07.11.2015 Zwischen Genie und Wahnsinn von Andreas Killat
vs.
SV Curslack-Neuengamme – SC Victoria 3:1 (1:1)
SV Curslack-Neuengamme: Babuschkin – Kleine, Bannasch, Schalitz, Keklikci – Radic, Beldzik – Degener, N. Hoffmann – Landau (90. Badawere), Hammel (65. Aschenbrenner) SC Victoria: Grubba – Schult, Ribeau, Wacker, Schmid (46. Nikroo) – Thiessen, Boock – Jadidi (62. Voorbraak), Zschimmer (81. Sampaney), Edeling – Rodrigues Tore: 1:0 Landau (10.), 1:1 Edeling (39.), 2:1 N. Hoffmann (51.), 3:1 Degener (88.) Schiedsrichter: Markus von Glischinski (SC Eilbek): So wünscht man sich einen Schiedsrichter! Klare Linie, klare Ansprache. Beste Spieler: Kämpferisch tolle Teamleistung (Bannasch, Radic…einfach alle)! – Edeling Zuschauer: 222
„Niklas war ganz schön überrascht, als er seinen Namen auf der Tafel in der Startelf gesehen hat“, berichtete Torsten Henke nach dem Abpfiff mit einem Schmunzeln im Gesicht über seinen Youngster Niklas Hoffmann (19). „Ich habe es ihm vorher nicht gesagt oder angedeutet, er sollte ganz unbelastet in die Partie gehen“. Das gelang vorzüglich – doch dazu später mehr. Seinem erstmaligen Einsatz von Beginn an verdankte er dabei der Tatsache, dass eine ganze Reihe von (Stamm-)Spielern fehlte (u.a. Papke, Spiewak, Wilhelm). Aber auch Gäste-Coach Lutz Göttling musste sich in Verzicht üben: „Choi und Ebbers haben sich unter der Woche im Training verletzt“, dazu fehlte der gesperrte Marcus Rabenhorst.
Trotz dieser unzweifelhaften Qualitätsverluste – beide Teams machten den Zuschauern mit ihrer offensiven Spielweise und viel Tempo Freude. Zwar wollte Henke mit zwei Viererketten ganz tief stehen, doch seine Spieler hielten sich zunächst nicht daran. „Mike Beldzik, habe ich etwas verpasst? Zurück! Tiefer!“, brüllte der 49jährige quer über den Platz, doch die Hausherren glänzten immer wieder mit schnellem Umschaltspiel, so dass selbst Henke später Szenenapplaus spendierte („Klasse gespielt, Männer“). Das frühe 1:0 war allerdings ein Geschenk des Rekordmeisters: Erst verlor man den Ball in der Vorwärtsbewegung, dann segelte der Traumpass von Jan Bannasch über 40 Meter gefühlte drei Minuten durch die Luft, ohne dass sich die SCV-Innenverteidiger einig werden konnten, wer denn nun für Jan Landau zuständig sei und dann verzauberte dieses Genie, das seinen Trainer mit unnötigen Ballverlusten so häufig in den Wahnsinn treibt, alle Anwesenden (inkl. der Vicky-Abwehr) mit einem gekonnten Bogenlampenschuss über Keeper Tobias Grubba hinweg zum 1:0 (10.).
“Genie“ Jan Landau (Rückennummer 7) wird nach seinem Tor bejubelt. Foto: Hanno Bode
„Weißt Du noch Donnerstag im Training?“, strahlte Landau Richtung seines Torhüters Gianluca Babuschkin – und klärte die Anwesenden hinterher auf: „Genau so ein Tor habe ich vor zwei Tagen im Abschlusstraining gegen Luca gemacht – das war quasi meine Generalprobe“. Für Vicky ging das zunächst alles viel zu schnell, doch nach gut zwanzig Minuten wurde es besser: Nach schönem Pass von Marcel Rodrigues genau in die Schnittstelle kam Jan Edeling frei zum Schuss, traf aber nur den Innenpfosten (23.). Pech, könnte man meinen. Doch Göttling sah das anders (siehe auch „Stimmen“): „Der Ball prallt ab und wir sind nicht da – das war mehrfach im Spiel so“. Wie zum Beweis dieser Aussage folgte gleich die nächste Szene: Wieder Edeling, diesmal Babuschkin mit toller Parade, aber weder Jadidi, noch Rodrigues können den Abpraller nutzen (31.).
Ein nachdenklicher SCV-Trainer: Lutz Göttling war heute nicht zufrieden. Foto: Hanno Bode
Kurios dann der Ausgleich: Wie am „Flipperautomat“ trudelte das Leder im Fünfmeterraum mehrfach zwischen Gäste- und Heimspielern hin und her, bis schließlich Edeling aus vier Metern einköpfen konnte (39.). Vorher hatten unter anderem Rodrigues, Jadidi und Zschimmer vergeblich versucht, das Leder über die Linie zu bringen. „Tragisch, dass der Ball beim Abwehrversuch am Rücken vom eigenen Mann landet, dadurch bekam er so einen Drall und wurde zu perfekten Vorlage für Vicky“, seufzte Curslacks neuer Manager Oliver Schubert zur Halbzeit.
