26.02.2016 Hamm United verspielt eine Menge Sympathien von Mirko Schneider
vs.
Hamm United FC – Klub Kosova 1:2 (1:1)
Hamm United FC: Graudenz – Ludin, Yousofzai, Harrsen, Hoppe – Suntic, Schirosi – Neuenhagen, Mahrt, Kunkel – Sakarya Klub Kosova: Menzel – Hodolli, Groenhagen, Kaba, Wehlow – Krefta, Ukshini (81. Sinani) – Smereka, Zawada (71. Hoff), Krasniqi – Galica Tore: 0:1 Krasniqi (28., Vorarbeit Galica), 1:1 Sakarya (30., Suntic), 1:2 Krasniqi (70., Zawada) Gelb-Rot: Ludin (45., Hamm United, wdh. Foulspiel), Yousofzai (87., Hamm United, wdh. Foulspiel) Rot: Mahrt (90., Hamm United, Notbremse) Schiedsrichter: Florian Pötter (FC Voran Ohe): Starke Zweikampfbewertung, gute Ansprachen an die Spieler, alle drei Feldverweise waren korrekt. Hätte Schirosi für einen Ellenbogenschlag an Ukshini mit Rot statt Gelb bestrafen (67.) und Yousofzai bereits in der 80. Minute für ein Foul an Ukshini an der Grenze zur Tätlichkeit mindestens mit Gelb-Rot vom Platz stellen müssen (80.). Machte trotz dieser zweier Fehler, die sich nicht spielentscheidend auswirkten, so gut wie alles richtig in einem extrem schwierig zu leitenden Spiel. Respekt vor seiner guten Leistung! Beste Spieler: Graudenz – Krasniqi, Zawada, Smereka, Galica Zuschauer: 150
„Ruf ist die Meinung anderer, die sich andere – aufgrund der Meinung anderer – bilden.“ Wer hat das gesagt? Platon? Aristoteles? Kant? Natürlich nicht! Es war Michael Degen in seiner Rolle als Martin Sanders in der Familienserie „Diese Drombuschs“. Als wahrer Philosoph des Alltäglichen beklagte Journalist Sanders seine Nicht-Beförderung zum Chefredakteur. Elf Jahre (von 1983 – 1994) beschäftigte das Schicksal der „Drombuschs“ Millionen deutsche Fernsehzuschauer, besagtes Zitat stammt aus Folge 26: „Der Verlierer“.
Elf Jahre alt ist auch Hamm United. Gemeinsamkeiten mit den Drombuschs? Viel Erfolg (Marsch von der Kreisklasse bis in die Landesliga Hansa), gerne mal Klartext (z.B. Präsident Jörn Heinemann, Teammanager Jassi Huremovic), ein hoher Unterhaltungswert (dieselbigen) und eine gute Seele (Trainer Uli Schulz, die viel dünnere und fußballerisch kompetentere Ausgabe von Günter Strack als Ludwig Burlitz). Heute waren „Diese Hammer“, die schon so viele gute Episoden Fußballgeschichte geschrieben haben, Verlierer. Wie Martin Sanders in Folge 26.
Für die gesamte Mannschaft des Hamm United FC trifft das sportlich zu. Absolut zu Recht siegte Klub Kosova im Spitzenspiel der Landesliga Hansa mit 2:1 an der Snitgerreihe. Die erste Hälfte ging fast komplett an die Gäste. Homogener und spielerisch zielstrebiger präsentierte sich das Team von Thorsten Beyer und Ingo Brussolo. Patrick Smereka scheiterte mit einem verdeckten 30-Meter-Fernschuss an Hamms Keeper Samuel Graudenz (6.) und zwei weitere kosovarische Halbchancen später verzog Vasco Zawada nach Zuspiel des in der Sturmspitze als klugem Ballverteiler agierenden Visar Galica aus guter Position halblinks im Sechzehner knapp (21.).
Machte nichts, Zawadas Wut sollte bald Wirkung zeigen. Nicht über seine vergebene Torchance, sondern über Schiedsrichter Florian Pötter. Zawada bekam ein Foul am Mittelkreis nicht zugesprochen, Pötter rief „Nur der Ball“ und lag richtig. Zawada war trotzdem sauer, stand wie von der Tarantel gestochen auf, erkämpfte sich mit einem leidenschaftlichen Pressball die Kugel, setzte Galica ein, der wiederum Agonis Krasniqi bediente. Cool versenkte er alleine vor Graudenz zum 1:0 (28.).
