisterschaftsfeier nutzten die Dassendorfer entgegen der landläufigen Meinung allerdings nicht zum Segeln, sondern zum Busfahren. „Ist Dasse ersma Meister vonne/ Stadt, dann scheint in Hamburg Sonne“, lautet eine alte Barmbeker Spruchweisheit, und so machte sich der Champion bei bestem Wetter im Doppeldecker auf zu einer Erkundungstour durch den Stadtteil St. Pauli. Zuvor wurde noch die Sachsenwälder Heimat angesteuert, und obwohl wir Dassendorf als moderne Gemeinde kennen, wissen wir doch auch, dass sie auf ihren Straßen nicht über Busspuren verfügt. Nicht nur deshalb sind wir uns sicher, dass die Fahrt sehr gemächlich verlief.
Wer hinter Dassendorf Vizemeister wird, ist theoretisch noch nicht entschieden, doch drei Punkte und 15 Tore Vorsprung auf Altona wird sich Curslack-Neuengamme kaum noch nehmen lassen. Insofern war das Heim-1:1 gegen Niendorf ein Punktgewinn, bei dem CN-Trainer Torsten Henke die letzten zehn Minuten außerhalb von Trainerbank und Coaching-Zone verbringen musste: Hinter den Absperrungen hatte er hoffentlich genug Muße, nicht nur den Live-Punktestand seiner Schützlinge (64), sondern auch die verbliebenen Spieler auf dem Platz zu zählen: acht bei Curslack, neun bei Niendorf – die Folge von drei Roten und zwei Gelb-Roten Karten, deren Ursache beide Trainer eher beim Schiedsrichter suchten.
Wer Hamburgs beste Pokalmannschaft ist, wird erst am 29. Mai entschieden. Der eine Kandidat SC Condor rettete sich im Heimspiel gegen Rugenbergen aus einem 0:2 in ein 2:2. Bange Blicke wandern jedoch erneut von Farmsen nach Jenfeld, wo die HFV-Gerichtsbarkeit nach dem für die Raubvögel günstigen Entscheid im Pokalhalbfinaldoppelelferdrama von Altona nun über das Geschick von Condor-Stürmer Kristoffer Laban befinden muss. Seine Titulierung von Rugenbergen-Trainer Ralf Palapies in der hektischen Schlussphase war nicht sehr freundlich und wurde mit Rot geahndet. Laban muss nun auf eine automatische Sperre von einem Spiel hoffen, damit er nur am Freitag in Oststeinbek fehlt, nicht aber sechs Tage später im Pokalfinale gegen Paloma.
Die Tauben verpassten am letzten Landesliga-Spieltag knapp den Sprung in Hamburgs Oberhaus, was uns noch einmal die Gelegenheit gibt, mit dem Buxtehuder SV und den Stadtparkkickern vom VfL 93 zwei neue Gäste zu begrüßen. Einer von ihnen nimmt den Platz von Blankenese ein, das sich als Oberliga-Spielstätte immerhin mit einem Sieg verabschiedete. Mario Steinecke verwandelte in der Schlussminute einen umstrittenen Strafstoß zum 2:1 gegen Oststeinbek. „Am Ende hat der Tüchtigere gewonnen“, befand Ostbeks Co-Trainer Mohed Wadhwa.
Der FC Elmshorn begab sich zum letzten Mal als amtierender Meister auf die Reise und kehrte mit einer 1:3-Niederlage aus Meiendorf zurück. Eine halbe Stunde lang bestimmte der FCE das Geschehen, doch dann riss der Faden und die bis dahin erarbeitete 1:0-Führung reichte nicht aus. Die Meiendorfer belohnten sich mit drei Punkten, und der Spielplan hält für sie das wohl dankbarste Auswärtsschlussspiel bereit: Der MSV darf am Freitag den Dassendorfern zum Titel gratulieren.
Obwohl die Pinneberger bösen Gerüchten zufolge ja lieber parken als segeln, ist auch ihre Meisterschaft bereits entschieden. Ein Schlussminuten-Freistoß von Flemming Lüneburg sicherte dem VfL Pinneberg endgültig die Gewissheit, die Nummer eins im Kreis Pinneberg zu sein. Wie in Barmbek, hätte den Gästen auch in Halstenbek-Rellingen bereits ein Punkt zum Zieleinlauf gereicht, Lüneburgs Gewaltschuss versorgte das Geplänkel beider Teams allerdings mit einer kräftigen Vitaminspritze. VfL-Trainer Michael Fischer ließ es sich nicht nehmen, Lüneburg nach Abpfiff eine Ananas zu überreichen, die mit goldfarbenem Autolack besprüht worden war – ein Kommentar zu Halstenbeker Äußerungen, es gehe beim Derby allenfalls noch um eine glitzernde Südfrucht. Unwahrscheinlich, dass die HR-Verantwortlichen Detlef Kebbe und Thomas Bliemeister die Pinneberger Design-Idee in das Autohaus mit Silberstern tragen, in dem beide beschäftigt sind.
Einen äußerst wahrscheinlichen Ausgang gab es in der Nordheide zu verzeichnen. Schlusslicht Bramfeld hatte mit dem ersten Saisonsieg vor Wochenfrist (4:3 gegen Schnelsen) einen historischen Negativrekord vermieden, aber so ein Kraftakt lässt sich nicht beliebig wiederholen. Erst recht nicht in Buchholz, wo Philip Mathies seine Silberhochzeit mit den 08ern feierte. 25 seiner 29 Jahre hat Mathies beim TSV verbracht, prompt schoss der Stürmer auch die ersten beiden Tore zum 7:0-Kantersieg. Ein Punkt am Freitag bei Absteiger Scala dürfte reichen, um die inoffizielle Rückrundenmeisterschaft in die Nordheide zu holen.
Und danach? Thomas Titzes einstige Rasselbande kommt langsam in die Jahre, aber „für die neue Saison bleiben wir auf jeden Fall alle noch zusammen“, erklärte Jubilar Mathies: „Das haben wir uns versprochen.“ Fürs gemächliche Segeln sind sie allemal noch zu jung.
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