21.09.2015 Offener Brief der Hamburger Verbandsschiedsrichter von Olaf Both
Im Auftrag der Hamburger Verbands-Schiedsrichter:
Offener Brief an die Hamburger Sportpresse
Wir Hamburger Verbandsschiedsrichter fühlen uns durch die Zustände auf Hamburgs Amateur-Sportplätzen gezwungen, mit diesem Schreiben an die Öffentlichkeit zu gehen.
Vielfach werden wir ehrenamtlichen Schiedsrichter respektlos behandelt. In einigen Fällen werden wir beleidigt, bedroht oder gar körperlich attackiert. Die Ereignisse im Anschluss an das Landesliga-Spiel Bramfelder SV – Dersimspor Hamburg am 04.09.2015 verdeutlichen dies einmal mehr und stimmen uns äußerst traurig sowie nachdenklich und erfordern dringend Maßnahmen. Offizielle, Spieler oder Zuschauer verhinderten diesen Angriff nicht. Ihnen gelang es auch nicht den Täter dingfest zu machen! Unser Kollege Mike Franke wurde hier von einem gewalttätigen Anhänger körperlich angegangen und selbst noch am Boden liegend auf brutalste Art attackiert.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich am 29.03.2015 unmittelbar nach Abpfiff des Bezirksliga-Spiels ASV Hamburg – Este 06/70. Unser junger Schiedsrichter-Kollege wurde nach dem Spiel von einem Anhänger des Heimvereins körperlich angegangen. Auf dem Laptop dieses Täters wurde vor der Partie der Spielbericht ausgefüllt. Der Verein hat den Namen dieser Person bis heute (trotz dreier Verhandlungen vor dem Sportgericht des Hamburger Fußball Verbands) nicht genannt! Ein skandalöser Vorgang!!!
Über die Vorkommnisse im Rahmen der Landesliga-Spiele zwischen Elazigspor gegen SC Schwarzenbek und FC Bergedorf 85 gegen SV Altengamme sind wir schockiert! Offensichtlich haben einige Mannschaften in sich und in den eigenen Zuschauerreihen (in diesen Fällen Elazigspor, Dersimspor und FC Bergedorf 85) ein erhebliches Gewaltpotenzial. Es gilt hier festzustellen, dass einige Vereinsoffizielle ein Werteproblem haben!
Der Respekt ist vollkommen verloren gegangen.
Die Täter wurden vom Verein Elazigspor bis heute nicht benannt. Der Trainer des FC Bergedorf 85 stellt sich die Frage, ob es richtig war, einen 17-jährigen zu einem Derby anzusetzen?!
Nun, nach den Schilderungen des Schiedsrichter-Beobachters (Norbert Grudzinski, Schiedsrichter der DFB-Lizenzligen seit 1999), stellt sich eher die Frage, warum einige Spieler eine brutale Spielweise an den Tag legten und den Schiedsrichter nicht respektierten oder gar bedrohten?! Als Trainer und 1. Vorsitzender des FC Bergedorf 85 wäre es wohl besser sich um das aggressive Auftreten der eigenen Zuschauer zu kümmern und das Fehlverhalten von Teilen der Mannschaft zu unterbinden! Dass das Schiedsrichter-Team sich in der Kabine einschließen musste und die herbeigerufene Polizei das Schiedsrichter-Team zum PKW begleiten musste, spricht für sich! Ein Ordnungsdienst war nicht vorhanden.
Zur Richtigstellung: Der Schiedsrichter des Spiels ist 23 Jahre alt. Aber auch wenn der Schiedsrichter erst 17 Jahre wäre, würde dies etwas ändern? Scheinbar ist jeder noch so billige Grund recht (und wenn er auch nicht der Wahrheit entspricht), wenn er als Rechtfertigung für die eigenen Disziplinlosigkeiten dient.
Wir Schiedsrichter sind nicht das Ventil für gesellschaftliche Probleme, schlechte Erziehung oder unkontrollierte Emotionen! Wir fordern die verantwortlichen Personen in den Vereinen dazu auf, dafür zu sorgen, dass Spieler, Eltern, Trainer und Zuschauer uns mit Respekt begegnen.
