18.08.2014 Rückblick: Kicken statt Kino von Folke Havekost
Wie doch die Zeit vergeht! Am Wochenende startete die englisch-walisische Premier League schon in ihre zweite Saison ohne Michael Owen, der uns bei der Weltmeisterschaft 1998 mit seinem Tor gegen Argentinien bezaubert hat ( https://www.youtube.com/watch?v=5tLE62dvSfI). Kürzlich lasen wir ein Interview mit dem 34-Jährigen, der inzwischen fürs Fernsehen die Bemühungen seiner Nachfolger auf dem Rasenrechteck kommentiert. Die Antwort auf die Frage nach seinem letzten Kinobesuch hat uns allerdings schockiert. „Es klingt sehr langweilig, aber ich schaue keine Filme“, verriet Europas Fußballer des Jahres 2001: „In meinem Leben habe ich vielleicht fünf gesehen. Ich komme einfach nicht in Filme rein. Wenn mir jemand sagt: ‚Schau dir diesen Film an, der ist großartig’, dann versuche ich’s, aber nach 30, 40 Minuten halte ich es nicht mehr aus.“ ( http://www.theguardian.com/football/2014/aug/15/small-talk-michael-owen)
Dem Mann kann geholfen werden! Wer gerne Fußball guckt, sich aber nicht in Kinos begeben oder mit DVD-Abspielgeräten herumplagen möchte, muss nur der Oberliga Hamburg zuschauen. Da passiert nämlich fast genau dasselbe wie in den besten Filmen, und niemand muss sich nach 30, 40 Minuten abwenden – die 90-plus-Spielfilmlänge bietet prächtige Unterhaltung. Ein kurzer Blick aufs Programm des vergangenen Wochenendes mag genügen, um nicht nur Mr. Owen zu überzeugen.
Der Film mit dem höchsten Publikumszuspruch aus dem regulären Programm. Vicky ist zwar noch jung, schielt aber nach oben und hat dabei mit Selbstzweifeln zu kämpfen: Sind nach zwei Regionalliga-Jahren zwei Unentschieden zum Oberliga-Start wirklich standesgemäß? Und was führt die Rivalin aus dem Sachsenwald im Schilde? Zum Glück war der welterfahrene und galante Marius Ebbers zur Stelle, bewies beim 1:0 in Altona Köpfchen und brachte die künftige Königin auf den richtigen Weg. ( https://www.youtube.com/watch?v=YuKrvnLtxfY&feature=youtu.be)
Victoria demonstrierte Fußballadel, doch an der Spitze tummelt sich ein Außenseiter: Es ist gar nicht so lange her, da spulte der Meiendorfer SV regelmäßig ein Sommerprogramm ab, als stünde das Team kurz vor der Auflösung – wie etwa die Eishockey-Cracks der Charlestown Chiefs im Film von 1977. Seitdem Paul Newmans Alter Ego Matthias Stuhlmacher den Laden an der B75 übernommen hat, geht es allerdings nach oben. Nicht besonders rasant, sondern Stück für Stück, wie zuletzt das mühsame 2:1 gegen Buxtehude demonstrierte. Die Tabellenführung ist sicher eine Momentaufnahme, aber ein guter Film besteht aus nichts anderem als gut aneinander gereihten guten Momentaufnahmen. Nur müssen wir kritisch anmerken, dass die Meiendorfer Kicker nicht ganz so körperbetont spielen wie die Charlestown Chiefs.
„Mit 30 biste durch!“ lautet die einfache Botschaft des Streifens, den Cineasten irritierenderweise auf alteingesessenen Holzbänken vor einem noch weit älteren Baumbestand verfolgen müssen. Im Gegensatz zum 24-jährigen US-Präsidenten Max Frost plant der geringfügig ältere HR-Trainer Thomas Bliemeister zwar nicht gleich die Beseitigung aller Menschen über 30, aber zumindest hat er seinen Kader stark verjüngt. Der Charme der Jugend wirkt: Zwar büßte die Mannschaft die Tabellenspitze ein, rettete gegen die starken Besucher aus Barmbek-Uhlenhorst aber immerhin in Unterzahl ein 2:2 und bleibt somit ungeschlagen.