Auch nach dem Pausentee war von „Mauertaktik“ nichts zu sehen. Die Vierländer stürmten munter weiter: Flanke Landau, Hammel lässt mit der Brust abtropfen und Christian Degeners Schuss wird im letzten Moment zur Ecke abgefälscht (49.). Nur ein toller Spielzug von sehr vielen an diesem Tag (u.a. hier gab es besagten Szenenapplaus von Henke und natürlich auch von den Rängen). Die nächste Traum-Kombi führte dann aber endlich zum Erfolg: Beldzik marschierte mal wieder mit Tempo über rechts (man fühlte sich sofort an den Henke-Spruch „Mike Beldzik, habe ich etwas verpasst? Zurück! Tiefer!“ erinnert), sein großartiger Seitenwechsel fand Hammel auf dem linken Flügel und der legte quer auf Niklas Hoffmann: Tor zum 2:1 aus drei Metern (51.)! Grubba sah hierbei zwar nicht besonders glücklich aus, aber das störte den Premierenmann (siehe Beginn des Berichtes) natürlich überhaupt nicht.
Da Vicky zwar gefällig gespielte, nach vorne jedoch kaum Gefahr entwickelte (Choi und Ebbers fehlten eben an allen Ecken und Kanten), half Eyke Kleine aus, der mit einer verunglückten Kopfballrückgabe fast ein „Traum(eigen)tor“ zum 2:2 erzielt hätte, doch Babuschkin kratzte das Leder mit einem Hechtsprung (im Rückwärtslaufen) irgendwie noch aus der Luft (58.). Göttling ging nun aufs Ganze, stellte auf Dreierkette um (Schulz-Ribeau-Wacker) und wollte mit aller Macht den Ausgleich (mindestens). Aber seine Männer „vergaßen“ heute einfach viel zu häufig den Abschluss. „Immer dieses klein-klein. Ein Ebbers hätte schon lange mal abgezogen. An unseren letzten Torschuss aus 30 Metern kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Das muss 2013 gewesen sein“, klagte der SCV-Coach sein Leid – hatte aber auch Pech. Denn nach einem Freistoß zog Schulz aus gut 17 Metern zwar endlich mal beherzt ab, doch Bannasch klärte kurz vor der Linie (69.).
Für die Vorentscheidung hätte dann Degener sorgen können, doch sein Kopfball (völlig „blank“ aus sechs Metern) strich über den Kasten (76.). Das hätte sich im Gegenzug fast bitter gerächt: Schulz mit feinem 40-Meter-Diagonalpass auf Vincent Boock, doch statt konsequent mit Ball auf den Torhüter zuzusteuern (Göttling: „Dann kriegst Du vielleicht auch mal einen Elfmeter“), stoppte der 22jährige erstmal ab. Chance vertan. Für den glorreichen Schlusspunkt aus Sicht der Gastgeber sorgte dann schließlich doch noch Degener, der einen Abpraller (!) gedankenschnell volley zum 3:1 einnetzte (88.) – und damit die ziemlich trübe Bilanz gegen den Rekordchampion ein wenig aufbesserte (siehe Statistik am Ende des Berichtes).
Für Vicky kommen die beiden Niederlagen gegen Altona und Curslack zur „Unzeit“, hatte man doch ein wenig gehofft, mit einem Erfolg am Freitag (dem 13.!) gegen Spitzenreiter BU selbst die Pole-Position einzunehmen. Entsprechend frustriert gab sich Göttling in der Pressekonferenz:
Stimmen:
Lutz Göttling (Trainer SC Victoria): Mein Fazit lautet: Verdiente Niederlage. Einer Spitzenmannschaft total unwürdiger Auftritt, den wir heute an den Tag gelegt haben. Der Gegner hat immer nachgesetzt, wir nicht. Wir haben alles verkehrt gemacht.
Torsten Henke (Trainer SV Curslack-Neuengamme): In der ersten Halbzeit haben wir das gut gemacht. Bei Jan Landau hat man dann mal wieder das gesehen, was schon häufiger der Fall war: Zwischen Genie und Wahnsinn. Ein eindrucksvolles Tor zum 1:0. Das Remis zur Halbzeit war aber verdient. Knackpunkt des Spiels war das schnelle 2:1 nach der Halbzeit. Danach haben wir mit viel Leidenschaft verteidigt. Ein Riesenkompliment meiner Mannschaft.
Punktspielstatistik aus Sicht des Gastgebers (seit 1919): 21 Spiele, 2 Siege, 8 Remis, 11 Niederlagen, 28:45 Tore
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