06.08.2015 Vorschau: Herausforderer gesucht. Wer hat die Frühform, um mit dem Meister mitzuhalten? von Christopher Herbst
„Der Amateurfußball ist nicht mehr sexy genug“, so schwadronierte Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer der ruhmreichen Borussia aus Dortmund, vor wenigen Tagen im „Kicker“, als er den Zuschauerrückgang bei den „Kleinen“ zu erklären versuchte. Mal ganz davon abgesehen, dass der Vorsitzende des sauerländischen Dorfclubs Rot-Weiß Erlinghausen vermutlich auch seine dortigen Vereinskollegen vor den Kopf gestoßen hat, lieferte Hamburg beim Opening an der Anfield ein eindrucksvolles Gegenbeispiel. Über 3000 Zuschauer zählte Gastgeber BU, das hatte ja sogar den vielbeschworenen „Eventcharakter“.
Watzke – als Diplom-Kaufmann ein Mann der Zahlen – sollte auch an diesem Wochenende aufpassen, denn die hiesigen Amateure haben wieder einiges zu bieten: das erste Heimspiel der Saison in Altona, die Oberliga-Premiere des FC Türkiye vor den eigenen Fans und ein etwas in Vergessenheit geratenes Traditionsduell. Was noch fehlt? Ein nicht ganz unwichtiges Spiel in Norderstedt, wo BU im DFB-Pokal gegen Freiburg das Duell David vs. Goliath wieder einmal aufleben lässt. Watzkes BVB kickt allerdings zeitgleich in Chemnitz, sonst wäre er beim Zappen durch die Sky-Übertragungen vielleicht ja hängengeblieben beim Anblick der mit Sicherheit vom Barmbeker Pöbel und den BUsenfreunden stimmungsvoll begleiteten Partie.
Erschreckend harmlos präsentierte sich Buxtehude im ersten Spiel beim SV Rugenbergen. Selbst in mehr als 20 Minuten Überzahl gelang kein Ausgleich, vielmehr fiel sogar noch das 0:2. Vermutungen, dass den Niedersachsen und ihrem neuen Trainer Sven Timmermann ohne den abgewanderten Herman Mulweme der nötige Punch im Strafraum fehlt, wurden nicht widerlegt. Auch in Buchholz ist der Coach neu, durfte aber zugleich jubeln, denn unter Thorsten Schneider bewies Arne Gillich wieder seinen Torriecher mit zwei Treffern. Dem TSV wurde zwar im Sommer eine schwierige Saison prognostiziert, doch ein Sechs-Punkte-Start könnte zunächst einmal für Beruhigung sorgen. HAFO-Tipp: 1:2.
Schiedsrichter: Jorrit Friedrich Eckstein-Staben (SC Wentorf)
TuS Dassendorf (1.) vs. FC Süderelbe (3.)*** – Freitag, 19 Uhr (Vergangene Saison: 3:0, 2:1)
Wendelweg, 21521 Dassendorf
Die kurzfristig erfolgte Rückholaktion von Mustafa Karaaslan aus dem Westen erwies sich für Süderelbe als brillante Idee, schließlich war der 20-Jährige sogleich treibende Kraft beim deutlichen Heimsieg gegen Concordia und war mit einem späten Doppelpack (90./90.+5) am Mittwochabend Matchwinner beim mühseligen 3:1 im Pokal beim Kreisligisten FC Neuenfelde (nach Halbzeitrückstand!). Auch Dennis Bergmann, zuletzt bei der U23 des FC St. Pauli, fügte sich sofort gut ein. Offensive Entlastung wird wichtig sein, wenn der FCS irgendwie eine Chance haben möchte beim nominell stärksten Oberligisten. „Wir spielen nicht in einer Liga“, dieses Statement seines unterlegen Trainerkollegen Michael Fischer bekam TuS-Coach Jan Schönteich nach der 4:0-Gala in Pinneberg zu hören. Es wird höchstwahrscheinlich nicht das letzte Mal gewesen sein, denn die individuelle Qualität des Titelverteidigers ist so hoch wie nie zuvor. HAFO-Tipp: 3:1.
Schiedsrichter: Alexander Nehls (SC Eilbek)
SC Victoria (14.) vs. USC Paloma (11.)*** – Freitag, 19.30 Uhr (Vergangene Saison: 5:0, 1:0)
Stadion Hoheluft, Lokstedter Steindamm 87, 22529 Hamburg
Unbefriedigend, aber nicht zu ändern: Die zahlreichen Ausfälle beim SC Victoria verhageln dem Traditionsclub tüchtig den Saisonstart. Erst die deutliche Pleite in Meiendorf, dann der Zittersieg im Pokal beim Klub Kosova – mit Sicherheit wird auch Paloma Lunte gerochen haben. Bleibt die Frage, ob Altmeister Jasmin Bajramovic seine Fußball-Rente weiterhin unterbrechen muss. Oder ob Trainer Lutz Göttling noch weitere Rohdiamanten aus der Jugend ausgräbt wie den 17-jährigen Teenager Danial Jadidi, der im Pokal bei seinem zweiten Herreneinsatz sogleich ein Tor erzielte. HAFO-Tipp: 1:0.
