13.11.2015 Die unglaubliche Leistung des Jan-Ove Edeling von Mirko Schneider
vs.
SC Victoria – HSV Barmbek-Uhlenhorst 3:0 (0:0)
SC Victoria: Grubba – Schulz, Rabenhorst, Wacker (64. Rodrigues), Edeling – Choi, Ribeau, Hacker, Boock (87. Jadidi) – Thiessen (89. Voorbraak) – Ebbers HSV Barmbek-Uhlenhorst: Tholen – Carlson (79. Keunemann), Dammann, Clausen, Lange – Hoeft, Ahmed – El-Nemr, Müller-Leitloff – Korczanowski (66. Labiadh), Sa Borges Dju (89. Jannsen) Tore: 1:0 Thiessen (46., Vorarbeit Choi), 2:0 Ebbers (80., Choi.), 3:0 Choi (86., Edeling) Besonderes Vorkommnis: Grubba (Victoria) pariert Foulelfmeter von Sa Borges Dju (60.). Schiedsrichter: Patrick Ittrich (MSV Hamburg) – hatte alles im Griff. Der Elfmeterpfiff schien kurz zweifelhaft, aber da sich kein Victorianer beschwerte, bekundet hafo.de sein grenzenloses Vertrauen in unseren DFB-Schiedsrichter. Beste Spieler: Edeling, Choi, Grubba, Wacker – weitgehend geschlossene Mannschaftsleistung ohne herausragenden Akteur Zuschauer: 587
„Ui, so was habe ich ja noch nie gemacht“, sagte Jan-Ove Edeling, als ihn die versammelte Journalistenschar nach dem 3:0 im Oberliga-Spitzenspiel um ein Interview bat. Etwas verwundert blickte der 23-Jährige all die Leute an, die da plötzlich was von ihm wissen wollten – und gab sich bescheiden: „Da hat der Trainer heute eine Idee gehabt. Und die hat gepasst.“ Sein Coach Lutz Göttling hatte den sonst hauptsächlich als Rechtverteidiger eingesetzten Edeling nämlich zum ersten Mal in dieser Saison auf die linke Abwehrposition beordert. Diese Premiere auf dem Feld führte zu Edelings Interviewpremiere vor den Tonbändern und Notizblöcken. Und die hatte sich der Mann mit der Pferdelunge mit einer wirklich bombastischen Leistung mehr als verdient.
In der ersten Hälfte war dies noch nicht unbedingt abzusehen. Der spätere Held dieses Oberliga-Spitzenspiels kickte gut mit, hielt seine Seite dicht, doch sein steter Vorwärtsgang brachte „nur“ eine torgefährliche Situation zustande, als die Victorianer im Gegenpressing ihre Barmbeker Gäste zu einem Fehler zwangen. Gene Carlson klärte schlecht und Edeling zirkelte den Ball vom linken Sechzehnereck hauchdünn am langen Pfosten vorbei (33.). Ansonsten gab es in Hälfte eins vor den Toren nur wenig zu bestaunen. Kangmin Choi scheiterte nach einem langen Abschlag von Tobias Grubba an Andre Tholen (16.) und wurde drei Minuten vor der Pause in aussichtsreicher Position vor dem Gästegehäuse geblockt. Barmbek bot einen semigefährlichen Fernschuss durch Jon Hoeft an (6., Grubba hielt) sowie eine Kopfballchance durch Sebastian Clausen im Anschluss an eine schicke Eckballvariante (24., Niklas Müller-Leitloff zum Sechzehner, Kopfballvorlage von Pascal El Nemr an den Fünfer, Kopfballabschluss Clausen).
So richtig in Fahrt kam die Partie erst gleich nach Wiederanpfiff. Nun begann die große Edeling-Show, die nur anfangs leicht zu beschreiben ist, da der 2014 von der SV Ramlingen-Ehlershausen gekommene junge Mann gleich ein Tor vorbereitete. Wunderbar setzte er sich auf seiner neuen linken Heimatseite durch und flankte in die Mitte. Der ebenfalls bärenstarke Choi legte per Brust ab auf den heute nicht so dominanten Dennis Thiessen und der vollendete gekonnt aus fünf Metern zur Führung (46.).