Des Weiteren fordern wir die verantwortlichen Personen in den Vereinen dazu auf, dafür zu sorgen, dass ihre Schiedsrichter-Abteilung bzw. ihr Schiedsrichter-Obmann unterstützt wird sowie die Schiedsrichter ihres Vereins betreut und begleitet werden.
Dieser Brief soll keineswegs den Eindruck erwecken, dass wir Schiedsrichter keine Fehler machen!
Selbstverständlich machen wir Fehler!
Und natürlich sind wir, wenn die Gemüter sich nach Spielende beruhigt haben an einem SACHLICHEN Austausch interessiert. Wir möchten jedoch trotz einer strittigen Entscheidung im Spiel respektvoll behandelt werden. Ganz sicher ist diese Forderung nicht zu viel erlangt!
Jeder Spieler, Trainer, Betreuer, Obmann, Zuschauer oder wer auch immer kann sich ja einmal hinterfragen, wie und ob sein Verhalten uns Schiedsrichtern als ehrenamtlichen Helfern des Fußballs gerecht wird.
In den acht Hamburger Bezirksschiedsrichter-Ausschüssen werden jedes Jahr Hunderte von Schiedsrichtern ausgebildet. Dennoch sinkt die Zahl der Schiedsrichter, weil viele nach negativen Erlebnissen (Beschimpfungen, Bedrohungen, etc.) die „Pfeife wieder an den Nagel hängen“ und ihre Freizeit stress- und auch angstfrei gestalten möchten.
Die Lehrwarte in diesen acht Bezirken arbeiten unzählige Stunden pro Woche, um Schiedsrichter für die Vereine und deren Fußballer aus- und weiterzubilden. Als „Dank“ für all das Engagement werden die Schiedsrichter auf den Sportanlagen respektlos behandelt, beschimpft, beleidigt, bedroht oder gar körperlich attackiert.
Klingt absurd, ist aber die Realität im Jahr 2015!
Genauso absurd klingt die Notwendigkeit, dass der DFB und die Landesverbände Spielformen entwickeln müssen, bei denen sich Eltern der spielenden Kinder im Jugendbereich mindestens 20 m vom Spielfeld entfernt befinden müssen. Absurd, aber ein Teil des Jugendfußballs im Jahr 2015!
Wir fordern alle Vereine zu einem konsequenten Handeln auf! Wir erwarten, dass sich ALLE Vereine mit der Thematik beschäftigen und eine ehrliche Selbstreflexion vornehmen!
Wir erwarten, dass auffällige Zuschauer, Eltern, Trainer und Betreuer eindringlich auf eine Verhaltensänderung hingewiesen werden. Wenn dies nicht fruchtet, muss ein Verweis von der Anlage bzw. eine Tätigkeitssperre erfolgen.
Ab Saison 2016/2017 fordern wir vom Spielausschuss, für die Oberliga Hamburg sowie die beiden Landesligen, die Einführung einer Sperre nach einer Gelb/Roten Karte sowie der fünften gelben Karte (analog der Regelung in den Lizenzligen aber auch analog zu den Regelungen des SHFV und des Niedersächsischen FV).
Wir Schiedsrichter sehen uns als Helfer der Vereine, von deren Fußballern und der schönsten Nebensache der Welt, dem Fußball. Sollten unsere Anliegen keine Unterstützung finden UND keine Verbesserung der aktuellen Situation eintreten, so behalten sich die Hamburger VSA-Schiedsrichter weitere aufmerksamkeitswirksame Maßnahmen vor.
Dieser Brief mit seinen Anliegen ist eine Initiative der Hamburger VSA-Schiedsrichter und wird ausdrücklich unterstützt durch den Verbands-Schiedsrichterausschuss und die acht Hamburger Bezirks-Schiedsrichterausschüsse.
Gez.
Michael Ehrenfort (VSA-Aktivensprecher) und Murat Yilmaz (stv. VSA-Aktivensprecher)
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