Spötter behaupten ja, dass die Dassendorfer Vorführer sich in dem Filmklassiker so gut wiederfinden, weil die Geschichte „viele, viele Meilen östlich von Nirgendwo“ spielt. Doch wer sich am Freitagabend zum Sachsenwald-Open-Air aufmachte, bestaunte einen Regenbogen, den selbst Judy Garland nicht besser hätte besingen können. Da gerade kein Begleitorchester vorhanden war, übernahm Eric Agyemang mit seinen beiden Treffern gegen den VfL Pinneberg die Aufgabe, für bodenständige Höhepunkte zu sorgen.
Im Remake des 1974er-Films „Die Blechpiraten“ kommt es auf jede Sekunde an, weil am Erfolg eines Autoknackers das Leben seines Bruders hängt. Am Remake des Curslack-Neuengammer Fußballs hängen keine Menschenleben, aber das bange Herunterzählen ist eine universale Erfahrung. Als das Publikum nach 93 Minuten lange genug mit dem Tor-Protagonisten Jan-Hendrik Bannasch gefiebert hat und schon „Abspann! Abspann!“ ruft, gelingt dem Buchholzer Joker Milaim Buzhala mit seinem Abstauber zum 1:1 doch noch eine überraschende Wendung, die Curslack auf einen durchaus unverdienten Abstiegsplatz stürzen lässt. Die Tabelle lügt nicht, aber wir haben den Verdacht, dass sie im Spätsommer gerne mal ein bisschen flunkert.
Der Regen stürzt nieder, das Wasser steigt, der Damm bricht zusammen, der Untergang droht. Was in der Kleinstadt Huntingburg zu Mord und Totschlag führt, sollten die über Jahrhunderte fluterfahrenen Vierländer eigentlich besser händeln können. Tatsächlich zeigte das Notfallteam vom SCVM in Farmsen gut 30 Minuten lang einen beeindruckenden Katastropheneinsatz, der die Betrachter eher glauben ließ, es sei der Condor, der gerettet werden müsse. Doch danach brachen alle Abwehrdämme, und das 0:5 macht die langfristigen Prognosen nicht besser: „Unser Start ist genauso schlecht wie im vorigen Jahr, nur diesmal erarbeiten wir uns noch weniger Chancen“, beklagt Trainer Olaf Poschmann.
Vorweg gesagt: Bo Derek und Heiko Ansorge sind nicht in jeglicher Hinsicht zu vergleichen. Aber die Flexibilität beider Akteure ist ähnlich groß. Wie Derek in der Rolle als Jenny Hanley zu verschiedener Musik unterschiedliche Tätigkeiten bevorzugt, so passt sich Ansorge in der Rolle als Abwehrspieler optimal den jeweiligen Gegebenheiten an. „Er spielt zwar hinten, aber wir haben ihm die Nummer zehn gegeben, damit er auch mal nach vorn geht“, verriet Rugenbergens Trainer Ralf Palapies, wie es nicht nur dazu kommen konnte, dass seine Mannschaft ihr erstes Spiel gewann, sondern die neue Nummer zehn bei ihrem Debüt auch gleich einen Treffer zum 3:1-Sieg in Niendorf beisteuerte.
Wink of an Eye (Elmsdorado) (leider im weltweiten Netz vergriffen)
Ein kurzer Augenblick kann alles verändern – und etwa aus einem von Elmshorns Trainer Bernhard Schwarz eingeplanten Nullzunull einen Auswärtssieg mit Traumtor machen. Schnelsens Jeton Arifi zeigte seine Qualität mit einem Strafraumgrenzenlupfer, der Elmshorns Neustart nicht gerade leichter macht. Neu starten will auch der Chemiker Alvin Atterbury in dem wenig bekannten Melodram von 1958, weshalb er seine ungeliebte Gattin scheinbar so konsequent zerstückelt und einfriert, wie der FC Elmshorn es 2013 mit seinen Regionalliga-Träumen getan hat.
Vielleicht hätte bei dieser Sondervorstellung von DFB Enterprises tatsächlich nur Beten geholfen, wie Tom Hanks es als Trainer des Baseball-Frauenteams „Rockford Peaches“ bevorzugte. Marco Krausz tat alles, um seine Palomaten starkzureden, aber Hoffenheim spielt eben doch in einer anderen Liga und ist eine Klasse für sich. Die schirmbemützten Ladies um Madonna kombinierten noch Mut und Erfolg, für die Tauben lag Letzteres leider allzu weit entfernt. Aber was soll’s: „There’s no crying in baseball“ – und im Taubenschlag schon mal gar nicht!
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