Nun jedoch wird die Beschreibung schwierig, da aus Edelings vielen Aktionen zunächst keine Torchancen entstanden, was so gut wie nie an ihm selbst lag. Der frühere Buchholzer Trainer Thomas Titze sagte mal, er fände es schade, dass in Berichten zu oft nur die Spieler mit den für alle offensichtlich auffälligen (sprich an Torchancen/Toren beteiligten) Aktionen gewürdigt würden.
Daher wagen wir hier im besten Titze`schen Geist den Versuch, Edelings Performance trotzdem zu loben. Kurz gesagt: Er riss schlicht alle mit, stand niemals still, gewann ständig seine Zweikämpfe, trug etliche Bälle mit Sprints nach vorne, war passsicher, verlagerte das Spiel, wenn es sein musste, und nutzte den Raum vor sich dauernd mit viel Mut für offensive Attacken. „Bei einer Flanke hat er mich verletzt. Er rannte kurz in mich rein, als ich ein Foto machen wollte“, beschrieb Victorias Betreuer Oliver Sextro nach der Partie lächelnd Edelings extremes Engagement. Den taktischen Teil übernahm Trainer Lutz Göttling: „Jan-Ove hat eine gute Hinterlaufbewegung, ist ein fitter Junge. Wir hatten in den letzten Wochen ein bisschen Probleme links hinten und links offensiv hatte Jan in der letzten Saison schon gespielt. In Halbzeit zwei haben wir auf Dreierkette bei Ballbesitz umgestellt, Vincent Boock räumte die Außenbahn – und so kam Jan-Ove zu vielen guten Aktionen.“
Diese wären wohl nicht mit drei Punkten belohnt worden, hätten die Barmbeker in ihrer Drangperiode zwischen der 60. und 72. Minute zugeschlagen. Aber Ivan Sa Borges Dju vergab erst vom Punkt (Matthias Ribeau foulte zuvor Amin Ahmed), dann per Fuß (66.) und schließlich zweimal per Kopf (67., 72.) aus jeweils aussichtsreichen Postionen.
Victoria legte seine Unordnung aber wieder ab und eröffnete in der 80. Minute mit dem 2:0 endgültig den offenen Schlagabtausch. Choi versetzte seinen Gegenspieler Müller-Leitloff und zog eine wunderschöne Bananenflanke an den zweiten Pfosten, wo Marius Ebbers goldrichtig stand und per Kopf zum 2:0 vollendete. Barmbek gab sich aber nicht geschlagen. Marcus Rabenhorst klärte auf der Linie nach einem Eckball einen Schuss von El Nemr (82.) und Clausen vergab ebenfalls nach einem Eckball (83.). Victoria schlug zurück, Vincent Boock bediente Choi, der an Tholen scheiterte, ebenso wie Ebbers im Nachschuss (85.). Kurz darauf bereitete Boock per Hacke für Edeling vor. Dem Usain Bolt von der Hoheluft war jedoch kein Treffer vergönnt, ein Barmbeker rettete auf der Linie (85.).
Also entschied sich Edeling, laut Trainer Götting früher zwei Jahre im Robinson Club als Animateur tätig und somit grundsätzlich kein schüchterner Mensch, noch einmal dafür, alle Victorianer zu begeistern. Victoria trug einen Konter vor und Edeling sprintete die gesamte linke Seite hinunter, als habe der Unparteiische Pattrick Ittrich gerade erst angepfiffen. Das Zuspiel nahm er auf, ging in Richtung Grundlinie und verzögerte so lange und so geschickt, dass er in der Mitte nur noch Choi anspielen musste, der die Kugel ins leere Tor chippte (86.). Der Rest war Jubel an der Hoheluft.
„Die Mannschaft und ich sind sich noch nicht sicher, was besser ist: schlecht spielen wie in Dassendorf und verlieren oder gut spielen wie heute und verlieren“, beschrieb Gästetrainer Frank Pieper die Barmbeker Gemütslage. Was am besten ist, war jedoch heute keine Frage: so spielen wie Jan-Ove Edeling. Denn so wird Fußball zum Genuss.
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