Schiedsrichter: Paul Jennerjahn (TSC Wellingsbüttel)
FC Türkiye (1.) vs. Niendorfer TSV (10.)*** – Sonnabend, 15 Uhr (Vergangene Saison: ---)
„Mit Papa an der Landesgrenze“, so lautet ein Songtitel der Hamburger Rockband Abschlach! von 2008. Darin wird pure Fußballnostalgie beschworen: „Dann wurd' geklönt und von früher erzählt, da hat Viktoria noch oben mitgespielt.“ Besagtes Viktoria Wilhelmsburg gibt es aufgrund mehrerer Fusionen nicht mehr, die sportliche Nummer eins im Stadtteil ist längst der FC Türkiye. Und dieser bittet sogar als Co-Spitzenreiter zu seinem ersten Oberliga-Heimspiel an der Landesgrenze. Das junge Niendorfer Team erwartet ein heißer Tanz. Frei nach Abschlach!: „Bei jeder Grätsche staubt es rot, viel Kampf und viel Gerenne.“ Denn seine ersten beiden Partien vor eigenem Publikum muss Aufsteiger Türkiye tatsächlich auf Grand bestreiten, ehe der Rasenplatz ab dem Gastspiel des SC Condor (28. August) wieder in Betrieb genommen werden darf. HAFO-Tipp: 2:2.
Sonntag, 10.45 Uhr, das war bisher Condor-Time. Nun dürfen die Spieler länger schlafen, mit dem Pinneberg-Spiel beginnt eine neue Zeitrechnung. Die Gäste wird es freuen, schließlich gibt es kürzere Anfahrtstrecken als von der Fahltsweide zum Berner Heerweg (knapp 30 Kilometer). Nach der kalten Dusche gegen Dassendorf beginnt die Saison für den VfL auf ein Neues. Leicht wird es nicht, denn die Condor-Offensive erwies sich beim Erfolg über Paloma als ziemlich kaltschnäuzig. HAFO-Tipp: 2:1.
„Farewell Anfield“, unter diesem Motto verlor Altona sein Auftaktspiel bei BU. Der dortige, hochemotionale Abschied von einem Kultstadion dürfte für die 93-Fans ein Vorgeschmack gewesen sein darauf, wie es denn sein könnte, wenn ihre heißgeliebte „AJK“ für immer die Tore schließt. Ein konkretes Datum gibt es dafür jedoch noch nicht, Ende Juli gab der Vereinsvorstand bekannt, dass die Verhandlungen mit dem Bezirkssportamt andauern. Es klingt kompliziert: „Neben dem Pachtzins sollen für den Verein hier sogenannte „Freimachungskosten“ in beträchtlicher Höhe fällig werden, die für den Verein aktuell nicht akzeptabel sind.“ (http://www.altona93.de/News/items/afc-mitgliederinfo.html). Es werden also noch einige Oberliga-Bälle die Griegstraße entlang rollen. HAFO-Tipp: 3:3.
Schiedsrichter: Michael Ehrenfort (TuRa Harksheide)
Jacob-Thode-Platz, Lütten Hall 1a, 25469 Halstenbek
Das Hochgefühl währte kurz. Vor wenigen Tagen klopften sich die Meiendorfer noch gegenseitig auf die Schultern, nachdem Rückkehrer Yiner Ronal Arboleda Sanchez den SC Victoria beim 4:1 quasi im Alleingang erledigt hatte. Und dann das: Die MSV-Fans mussten nicht nur das 1:2-Pokalaus im eigenen Stadion gegen Curslack-Neuengamme mit ansehen, sondern auch noch, wie Sanchez nach einem Frustfoul mit glatt Rot vom Platz flog. Das heißt: „Ausgerechnet“ bei seinem Ex-Club HR, wo es vergangene Saison so überhaupt nicht klappte, fehlt der Kolumbianer nun gesperrt. Dabei hätte er mit Sicherheit gerade am Lütten Hall so gerne nachgeholt, was ihm im Halstenbeker Dress nicht gelungen war. HAFO-Tipp: 2:2.