Und „Diese Hammer“? Traten nur kurz, aber gewaltig in Erscheinung. Wie Susanne Schäfer, welche die Marion Drombusch nur in den sechs Folgen der sechsten Staffel spielte, nachdem Sabine Kaack aufgehört hatte. 30. Minute: Der schwache Danijel Suntic setzt den bis dahin nicht existenten Serkan Sakarya in Szene, Annahme am Elferpunkt, Finte, Drehung, trockener Schuss ins lange Eck, 1:1! Mit dem Pausenpfiff flog Hamms Abdul Ludin wegen wiederholten Foulspiels vom Platz (45.). Im Nachhinein eine Prophezeiung der nicht-sportlichen Niederlage, welche noch folgen sollte…
Hamms Trainer Uli Schulz stellte nach dem Wechsel um auf 4-1-3-1 (Patrick Neuenhagen Rechtsverteidiger, Sarkarya ins rechte Mittelfeld, Suntic in den Sturm) – und das Konzept schien aufzugehen wie eine 1A-Charakterzeichnung. Hamm stand jetzt hinten sicher, Kosova brachte vorne bis auf einen von Graudenz sicher parierten Schuss von Muhamet Hodolli (49.) nichts mehr zustande. Doch schon Ethan Hawke als Troy Dyer in „Reality Bites“ wusste, dass „das Leben eben doch keine Fernsehserie ist…“
Der Fußball auch nicht, wenngleich er seine Schlüsselmomente hat. An der Snitgerreihe waren es die 67. und die 70. Minute. Schirosis Ellenbogenschlag gegen Amir Ukshini zeigte der Linienrichter korrekt an. Ohne verbale Kommunikation mit seinem Assistenten gab Schiedsrichter Pötter Schirosi Gelb. Sehr schmeichelhaft. So durfte der Hammer auf dem Feld bleiben – und musste drei Minuten später die Tragödie des Rückstands erleben. Ein katastrophaler Fehlpass in der eigenen Abwehr, der nimmermüde Zawada passt auf Krasniqi, ein Haken, ein Schuss, ein Schrei aus vielen kosovarischen Kehlen – 1:2!
Nun verquickten sich auf Seiten der Hammer die sportliche und die nichtsportliche Niederlage. „Der Zerfall“ heißt Folge 38 bei den „Drombuschs“ und besser lässt sich kaum beschreiben, was nun abging. Hamms schlug eine überharte Gangart an. Yousofzai räumte Ukshini an der eigenen Torauslinie ab, als er ein Sperren des Balles antäuschte und dann mit dem Körper voll in den Mann ging (80.). Pötter ließ weiter laufen, statt den fälligen Platzverweis auszusprechen. Galica bestrafte Sekunden später die Gastgeber auf Vorlage von Steven Wehlow nicht mit der Entscheidung, Graudenz tauchte ab und parierte super (81.). Schirosi, weiterhin am Rande des Platzverweises balancierend, vergab in Unterzahl das unverdiente 2:2 frei vor Sebastian Menzel (86.) – und half danach wenigstens beim Deeskalieren. Yousofzai wollte unbedingt vorzeitig duschen gehen und hatte sich direkt vor der Kosova-Bank ein weiteres überhartes Einsteigen geleistet. Pötter blieb keine andere Wahl: Gelb-Rot (87.). Kosovas Fans meldeten lautstark Gesprächsbedarf an, Schirosi & Co. beuhigten ebenso vorbildlich wie das Schiri-Gespann und die Bank der Gäste, allen voran deren Trainer-Duo Beyer/Brussolo. Christopher Mahrts Notbremse, eine wahre Rasur des eingewechselten Kosovaren Vulnet Sinani mit gestrecktem Bein, ließ die Hammer Spielerfraktion auf dem Feld auf acht Akteure schrumpfen (90.). Deren Chancen auf den Ausgleich in der Nachspielzeit waren so groß wie Sanders Möglichkeiten, seiner durchtriebenen Frau Brigitte (großartig gespielt von Constanze Engelbrecht) ihre Eskapaden nachzuweisen.
Hamms Trainer Uli Schulz wollte „eine Niederlage durch zwei Fehlpässe von uns“ und ein „in der ersten Halbzeit gutes Spiel meiner Mannschaft" gesehen haben, bemängelte zudem „die Kartenverteilung am Anfang des Spiels“, als der Unparteiische zwei Gästespielern hätte Gelb zeigen können. Zudem verwies Schulz – verständlich – „auf unsere Verletzungssorgen“. Nicht mal gewechselt hatte er, nur drei Feldspieler befanden sich auf der Bank. Kosovas Trainer Thorsten Beyer lag mit seiner Analyse näher am Spielgeschehen. „Bis auf eine Chance haben wir in der ersten Hälfte nichts zugelassen. Danach haben wir es in der zweiten Halbzeit 20 Minuten nicht gut gemacht, da hat man den Willen bei uns nicht gesehen. Gegen Ende wurde es wieder besser und wir haben verdient gewonnen. Der Gegner hat sich etwas über Gebühr gewehrt. Wir wollen nun mindestens Zweiter werden“, erklärte Beyer. Bleibt seine Mannschaft so hungrig, ist das drin – und damit der Aufstieg in die Eliteklasse des Hamburger Amateurfußballs.
Hamm United darf sich dafür an Folge 39 orientieren, die die „Drombuschs“ beendete. Auf den „Zerfall“ folgte zum Abschluss „Der Aufbruch“. Hoffentlich in eine Restspielzeit, in denen Feldverweise eine Nebenrolle spielen und dramaturgisch der Aufstiegskampf im Zentrum des Geschehens steht. Die wahre Qualität einer Serie erkennt der Betrachter nicht an einer schlechten Episode. Bitte am Happy End arbeiten. Fußballerisch!
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