12.02.2016 Richert beschleunigt Reibes Karriereende von Mirko Schneider
vs.
SC Victoria – VfL Pinneberg 1:3 (1:1)
SC Victoria: Grubba – Nikroo (76., Jadidi), Rabenhorst, Wacker, Carolus – Ribeau, Hacker (80., Abdallah) – Edeling, Rodrigues, Strömer – Zschimmer (62., Ebbers) VfL Pinneberg: Baese – Ellerbrock (46., Borck), Vollmer, Zimmermann, Maaß – Kulicke – Knotterus, Diaz, Richert (87., Ivanko), Jeske (75. Lüneburg) – Dirksen Tore: 0:1 Richert (9., direkter Freistoß), 1:1 Rodrigues (36., Foulelfmeter), 1:2 Richert (52., Jeske), 1:3 Dirksen (80., ohne Vorarbeite Schiedsrichter: Jorrit Friedrich Eckstein-Staben (SC Wentorf) – mit einigen merkwürdigen Entscheidungen. Der Foulelfmeter war gerade noch vertretbar. Nahm Victoria eine exzellente Torchance bei einem angeblichen Stürmerfoul von Jan-Ove Edeling (45.). Beste Spieler: Strömer, Carolus (jeweils 1. HZ), Rodrigues (erhält ein Fleißkärtchen für seine Wuseligkeit und ein Sternchen für seine stets unterhaltsamen Auseinandersetzungen mit dem Schiedsrichter) – Richert, Jeske, Dirksen, Vollmer Zuschauer: 150
Die Winterpause des VfL Pinneberg teilte sich für die Öffentlichkeit in zwei Phasen auf. Phase eins: Warum haben die nur den sympathischen Trainer Michael Fischer entlassen? Geht ja gar nicht! Phase zwei: Ist Thorben Reibe jetzt „nur“ Fischers Nachfolger oder Spielertrainer? Die Oberliga-Partien in Süderelbe letzte Woche und heute beim SC Victoria verfolgte der 33-Jährige von der Bank. Die Option einer Rückkehr aufs Spielfeld hielt sich der offensive Mittelfeldspieler, der unter Fischer sogar ab und an den Libero gab, offen. Just in dem Moment, als die Flutlichter bei Reibes erstem Sieger-Interview als Trainer auf dem Kunstrasen am Lokstedter Steindamm ausgingen (der Rasen im Stadion war unbespielbar), stellte er klar: Seine Spieler treffen letztlich die Entscheidung. In Reibes Worten: „Wenn die Mannschaft so spielt, braucht sie mich auf dem Platz nicht.“
Wesentlichen Anteil an dieser starken Leistung besaß Sascha Richert. Während die Hamburger Amateurfußballfans beim Thema Pinneberg Phase eins und zwei debattierten, übte Richert in der spielfreien Zeit das Erzielen von Toren aus geradezu unmöglichen Situationen. Anders ist sein 1:0 kaum zu erklären. 8. Spielminute, Freistoß Pinneberg, absolut zentral, Torentfernung 40 Meter, Victorias Torwart Tobias Grubba stellt nicht mal eine richtige Mauer. Wozu auch? Die Antwort gab Richert höchstpersönlich. Er lief an und feuerte den Ball mit einer schönen Bananenflugkurve flach in die rechte Ecke. Das erste Traumtor des Abends brachte den Außenseiter 1:0 in Führung. Luis Diaz hätte schnell nachlegen können, verzog aber blank nach einer flachen Hereingabe von Tim Jeske aus guter Position (13.).