Lang ist es her: In der Saison 2009/2010 fanden letztmalig Oberligaduelle zwischen diesen zwei mehr oder weniger angestaubten großen Namen des Hamburger Amateurfußballs statt. Jeweils gewann „Cordi“ – einmal 3:0 (http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=3724), einmal 5:3 (http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=3953). Lurup stieg seinerzeit ab, Concordia folgte eine Saison darauf und ward seitdem nicht mehr gesehen, während der SVL 2012/2013 für ein Intermezzo vorbeischaute. Jetzt sind beide Clubs zurück als Neulinge, doch sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Der dürre Luruper Kader ist hinlänglich beschrieben, während Concordia – nunmehr mit dem Appendix „WTSV“ versehen – eine durchaus talentierte Truppe vorweisen kann, die es schaffen sollte, im Tabellenmittelfeld zu landen. HAFO-Tipp: 3:0.
Schiedsrichter: Benjamin Stello (SC Egenbüttel)
Regionalliga Nord, 3. Spieltag:
VfL Wolfsburg II (2.) vs. Hamburger SV II (5.) – Sonnabend, 13 Uhr (Vergangene Saison: 1:3, 3:1)
AOK Stadion, Allerpark 2, 38448 Wolfsburg
Nichts anderes als eine Demonstration der Stärke war es, wie die „Wölfe“ am Sonntag ein keinesfalls desolates Eintracht Norderstedt mit 5:0 deklassierten. Der HSV quälte sich eher zu einem Remis gegen Aufsteiger Schilksee, da hatte jeder mehr erwartet. Hohes Tempo ist in diesem U23-Duell garantiert. Die Frage wird sein, ob die Gäste auch physisch mithalten können. HAFO-Tipp: 4:2.
TimePartner Arena, Friesoyther Straße 8, 49661 Cloppenburg
Der vor dem Regionalligastart festgelegte Terminkalender bot Eintracht Norderstedt die Möglichkeit, vom zweiten bis vierten Spieltag alte Rechnungen zu begleichen. Schließlich hatte der Club gegen den VfL Wolfsburg II, den BV Cloppenburg und Weiche Flensburg bis dato noch nie gewinnen können. Nun, Wolfsburg muss nach dem 0:5 noch warten. Dafür soll es in Cloppenburg besser laufen, wo sich „EN“ in der letzten Hinserie beim 1:2 eher selbst schlug. Die Fahrt findet ohne den Akteur statt, der selbst einst zweieinhalb Jahre beim BVC spielte – Jan-Philipp Rose erlitt am vergangenen Sonntag mehrere Frakturen im Gesicht, die Norderstedter Defensive muss auf unbestimmte Zeit ohne eines ihrer erfahrensten Mitglieder auskommen. HAFO-Tipp: 1:1.
Schiedsrichter: Yannick Rath (OT Bremen)
DFB-Pokal, 1. Runde:
HSV Barmbek-Uhlenhorst vs. SC Freiburg*** – Sonntag, 14.30 Uhr
Edmund-Plambeck-Stadion, Ochsenzoller Straße 58, 22848 Norderstedt
Das Spiel des Jahres für den Verein, das Spiel des Lebens für jeden Fußballer, der am Sonntag das BU-Trikot voller Stolz tragen wird. Schwer wird es bloß für Trainer Frank Pieper-von Valtier, der eben nur 14 seiner Schützlinge einen Einsatz spendieren können wird. Das, davon gehen die Vereinsverantwortlichen aus, vor ausverkauftem Haus und dann ungefähr 4500 Zuschauern im Norderstedter Edmund-Plambeck-Stadion, welches in diesen Tagen extra umdekoriert wird – sprich: sämtliche Werbung bekommt einen grünen „Mantel“ mit Pokal-Logo, Ordnung muss eben sein. Für die Barmbeker ist es der erste Auftritt im deutschen Vereinspokal seit dem 18. Oktober 1975, als der Club in der zweiten Runde zu Hause mit 2:3 nach Verlängerung an Hassia Bingen scheiterte (http://www.fussballdaten.de/dfb/1976/runde2/barmbek-hassiabingen). Wer am Sonntag nicht live in Garstedt dabei sein kann, schließlich ruht der Betrieb auf den weiteren Amateurplätzen keineswegs: Der Pay-TV-Sender Sky überträgt in HD, die Sportschau zeigt später Highlights. Die Chancen von BU auf eine Sensation dürften angesichts der Freiburger Zweitligaform – die Breisgauer sind nach zwei Spieltagen Spitzenreiter – natürlich verschwindend gering sein. Der letzte Hamburger Pokalsieger, der die erste Runde überstand, war bekanntermaßen der SC Victoria vor fünf Jahren (http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=4113). Aber wer weiß... HAFO-Tipp: 0:6.
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