Titelkandidat Victoria kam im ersten Spiel unter dem neuen Trainer Jasko Bajramovic nur schwer in die Gänge. Und wenn, dann in Hälfte eins stets über die linke Angriffsseite. Pinnebergs Rechtsverteidiger Kjell Ellerbrock erwischte einen rabenschwarzen Tag. Reibes Umstellung vom 4-1-4-1 auf ein 4-2-3-1 mit Richert in der Sturmspitze und Christian Dirksen als zweiter Sechs nach 20 Minuten fruchtete zunächst ebenfalls nicht, sollte aber später noch wichtig werden. Victoria konnte aus dem Zentrum viel zu viele Angriffe über links einleiten. Nur köpfte Len Strömer (20.) weit drüber und seinen feinen Pass nach schöner Körpertäuschung verstolperte der schwache Kevin Zschimmer im Zentrum fei vor Pinnebergs Keeper Norman Baese (23.). Viel Dampf über links machte ebenfalls Victorias Rinik Carolus, dessen Flanken zu wünschen übrig ließen. Eine der wenigen, die in Zschimmer einen Abnehmer gefunden hätten, führte zum Strafstoß für Victoria. Jan Zimmermann sollte Zschimmer geschubst haben. Marcel Rodrgiues verwandelte flach rechts unten zum 1:1 (36.).
Doch wer nun einen dem Tabellenstand entsprechenden Spielverlauf erwartete, sah sich getäuscht. Sieben Minuten nach Wiederanpfiff erkämpfte sich der agile linke Flügelflitzer Jeske einen langen Ball am Sechzehner Victorias. Geschickt setzte er Richert in Szene, der als nun etatmäßiger Stürmer den gegnerischen Kasten nicht mehr aus der Ferne anvisieren musste. Kurze Distanz, spitzer Winkel, trockener Strich in die lange Ecke – der Underdog lag wieder vorne (52.).
Victoria bäumte sich kurz auf durch einen Lattenschuss von Matthias Ribeau (52., Parade Baese) und eine schicke Eckballvariante direkt im Anschluss flach an den Sechzehner, als Rodrigues Carolus bediente und der knapp drüber schoss (53.). Das war es allerdings auch. Außer mehr Ballbesitz fiel Vicky nicht mehr viel ein. Die Einwechslung von Marius Ebbers (Trainingsrückstand) nach einer guten Stunde blieb wirkungslos, die rechte Pinneberger Abwehrseite verteidigte seit dem Wechsel der für Ellerbrock in die Partie gekommene Alexander Borck (Spitzname „der Schlachter“), als ginge es um sein Leben.
Gewann Pinneberg den Ball, gelang der eine oder andere Konter. Jeske vergab eine Hundertprozentige, spitzelte eine Eingabe von Diaz fünf Meter vor dem Tor neben den Kasten (57.), prüfte Grubba eine knappe Viertelstunde später erneut (71.) per Fernschuss. Und dann kam Dirksen! Er hatte ja von Kollege Richert gelernt, wie man aus der Distanz trifft und der 20-Minuten-Stürmer, der als Sechser in der zweiten Halbzeit gut spielte, nahm einen Abpraller aus 30 Metern mit links und jagte den Ball mit rauschender Wucht unhaltbar in den linken Winkel (80.). Das zweite Traumtor des Abends feierte ganz Pinneberg an der Seitenlinie, Torwart Baese legte vor Freude gar einen beeindruckenden 100-Meter-Sprint hin!
Entscheidendes passierte danach nicht mehr, die erste Sensation des Spieltages war perfekt. „Der Gegner hat verdient gewonnen und ein gutes Spiel gemacht. Wir haben nicht alles falsch gemacht, waren aber in den entscheidenden Situationen nicht da. Somit ist mein Start leider nicht gelungen“, resümierte Victorias Trainer Bajramovic. Pinnebergs Reibe zeigte hingegen sein großes Herz und nahm Ellerbrock in Schutz. Dieser habe „bei weitem kein schlechtes Spiel gemacht“. Und: „Wir haben gegen Victoria in den letzten Jahren öfter gut ausgesehen. Wir sind eben eine unangenehme Truppe und schwer zu spielen. Uns muss man erst mal schlagen.“ Das könnte bei einer Konservierung dieser Form für Pinnebergs Gegner tatsächlich schwer werden. Selbst ohne einen Thorben Reibe auf dem Spielfeld.
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